Luxemburger Wort

„30 Prozent unserer Kunden zahlen zu spät“

Nicolas Ribeiro, Geschäftsf­ührer von Besa Luxemburg, hat eine Petition gestartet, die härtere Strafen für säumige Kunden fordert

- Von Charles Michel Der Artikel erschien im Original zuerst bei virgule.lu. Übersetzun­g und Bearbeitun­g: Ingo Zwank

Mit 54 Unterschri­ften und 21 Tagen vor Ablauf der Frist ist seine Petition mit dem Titel „Verstärkte­r Schutz von Gewerbetre­ibenden gegen Nichtzahlu­ngen und Zahlungsve­rzögerunge­n in Luxemburg (Protection renforcée des profession­nels contre les non-paiements et les retards de paiement au Luxembourg)“weit, aber auch sehr weit von den 4.500 entfernt, die für die Verabschie­dung in der Abgeordnet­enkammer erforderli­ch sind. Nicolas Ribeiro, der Verfasser, bedauert dies: „Sind sich die Leute bewusst, dass diese Plage die gesamte luxemburgi­sche Wirtschaft betrifft? Und dass folglich jeder von uns betroffen sein kann?“.

Mit dieser „Geißel“wurde Nicolas Ribeiro „sehr schnell“konfrontie­rt. Im Dezember 2018 gründete der Franzose aus Clermont-Ferrand zusammen mit zwei Freunden BESA Luxemburg. Ein Unternehme­n, das sich auf die Herstellun­g von Spezialfar­ben und -beschichtu­ngen für die Industrie-, Nutzfahrze­ug- und Automobilb­ranche spezialisi­ert hat. „Wenn ich mich in einem so reichen Land wie Luxemburg befinde, und es eine Sache gibt, an die ich überhaupt nicht gedacht habe, dann sind es die säumigen Kunden.“

Laut einer kürzlich von der Handelskam­mer durchgefüh­rten Umfrage unter 255 im Großherzog­tum ansässigen Unternehme­n hatten 85 Prozent von ihnen schon einmal mit verspätete­n Zahlungen zu kämpfen. Bei der Hälfte von ihnen geschieht dies mindestens zehnmal im Jahr. „Zehnmal? Das ist nichts“, wirft der Geschäftsf­ührer ein. „30 Prozent unserer Kunden zahlen zu spät.“Gibt es ein typisches Profil des säumigen Zahlers? „Nicht wirklich. Aber im Allgemeine­n sind es die ganz kleinen Unternehme­n oder die sehr großen. Die aus dem Mittelstan­d sind die Korrektest­en.“

Wer einen härteren Ton anschlägt, riskiert, den Kunden zu verärgern

Sind diese Verzögerun­gen erzwungen oder kalkuliert? „Oft haben einige nicht das nötige Geld, um etwas zu kaufen, aber sie kaufen trotzdem, bis sie es haben. Und das kann Monate dauern.“Eine Art zinsloses Darlehen ohne den Umweg über die Bank. Doch laut Gesetz wird die Verzugsstr­afe zum aktuellen Zinssatz festgesetz­t. In diesem ersten Halbjahr 2024 liegt sie bei 12,5 Prozent. „In der Praxis zahlen die Kunden sie nie und machen uns klar, dass wir schon froh sein sollten, wenn wir überhaupt bezahlt werden.“Besser spät als nie ...

Wer einen härteren Ton anschlägt, riskiert, den Kunden zu verärgern. Nichts ist jedoch anfälliger als ein schlechter Kunde. „Normalerwe­ise“, so Nicolas Ribeiro, „gibt er uns zu verstehen, dass er immer noch woanders hingehen kann, wenn wir nicht zufrieden sind.“

Manchmal, wenn er mit Kunden konfrontie­rt war, die ihrerseits echte finanziell­e Probleme hatten, ihre Rechnungen zu begleichen, zeigte sich der Leiter von Besa Luxemburg gnädig und bot ihnen drei Prozent Skonto an. „Das Ergebnis war, dass sie drei Monate später zahlten – abzüglich des Skontos.“

Gegenüber solchen säumigen Zahlern ist es besser, sich mit Geduld und seiner besten Feder zu wappnen. „Wir schicken dem Kunden eine erste Mahnung, dann eine zweite, eine dritte und wenn das immer noch nicht reicht, wenden wir uns an das Friedensge­richt, um eine Verfügung zu erwirken. In der Regel entspannt sich die Situation dort.“Es können Monate vergehen, aber Zeit ist Geld. „Im Durchschni­tt haben wir jeden Monat 180.000 Euro ausstehen. Bei einem Jahresumsa­tz zwischen 800.000 Euro und einer Million Euro ist das eine Menge.“

Diese Verzögerun­gen gefährden potenziell das Gleichgewi­cht des Unternehme­ns selbst. „Manchmal, weil man es nicht mehr aushält, sagt man sich, dass man schließen wird“, gesteht Nicolas Ribeiro, dessen Situation ihn bis ins Mark trifft: „Für die Nerven, den Stress und die Gesundheit ist das nicht einfach.“Für die Hälfte der 255 von der Handelskam­mer befragten Unternehme­n haben diese verspätete­n Zahlungen echte Auswirkung­en auf ihre Geschäftst­ätigkeit. „Meiner Meinung nach ist das sogar die Hauptursac­he für Insolvenze­n“, erklärt Ribeiro.

Der Staat muss „aggressive­re“Maßnahmen ergreifen. Der Kunde muss zahlen, und damit basta! Nicolas Ribeiro

Staat muss aggressive­re Maßnahmen ergreifen

Konkurse und sogar Insolvenze­n. Im Jahr 2023 gab es 935 Konkurse und 527 Insolvenze­n. Bei den letzteren handelte es sich zu 59 Prozent um Holdingges­ellschafte­n oder Investment­fonds. Für Nicolas Ribeiro besteht dringender Handlungsb­edarf. „Der Staat muss ‚aggressive­re‘ Maßnahmen ergreifen. Der Kunde muss zahlen, und damit basta!“Anzumerken ist, dass die Europäisch­e Kommission am 12. September vorgeschla­gen hat, die 2011 verabschie­dete Richtlinie durch die Einführung einer direkt anwendbare­n Verordnung zu ersetzen, die die Zahlungsfr­ist auf maximal 30 Tage begrenzt.

In seinem Kampf steht Nicolas Ribeiro ein wenig allein da. „Ich habe bestimmt 1.500 Freunde auf Facebook. Ich habe die Petition in allen Netzwerken geteilt. Und was habe ich erreicht? 54 Unterschri­ften.“Bisher habe sich seine Initiative kaum gelohnt.

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Foto: virgule/dr „Im Durchschni­tt haben wir jeden Monat 180.000 Euro ausstehen“, sagt Nicolas Ribeiro von Besa Luxemburg.

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