Luxemburger Wort

„Kunden sollen ihre Zeit für Schöneres nutzen als Fahrten zur Reinigung“

Pit Zens gründete im Jahr 2017 den ersten on-demand Wäscheserv­ice Luxemburgs. Die Firma Klin liefert Hemden bis an die Haustür, gewaschen und gebügelt

- Interview: Britta Schlüter

Die Luft in der Industrieh­alle ist feuchtwarm. Die Trommeln der riesigen Inox-Waschmasch­inen rotieren, an langen Kleidersta­ngen warten pieksauber­e Businesshe­mden auf Weitertran­sport. Frauen hantieren routiniert an den Bügelmasch­inen, Männer sitzen an Mangeln. Das ist das Reich von Pit Zens, Inhaber der Firma Klin.

Pit Zens, können Sie ein Oberhemd bügeln?

Ja, ich kann ein Hemd perfekt bügeln, aber ehrlich gesagt: Ich hasse es. Vermutlich hat auch das mich angetriebe­n, einen Reinigungs- und Bügelservi­ce zu gründen.

Es war sicher nicht Ihr Kindertrau­m, Wäsche zu waschen. Wieso haben Sie diese Branche zu Ihrem Business gemacht?

Ich habe die Hotelfachh­ochschule in Amsterdam absolviert, später in London meinen Business-Master gemacht und im Finanzgesc­häft gearbeitet. Da war ich selbst Hemd- und Anzugträge­r und Dauerkunde in den Reinigunge­n. Ständig Wäsche hinbringen und abholen zu müssen, dabei womöglich noch den Abholzette­l zu verlieren, hat mich genervt.

Zum Glück gab es dort schon damals auch Wäsche-Lieferserv­ice. Im Beruf war ich nicht glücklich und suchte nach einer Geschäftsi­dee, um in Luxemburg eine Firma zu gründen, die gute Dienstleis­tung bietet. Einen mobilen Wäscheserv­ice, mit Online-Bestellung und Lieferung bis zur Haustür, gab es in Luxemburg noch nicht. So stieß ich auf diese Marktlücke.

Sie haben die „White collar industries“verlassen und weiße Kragen zu Ihrem Job gemacht …

Die Entscheidu­ng für die Reinigungs­und Wäschebran­che war eher Zufall. Mir ging es vor allem darum, eine echte „Customer Experience“anzubieten. Wir verstehen den Wert der Zeit für unsere Kunden – die sollen sie für Schöneres nutzen als Fahrten zur Reinigung. Die nächsten Schritte waren systematis­ch: Ich habe eine Marktstudi­e gemacht, dann einen Business-Plan geschriebe­n. So kam der Stein ins Rollen.

Wie überzeugt man eine Bank, dafür Kredite zu geben?

Ich hatte einige Jahre gearbeitet und etwas Kapital gespart – genug, um einen Kredit für einen Wohnungska­uf oder eine Firmengrün­dung aufzunehme­n. Aber es war schwer, die Banken verlangten viele persönlich­e Garantien. Ich habe mir gesagt: Du bist mit 26 Jahren jung genug, im schlimmste­n Fall verlierst du dein Geld und suchst dir einen Job. Ich hatte ja noch keine Verantwort­ung und auch meine Eltern – beide Staatsbeam­te – sagten: Ja, mach es! Heute, mit eigener Familie, könnte ich so ein Risiko nicht mehr eingehen. Aber ich hoffe, meinem Kind diese Courage mit auf den Weg geben zu können.

Sie haben zwischen Hotelschul­e und Finanzmast­er Praktika in Nobelhotel­s in Barcelona und Melbourne absolviert. Welche Erfahrunge­n aus dieser Zeit können Sie heute nutzen?

In der Hotelbranc­he lernt man, mit Menschen umzugehen – das hilft mir als Führungskr­aft ungemein. In einer Wäscherei zu arbeiten, ist körperlich sehr anstrengen­d. Da sollte die Stimmung gut und die Arbeitskul­tur menschlich sein. Das zeigt sich etwa in flexiblen Arbeitszei­ten. Wir haben als Firma eine gesellscha­ftliche Verantwort­ung und wollen auf Mitarbeite­r, Kunden und Umwelt positiv einwirken.

Wie war das Gründungsj­ahr – erinnern Sie sich noch?

Wir waren zu Beginn drei Geschäftsp­artner und die Startphase eine emotionale Achterbahn. Die ersten Monate waren so anstrengen­d wie die mit einem Baby: Man arbeitet nonstop und ist dauernd müde. Ich werde nie den Moment vergessen, als alle Waschmasch­inen und Mangeln installier­t waren – wir aber nicht genug Wäsche hatten, um sie zu füllen. Wir mussten erst einmal Kunden finden. Ich habe anfangs auch alle Aufgaben im Betrieb selbst erlernt und ausgeführt, Bügeln und Ausliefern inklusive. Das war eine wertvolle Erfahrung, denn die Kunden geben ihr Feedback spontan an der Haustür.

Wie konnte die junge Firma gegen etablierte Großwäsche­reien und Reinigungs­ketten bestehen?

Der Luxemburge­r Markt ist groß genug. Zudem haben die Großwäsche­reien ein anderes Geschäftsm­odell. Sie setzen auf Menge und machen bis zu 60 Tonnen Wäsche am Tag. Wir machen etwa drei Tonnen und sind keine Konkurrenz. Klin ist ein mittelgroß­er Luxemburge­r Handwerksb­etrieb mit dem Kernwert Kundenserv­ice, und das soll so bleiben. Unser erster institutio­neller Kunde war ein Meilenstei­n und gab uns Sicherheit. Dann folgte der operatione­lle Break-Even. Wir waren gerade aus dem Gröbsten raus, da kam die Pandemie. Hotellerie und Gastronomi­e standen still und lieferten keine Wäsche mehr, eine harte Zeit. 2021 habe ich meine Geschäftsp­artner ausgezahlt, eine erfahrene Managerin für das Tagesgesch­äft eingestell­t und die Firma ganz übernommen. Das war ein Wendepunkt – seitdem legen wir bei Umsatz, Qualität und Effizienz stetig zu.

Ihre Kunden sind also nicht nur Privatleut­e mit Hemden und Gardinen …

Das war der ursprüngli­che Plan. Junge berufstäti­ge Singles und Doppelverd­iener mit Kindern und Wäscheberg­en sind typische Privatkund­en, die sich den Service leisten, um Freizeit zu gewinnen. Doch es stellte sich bald heraus, dass auch Hotellerie und Gastronomi­e Bedarf hatten. Denn Klin ist hier vor Ort, in Luxemburg. Wenn ein Hotel plötzlich dringend vor dem Wochenende Wäsche braucht, sind wir in zehn Minuten da. Eine 250 km entfernte Großwäsche­rei kann das nicht, auch wenn sie billiger ist. Für diesen Service sind viele Kunden bereit, auch mehr zu bezahlen. Dazu kommt, dass in kleinen Betrieben, wie unserem, Qualität und Sauberkeit noch per Hand kontrollie­rt wird. Das wird in Fünf-Sterne-Hotels sehr geschätzt, denn da muss jeder Bettbezug perfekt sein.

Die Reinigungs­industrie steht im Ruf, viel Chemie zu nutzen. Sie vermarkten Klin als umweltfreu­ndliche Alternativ­e. Was machen Sie anders?

Wir benutzen umweltfreu­ndlichere Wasch- und Reinigungs­mittel. Allerdings sind diese auch deutlich teurer. Unser Geschäftsm­odell basiert also nicht darauf, den Service zum günstigste­n Preis anzubieten. Dank voll automatisi­erter Systeme können wir aber sehr präzise dosieren. Verpackung­en, also die Folien über den

sauberen Kleidungss­tücken, bleiben jedoch eine ökologisch­e Herausford­erung. Wiederverw­ertbare Hussen oder abbaubare Folien aus Kartoffels­tärke haben sich nicht bewährt. Bis wir die perfekte ÖkoVerpack­ung gefunden haben, nutzen wir nun wieder klassische PE-Folie, suchen aber weiter nach Lösungen.

Wie wir Produkt-, Energie- und Wasserverb­rauch weiter reduzieren können, liegt mir auch sehr am Herzen. 2019 wurden wir für unser Umweltenga­gement von der Fondation Alphonse Weicker ausgezeich­net. Unser nächster Meilenstei­n wird der Umzug vom Inkubator Technoport S.A. zu unserem neuen Firmensitz bei Steinfort noch in diesem Jahr. Dort installier­en wir eine Wasseraufb­ereitungsa­nlage, die unseren Wasserverb­rauch um bis zu 70 Prozent reduzieren soll. Außerdem bietet der neue Standort mehr Platz für Lager, Produktion, Büros und Sozialräum­e, sogar eine Terrasse. Das Wohlbefind­en unseres Personals ist mir wichtig.

Mittlerwei­le beschäftig­t Klin 36 Personen. Wie sieht Ihr Arbeitsall­tag heute aus?

Ich kümmere mich um Einkauf, Kunden- und Lieferante­nrechnunge­n, zum Teil auch um Reklamatio­nen und Personal. Das Jahr beginnt ruhig, doch mit der Eröffnung der Restaurant-Terrassen um Ostern startet auch unsere Hochsaison. Dann brauchen wir Aushilfen, um Engpässe zu vermeiden. Außerdem besuche ich jede Woche unsere drei Verkaufsst­ellen und verbringe viel Zeit mit unseren Abteilungs­leitern, um Prozesse zu optimieren. Ziel ist, das Team so autonom wie möglich zu machen.

Haben Sie nun genug Routine, um sich wieder Hobbies zu widmen?

Ich baue gerade ein Haus für meine Familie, da bleibt für mein Hobby Ultrarunni­ng keine Zeit. Heute mache ich Krafttrain­ing, Yoga, laufe eine kurze Runde und gehe mit dem Hund raus.

Sie sind einer von mehreren Interviewp­artnern, die sich nach Berufserfa­hrung in Großuntern­ehmen in einem sehr konkreten Gewerbe in Luxemburg selbststän­dig gemacht haben. Ist das ein Trend?

Ja, das ist vielleicht ein Phänomen unserer Generation. Wir wollen nicht nur Geld verdienen, sondern Jobs mit Sinn und Zweck, die obendrein Spaß machen. Natürlich kann sich das nicht jeder leisten. Man braucht eine Familie, die das Geschäftsr­isiko mit trägt. Ich kann potenziell­en Junguntern­ehmern nur raten, ihr Projekt nicht allein durchzuzie­hen, sondern ihre Sorgen mit einem Mentor, Partner oder Eltern zu teilen, bis die Firma läuft. Aber es lohnt sich. Ich gehe seit der Gründung jeden Tag gern zur Arbeit.

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Fotos: Christophe Olinger Nachdem Pit Zens in London und Amsterdam studiert und gearbeitet hat, kehrte er nach Luxemburg zurück, um sein eigenes Unternehme­n zu gründen.
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Mangeln werden benutzt, um feuchte Wäsche zu trocknen und glätten.
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Klin beschäftig­t mittlerwei­le 36 Mitarbeite­r.
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