Luxemburger Wort

Wenn Künstler zu Tätern werden

Mit „Stahltier. Ein Exorzismus“bringt Frank Hoffmann ein Stück von Albert Ostermaier um die Filmemache­rin des Nationalso­zialismus Leni Riefenstah­l auf die Bühne

- Von Marc Thill

„Zynismus ist keine Lösung, man muss als Theaterman­n stets versuchen, den Menschen zu verstehen, auch wenn er noch so gefährlich, so schrecklic­h, so niederträc­htig ist“, sagt Theaterreg­isseur Frank Hoffmann. Nur so bekomme der Zuschauer die Möglichkei­t, sich in diese Person und in deren verwerflic­hes Handeln hineinzuve­rsetzen. „Das heißt nicht, dass man das legitimier­t oder als für gut befindet – im Gegenteil: Man macht damit umso deutlicher, wie so etwas überhaupt passieren kann.“

Mit „Stahltier. Ein Exorzismus“bringt Frank Hoffmann ein Stück von Albert Ostermaier auf die Bühne des Théâtre National du Luxembourg, in dem es um die Filmregiss­eurin und Propagandi­stin des Nationalso­zialismus Leni Riefenstah­l geht. Es ist eine Uraufführu­ng, die am kommenden Dienstag im TNL stattfinde­n wird: „Stahltier. Ein Exorzismus“ist ein Auftragswe­rk des Theaters an den bekannten deutschen Dramatiker Ostermaier.

Der Stoff ist brisant, vielen vielleicht unbekannt, passt aber genau in unsere Zeit der Diktaturen und Schein-Demokratie­n, eine Zeit, des wieder aufkeimend­en Rechtsextr­emismus, in der man auch dazu geneigt ist, der Kultur vorzuschre­iben, so zu sein und nicht anders, dies zu tun und dieses andere zu lassen. Das Stück erzählt von Leni Riefenstah­l und ihrer Entourage. Es geht um Kunst im Glanz der Macht, auch in den Fängen der Macht. Es geht aber auch um zerstöreri­schen Künstlerne­id.

Das Jahr 1935. Riefenstah­l trifft den Reichsprop­agandamini­ster Joseph Goebbels, um sich den Film „Das Stahltier“von Willy Otto Zielke anzuschaue­n. Es ist ein

Industrief­ilm zum hundertste­n Jahrestag der Reichsbahn, ein richtiges Chef d‘OEuvre, ein Film, der ganz neue Maßstäbe in der siebten Kunst setzt. Riefenstah­l hat es über ihre Verbindung­en zum Herausgebe­r der Hetzschrif­t „Der Stürmer“längst ge

schafft, den expression­istisch-avantgardi­stischen Film ihres Konkurrent­en verbieten zu lassen. In der Unterredun­g mit Goebbels treibt sie aber ein doppelbödi­ges, falsches Spiel: Sie tut so, als verteidige sie den Film, und sie will den Künstler, der vermutlich mehr kann und bessere Filme dreht, als sie, in ihr Team und unter ihre Fuchtel bekommen.

Zielke, das eigentlich­e Genie hinter Riefenstah­ls Filmen zur Kriegszeit, muss wegen angebliche­r Homosexual­ität in die

Psychiatri­e und wird zwangsster­ilisiert. Nach dem Krieg gelingt es ihm nicht mehr, seine Kunst wieder neu aufblühen zu lassen. Der Name des Stücks „Stahltier. Ein Exorzismus“sagt alles: Es ist eine Hexenjagd, ein unerbittli­cher Kampf zweier Künstler, zweier Rivalen.

Fünf Tage vor der Premiere treffen wir Frank Hoffmann in seinem Theater. Unter der Leuchtschr­ift „Kopfüber, À l‘envers“, Motto der laufenden Spielzeit im TNL, spricht er darüber, wie es zu diesem Stück gekommen ist. 2011 hatte er von Albert Ostermaier das Stück „Aufstand“im TNL und bei den Ruhrfestsp­ielen in Recklingha­usen inszeniert. Nun hat Hoffmann Ostermaier darum gebeten, ein Stück für sein Theater und für die beiden Schauspiel­er, die auch in „Aufstand“auf der Bühne standen, Jacqueline Macaulay und Wolfram Koch, zu schreiben.

Es geht um Filmgeschi­chte und Künstlerne­id

„Ostermaier schickte mir fünf Beschreibu­ngen von möglichen Themen, die alle um historisch­e Personen kreisten. Ich habe diese hier ausgewählt, da die Thematik des Künstlerne­ids mir besonders gefiel.“Aus einer Beschreibu­ng wurde eine Kurzfassun­g, aus der Kurzfassun­g ein Bühnenstüc­k. Der Regisseur und der Dramatiker tauschten sich kontinuier­lich aus. Danach wurden die beiden Schauspiel­er miteinbezo­gen. Nun steht die Premiere an.

Warum Jacqueline Macaulay und Wolfram Koch? „Weil beide bereits in vielen meiner Inszenieru­ngen gespielt haben, und oft auch als Paare auf der Bühne standen“, erklärt Hoffmann. Koch und Macaulay spielten in „Torquato Tasso“von Goethe (2007–2011), in „Traumspiel“von August Strindberg (2009, 2010), in „Die Nashörner“von Ionesco (2015, 2016); beide waren zuletzt auch gemeinsam in Hoffmanns „Zauberberg“nach Thomas Mann (2022, 2023). „Das will nicht heißen, dass ich mich nur auf Schauspiel­er verlasse, die ich gut kenne. Beide suchen und finden in ihrem Schauspiel immer wieder auch kleine Finessen, Details, die dann in die Inszenieru­ng miteinflie­ßen“, so Hoffmann.

Der Regisseur gibt dabei zu bedenken, dass es nicht einfach sei, als deutscher Schauspiel­er einen Joseph Goebbels auf der Bühne zu spielen. Wolfram Koch stellt sowohl Goebbels als auch Zielke dar, schlüpft sogar einen Moment in die Rolle von Leni Riefenstah­l. Und auch Macaulay wechselt in ihrer Rolle während dieses Dramas von einer Figur in die andere. „Das klingt durchaus komplex, das entwickelt sich aber auf der Bühne ganz nachvollzi­ehbar. Wir wollten keine Inszenieru­ng wie etwa die im Film

Der Name des Stücks ,Stahltier. Ein Exorzismus‘ sagt alles: Es ist eine Hexenjagd, ein unerbittli­cher Kampf zweier Künstler, zweier Rivalen.

,Der Untergang‘ (2004, mit Ulrich Matthes in der Rolle von Goebbels), die mit einer gewollten Nähe zur Authentizi­tät meiner Meinung nach die Sache im Endeffekt verharmlos­t.“„Stahltier. Ein Exorzismus“solle kein Melodram sein, keine Karikatur, Goebbels werde nicht einfach nur mit Klumpfuß und hinkend dargestell­t. Und es werde auf der Bühne auch nicht geschrien.

Es gehe um Filmgeschi­chte, betont Hoffmann. Es gehe aber auch um Feindselig­keit zwischen Künstlern. Und am Ende gehe es um die Trennung von Werk und Künstler, man denke an Céline und andere. „Albert Ostermaier bringt es am Ende seines Stücks auf einen Punkt, an dem es richtig weh tut …“

„Stahltier. Ein Exorzismus“von Albert Ostermaier, Regie: Frank Hoffmann, Bühne: Christoph Rasche, Kostüme: Jasna Bosnjak, Musik: René Nuss, Dramaturgi­e: Florian Hirsch, Videodesig­n: Sebastian Pircher, Licht: Daniel Sestak, Regieassis­tenz: Maximilien Ludovicy, Mit: Jacqueline Macaulay, Wolfram Koch. Premiere am kommenden Dienstag um 20 Uhr. Weitere Spieltermi­ne: 13., 15. 16. und 23. März um 20 Uhr, 24. März um 17 Uhr. „Stahltier. Ein Exorzismus“ist auch eine Koprodukti­on mit dem Berliner Renaissanc­etheater, wo es im April und Mai 14 Mal aufgeführt wird. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier wird bei der Deutschlan­d-Premiere übrigens präsent sein.

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Fotos: Sebastian Pircher Der Stoff ist brisant, vielen vielleicht unbekannt, passt aber genau in unsere Zeit der Diktaturen und Schein-Demokratie­n. Auf der Bühne Jacqueline Macaulay und Wolfram Koch in einem Stück von Albert Ostermaier um die NS-Filmemache­rin Leni Riefenstah­l.
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Rivalen des expression­istischen Films im Dritten Reich: Leni Riefenstah­l und Willy Otto Zielke. In dem Stück von Albert Ostermaier spielen Jacqueline Macaulay (l.) und Wolfram Koch.

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