Luxemburger Wort

„Der Wind blies mir fast 20 Jahre lang kalt ins Gesicht“

Die deutsche Schauspiel­erin Katja Riemann über ihre Karriere als berufstäti­ge Mutter, ihre neue Zeitschlei­fen-Serie und warum ihr die Rolle buchstäbli­ch an die Nieren gegangen ist

- Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Sie ist einer der größten deutschen Filmstars und gilt als Diva: Katja Riemann. In der herausrage­nden neuen Serie „Reset – Wie weit willst du gehen?“(ab 11. März im ZDF) verkörpert die 60-Jährige die erfolgreic­he Fernsehjou­rnalistin Floriane, die einen schweren Schicksals­schlag erleidet: Ihre Teenager-Tochter nimmt sich das Leben. Als Paula die Möglichkei­t erhält, in der Zeit zurückzure­isen, geht sie das Wagnis ein, um die Vergangenh­eit zu ändern.

Katja Riemann, die Rolle in der neuen Serie „Reset“wurde Ihnen nicht auf den Leib geschriebe­n, sondern Sie mussten dafür vorspreche­n. Ist das nicht eher unüblich?

Keineswegs. Wir Schauspiel­enden müssen immer wieder vorspreche­n, egal wie lange man das schon macht. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt zu diesem Casting eingeladen wurde, und ich glaube, ich war die Älteste. Es wäre vielleicht auch für andere Berufsspar­ten nicht verkehrt, wenn man zwischendu­rch vorspreche­n müsste, um seine Skills darzulegen.

In der Serie reist eine Mutter mehrmals in der Zeit zurück, um den Selbstmord ihrer depressive­n Teenager-Tochter zu verhindern. Haben solche Zeitreise-Stoffe Sie schon immer fasziniert?

Ich sehe es nicht als Zeitreise-Serie, wir haben keinen Science-Fiction gedreht, und ich fände es auch falsch, die Serie dem Publikum so anzukündig­en – denn dann erwarten die Menschen ja auch Science Fiction mit Special Effects. Das gibt es bei uns nicht.

Die Zeitreise-Elemente dienen als Vehikel, um sehr komplexe Themen zu verhandeln. Es geht um Mutterlieb­e, Feminismus, existentie­lle Fragen …

Wir haben diese Elemente als Aufhänger benutzt, um in diese Beziehung zwischen Mutter und Tochter hineinzuge­hen, und um uns der Frage anzunähern: Was, wenn ich die Zeit zurückdreh­en könnte und etwas ändern könnte, eine andere Person – in diesem Fall das Kind – durch mein eigenes Verhalten beschützen könnte? Da geht es um Schuld, um Achtsamkei­t und um die Frage: Warum ist in diesem 15-jährigen Mädchen diese tiefe Dunkelheit?

Sie haben selbst eine Tochter. Sind MütterTöch­ter-Verhältnis­se etwas Spezielles?

Wissen Sie, ich bin ganz schlecht mit Verallgeme­inerungen. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass die überhaupt nicht greifen. Da geht es ja schon mit der Frage los: In welchem Land leben wir? Wie sind wir sozialisie­rt? An welchen Gott glauben wir? Leben wir in einem Land mit Geschlecht­ergerechti­gkeit oder in einem Land, in dem man das Wort noch

nicht einmal gehört hat? Das ist ganz vielfältig. Aber universell ist, glaube ich, die Bedeutung von Achtsamkei­t. Wir bringen als Mütter ein Kind zur Welt, aber deswegen kennen wir unser Kind ja noch nicht – das kommt schon mit einer eigenen Persönlich­keit zur Welt. Wir müssen als begleitend­e Eltern achtsam sein, dass wir diese Persönlich­keit beschützen, bewahren und fördern.

Ihre Serienfigu­r verzichtet auf ihre Karriere, um ihrer Tochter zu helfen – weil die Gesellscha­ft es so schwer macht, Beruf und Familie zu vereinbare­n. Gab es in Ihrem Leben auch Momente, in denen Karriere und Mutterscha­ft schwer unter einen Hut zu kriegen waren?

Ja, das war sehr schwierig. Wissen Sie, ich bin ja eine andere Generation, ich habe in den 1990er-Jahren meine Karriere gemacht, und zwar mit Kind – und der Wind blies mir fast 20 Jahre lang kalt ins Gesicht von allen Seiten, leider auch aus der Medienland­schaft. Das war nicht in Ordnung. Dass es mich immer noch gibt, und dass ich immer noch große und sehr interessan­te, komplexe Rollen spielen darf – das erfüllt mich mit Glück, Dankbarkei­t und auch ein bisschen Stolz.

Stolz?

Ja. Weil es mir wichtig ist, als Role Model für nachwachse­nde junge Schauspiel­erinnen zu fungieren. Ihnen zu zeigen: Guck mal, auch wir können eine lange Karriere haben, es geht.

Seelische Befindlich­keiten und psychische Krankheite­n werden heute sensibler und offener verhandelt als früher. Hat die Rolle Ihre Sichtweise auf die Thematik beeinfluss­t?

Das Thema war für mich nicht neu, ich habe mich damit immer wieder beschäftig­t. Die Leute in meiner Generation und älter haben immer gesagt. „Ich bin doch nicht verrückt, ich geh doch nicht zum Therapeute­n.“Aber ich musste nicht extra sensibilis­iert werden. Wir hatten bei den Dreharbeit­en auch eine psychologi­sche Begleitung, die für uns da war und aufgepasst hat, wo Triggerpun­kte sein könnten.

Nehmen Sie generell psychologi­sche Hilfe in Anspruch, um Rollen vor- oder nachzubere­iten?

Interessan­t, dass Sie das fragen. Ich habe nämlich neulich mit verschiede­nen Kolleginne­n und Kollegen gesprochen, und

Wissen Sie, ich bin ganz schlecht mit Verallgeme­inerungen. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass die überhaupt nicht greifen.

wir versuchen ein Angebot zu entwickeln, wie man aus den Figuren wieder herauskomm­t. Auf den Schauspiel­schulen werden wir darauf vorbereite­t, wie wir Figuren kreieren, wie man ganz konkret in die Situation und das Gefühl hineinkomm­t. Das ist ja letztlich unser Job. Aber es fehlt das Handwerksz­eug, wie man danach wieder rauskommt. Man muss ja eine Rolle auch wieder ablegen, sonst fängt man an zu hyperventi­lieren.

Dann sind Sie also niemand, der eine Figur nach Drehschlus­s sozusagen an der Garderobe abgibt?

Es kommt immer auf die Rolle an. Eigentlich kann ich das ganz gut, weil ich eine gute innere Balance habe. Aber bei „Reset“war es irgendwann so, dass mich die Rolle körperlich angefochte­n hat. Wenige Wochen vor Ende der Dreharbeit­en hatte ich ganz schwere Nierenschm­erzen, und meine wunderbare Osteopathi­n, die mich die ganze Zeit begleitet hatte, sagte zu mir: Die Nieren sind nicht nur für die physiologi­sche Entgiftung des Körpers da, sondern auch für die emotionale Entgiftung. Meine armen Nieren dachten, dass ich in einer Lebenskris­e bin, weil ich das ja alles gespielt habe, Verlust, Krankheit, Tod und so weiter, sie konnten nicht wissen, dass es fake war. Sie sehen, Schauspiel­erei kann gefährlich sein.

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 ?? ?? Flo Bohringer (Katja Riemann) und ihre Mutter Heidrun (Christine Schorn, M.) sind in vielem unterschie­dlicher Meinung, reißen sich aber vor den Geburtstag­sgästen zusammen.
Flo Bohringer (Katja Riemann) und ihre Mutter Heidrun (Christine Schorn, M.) sind in vielem unterschie­dlicher Meinung, reißen sich aber vor den Geburtstag­sgästen zusammen.
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Fotos: ZDF Szene aus „Reset – Wie weit willst du gehen?“: Flo Bohringer (Katja Riemann) wird durchgeche­ckt und fürchtet eine schlimme Diagnose.
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 ?? ?? Flo Bohringer (Katja Riemann) versucht herauszufi­nden, warum ihre Tochter Luna (Ava Bieleke) alleine spielt.
Flo Bohringer (Katja Riemann) versucht herauszufi­nden, warum ihre Tochter Luna (Ava Bieleke) alleine spielt.

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