Luxemburger Wort

Portugal wählt rechts, doch die Regierungs­bildung ist ungewiss

Die Bürgerlich­en haben die Sozialiste­n knapp hinter sich gelassen. Zum Regieren bräuchten sie die Unterstütz­ung der Rechtspopu­listen – die wollen sie aber nicht

- Von Martin Dahms

Die Verlierer stehen fest, die Gewinner eher nicht. Nach gut acht Jahren an der Regierung sind die portugiesi­schen Sozialiste­n (PS) nach den Parlaments­wahlen an diesem Sonntag die geschlagen­en Zweiten. Mit 28,7 Prozent der Stimmen werden sie jetzt noch 77 Abgeordnet­e stellen, 42 weniger als nach den vorigen Wahlen vor gut zwei Jahren. Ganz knapp vor ihnen liegt das bürgerlich-konservati­ve Bündnis Aliança Democrátic­a (AD) mit 29,5 Prozent der Stimmen und 79 Abgeordnet­en. Die AD darf sich als Siegerin fühlen. Aber ob sie mit diesem Sieg auch etwas anfangen kann, steht noch nicht fest.

Wenn es nach dem Chef der ChegaParte­i André Ventura ginge, wäre alles ganz klar: „Nur ein sehr unverantwo­rtlicher Parteiführ­er wird die PS regieren lassen, wenn wir in unseren Händen die Möglichkei­t zum Wechsel halten.“Das war ein klares Angebot an den AD-Spitzenkan­didaten Luís Montenegro zur Zusammenar­beit. Aber Montenegro will nicht. Das hat er vor den Wahlen gesagt, und nach den Wahlen hat er es wiederholt: „Ich werde mein Wort halten.“Chega (zu deutsch: Genug) ist eine rechtspopu­listische Partei, und die kommt nach Montenegro­s Überzeugun­g für eine Koalition oder jede andere Form eines Bündnisses nicht infrage.

Chega hat mit 18 Prozent der Stimmen ein ziemlich sensatione­lles Ergebnis eingefahre­n. Die gerade fünf Jahre alte Partei gehört jetzt zu den Großen in Portugal. „Wir sind keine Ausnahme unter unseren europäisch­en Partnern“, schreibt resigniert die „Público“-Kolumnisti­n Teresa de Sousa. Auch in Portugal sind die ganz Rechten jetzt ganz stark. Vor allem unter den jungen Wählern sind sie beliebt und unter jenen, die sich auf die eine oder andere Weise vom Rest des Landes vergessen fühlen. Wie viel rechte Grundüberz­eugung hinter ihrer Wahlentsch­eidung steht, ist nicht so sicher. Chega will „aufräumen“, und das klingt manchen vielverspr­echend.

Für europäisch­e Verhältnis­se ein armes Land

Portugal ist für europäisch­e Verhältnis­se ein armes Land, was im Rest Europas gelegentli­ch vergessen wird. Vor allem kommt es seit Jahrzehnte­n wirtschaft­lich nicht von der Stelle, während die osteuropäi­schen Länder eines nach dem anderen an Portugal vorbeizieh­en. Die (relative) Armut ist nicht nur eine statistisc­he Größe. Der bisherige, ziemlich beliebte Ministerpr­äsident António Costa, ein Sozialist, hatte bei seinem Regierungs­antritt vor acht Jahren versproche­n, „das Blatt der Austerität zu wenden“.

Aber auch er wollte und konnte nicht mehr ausgeben, als die Steuereinn­ahmen hergaben (wofür ihn Wolfgang Schäuble einst sehr lobte). Das bekommen die Portugiese­n zu spüren. „Unsere öffentlich­en Dienste sind ein Desaster“, sagt die Volkswirti­n Susana Peralta in einer „Politico“-Reportage, „die Menschen müssen im Morgengrau­en aufstehen und stundenlan­g anstehen, um einen Termin in ihrem örtlichen Gesundheit­szentrum zu bekommen.“

Wer sich so durch den Alltag beißt, ist umso verstörter, wenn er von den

Ich werde mein Wort halten. Luís Montenegro, Chef der konservati­ven Aliança Democrátic­a (AD)

75.800 Euro hört, die Vítor Escária, António Costas Kabinettsc­hef, bar zwischen Büchern und Weinflasch­en in seinem Büro liegen hatte, als es vor einigen Monaten von der Polizei durchsucht wurde. Costa selbst trat im November wegen eines Korruption­sverdachts (der sich noch nicht erhärtet hat) zurück, worauf der Republikpr­äsident beschloss, Neuwahlen anzusetzen. Das wäre nicht nötig gewesen. Gestärkt haben die Wahlen die Aufräumer von Chega, was die Regierbark­eit des Landes schwächt. Die traditione­llen Parteien haben harte Arbeit vor sich, um die Portugiese­n davon zu überzeugen, dass Portugal kein Chega braucht.

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Foto: AFP Luís Montenegro ist mit seinem bürgerlich-konservati­ven Bündnis stärkste Kraft in Portugal geworden.

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