Es kommt doch nicht „alles auf den Tisch“
Das EU-Parlament meldet sich bei Fokus und Monica Semedo und erinnert an die Vetraulichkeitsregeln der Volksvertretung
„Wir legen alles in den nächsten Wochen auf den Tisch“, hatte Frank Engel erst kürzlich versprochen. Mit einer Kommunikationsoffensive wollte der Fokus-Parteisprecher das Image seiner Kandidatin und derzeitigen EU-Parlamentarierin Monica Semedo, die zweimal vom EU-Parlament wegen Mobbing am Arbeitsplatz sanktioniert wurde, noch vor den EU-Wahlen aufpolieren.
Konkret sollte dies wohl durch die – teils geschwärzte – Veröffentlichung von Akten aus den internen Untersuchungen des EU-Parlaments geschehen. Untersuchungen, die begonnen hatten, nachdem Mitarbeiter von Monica Semedo ihr Fehlverhalten bei den zuständigen Organen der Volksvertretung gemeldet hatten und die Vorwürfe dort als ausreichend glaubwürdig eingestuft wurden. Die Untersuchungen – während denen Semedo das Recht hatte, auf die Vorwürfe zu reagieren – führten auch zweimal zu internen Sanktionen. Die Sachlage scheint klar zu sein, meinen EU-Insider.
Während eines Radio-Interviews hatte Frank Engel vergangene Woche dann behauptet, Zugang zu beiden Untersuchungen zu haben. Er habe sich „die Fakten angeschaut“und „es liege nichts vor“. Alles im Arbeitsverhältnis zwischen der EU-Abgeordneten Monica Semedo und ihren Assistenten sei „völlig normal“gewesen. Im selben Interview hatte Semedo das Parlament zudem beschuldigt, Informationen aus diesen vertraulichen Akten „an die Presse zu leaken“.
Semedos Vorwürfe bezogen sich auf Artikel des „Luxemburger Wort“und von „Radio 100,7“. Darin hatten ehemalige Mitarbeiter – anonym – über das Arbeitsklima unter Monica Semedo berichtet. „Unmögliche und oft wechselnde Arbeitsanforderungen, oft erschwert durch das mangelnde Verständnis von Frau Semedo für politische Zusammenhänge und Verfahren, haben die Zusammenarbeit zwischen ihr und den damaligen Angestellten schwer belastet“, berichteten ehemalige Assistenten. Die ExMitarbeiter sagten überdies aus, dass Semedo versucht habe, „das Privatleben der
Mitarbeiter zu stören“. Diese Informationen wurden dem „Luxemburger Wort“nicht vom EU-Parlament zugespielt, sondern journalistisch recherchiert – weil es im öffentlichen Interesse liegt, über mutmaßliches Fehlverhalten von Volksvertretern aufzuklären.
Semedo ging auch nicht vertraulich mit dem Verfahren um
Semedo will in den Recherchen einen Bruch der Vertraulichkeit erkennen. Die EU-Abgeordnete verschweigt allerdings, dass sie sich selbst bereits mehrfach zu den Vorwürfen öffentlich geäußert hat – auch als die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen waren. Als RTL im März 2022 berichtet hatte, dass eine zweite Untersuchung gegen Semedo laufen würde, hatte die Abgeordnete den Fall ausgiebig kommentiert, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.
Nun hat sich das EU-Parlament zu Wort gemeldet. Während einer Pressekonferenz am Montag präsentierte die Fokus-Parteileitung eine Mail, die Kristian Knudsen, Generaldirektor der Personalabteilung des EU-Parlaments, der Partei hat zukommen lassen. Darin erinnert Knudsen Monica Semedo daran, dass die Informationen zu den Prozeduren und
Untersuchungen zu beiden Mobbing-Fällen vertraulich seien. Deswegen rät er eindringlich davon ab, direkt oder indirekt darüber zu kommunizieren. „Ein mit einer Sanktion belegter Europaabgeordneter hat die Möglichkeit, gegen die Entscheidung intern im EU-Parlament und vor den Gerichten der Union Berufung einzulegen“, erläutert indes der Pressedienst des EU-Parlaments dem „Luxemburger Wort“. Semedo hat das EU-Parlament bereits beim EuGH verklagt – ein Urteil ist allerdings noch nicht gesprochen.
„Es ist jedoch unbedingt darauf hinzuweisen, dass alle Dokumente oder Informationen im Zusammenhang mit den internen Verfahren des Europäischen Parlaments streng vertraulich sind“, so das EU-Parlament weiter, „da es sich dabei um sensible personenbezogene Daten handelt.“„Jede Offenlegung stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Einrichtung und der betroffenen Personen dar, die Sanktionen nach sich ziehen kann. Ohne diesen Schutz würde es kein mutmaßliches Belästigungsopfer wagen, Anzeige zu erstatten.“
Frank Engels Kommunikationsoffensive fällt dadurch ins Wasser. Denn der Fokus-Parteisprecher kündigte an, sich an die Anweisungen des EU-Parlaments halten zu wollen. Relevanter sind dagegen die Vorwürfe, die Fokus gegen die DP – Semedos ehemalige Partei – am Montagmorgen erhoben hat. Das DP-Präsidium hat nach der Bekanntgabe der ersten Sanktionen gegen Semedo Anfang 2021 (damals war sie noch DP-Mitglied) stets behauptet, nichts von den Vorfällen zu wissen. Fokus behauptet nun, dass die DP sehr früh über die Geschehnisse in Brüssel und Straßburg Bescheid wusste.
Vom „Wort“kontaktiert, ist Corinne Cahen formell: „Ich habe mit Monica Semedo in der Sache das erste Mal um die Weihnachtsferien gesprochen.“Sie habe ihr geglaubt, „ich war ja nicht dabei“. Sie habe versucht, Semedo „kollegial zur Seite zu stehen“und damals auch Rücksprache mit Xavier Bettel gehalten. Ob Semedo zuvor mit anderen DP-Mitgliedern über die gegen sie erhobenen Vorwürfe gesprochen habe, wisse sie nicht.