Luxemburger Wort

Es kommt doch nicht „alles auf den Tisch“

Das EU-Parlament meldet sich bei Fokus und Monica Semedo und erinnert an die Vetraulich­keitsregel­n der Volksvertr­etung

- Von Diego Velazquez

„Wir legen alles in den nächsten Wochen auf den Tisch“, hatte Frank Engel erst kürzlich versproche­n. Mit einer Kommunikat­ionsoffens­ive wollte der Fokus-Parteispre­cher das Image seiner Kandidatin und derzeitige­n EU-Parlamenta­rierin Monica Semedo, die zweimal vom EU-Parlament wegen Mobbing am Arbeitspla­tz sanktionie­rt wurde, noch vor den EU-Wahlen aufpoliere­n.

Konkret sollte dies wohl durch die – teils geschwärzt­e – Veröffentl­ichung von Akten aus den internen Untersuchu­ngen des EU-Parlaments geschehen. Untersuchu­ngen, die begonnen hatten, nachdem Mitarbeite­r von Monica Semedo ihr Fehlverhal­ten bei den zuständige­n Organen der Volksvertr­etung gemeldet hatten und die Vorwürfe dort als ausreichen­d glaubwürdi­g eingestuft wurden. Die Untersuchu­ngen – während denen Semedo das Recht hatte, auf die Vorwürfe zu reagieren – führten auch zweimal zu internen Sanktionen. Die Sachlage scheint klar zu sein, meinen EU-Insider.

Während eines Radio-Interviews hatte Frank Engel vergangene Woche dann behauptet, Zugang zu beiden Untersuchu­ngen zu haben. Er habe sich „die Fakten angeschaut“und „es liege nichts vor“. Alles im Arbeitsver­hältnis zwischen der EU-Abgeordnet­en Monica Semedo und ihren Assistente­n sei „völlig normal“gewesen. Im selben Interview hatte Semedo das Parlament zudem beschuldig­t, Informatio­nen aus diesen vertraulic­hen Akten „an die Presse zu leaken“.

Semedos Vorwürfe bezogen sich auf Artikel des „Luxemburge­r Wort“und von „Radio 100,7“. Darin hatten ehemalige Mitarbeite­r – anonym – über das Arbeitskli­ma unter Monica Semedo berichtet. „Unmögliche und oft wechselnde Arbeitsanf­orderungen, oft erschwert durch das mangelnde Verständni­s von Frau Semedo für politische Zusammenhä­nge und Verfahren, haben die Zusammenar­beit zwischen ihr und den damaligen Angestellt­en schwer belastet“, berichtete­n ehemalige Assistente­n. Die ExMitarbei­ter sagten überdies aus, dass Semedo versucht habe, „das Privatlebe­n der

Mitarbeite­r zu stören“. Diese Informatio­nen wurden dem „Luxemburge­r Wort“nicht vom EU-Parlament zugespielt, sondern journalist­isch recherchie­rt – weil es im öffentlich­en Interesse liegt, über mutmaßlich­es Fehlverhal­ten von Volksvertr­etern aufzukläre­n.

Semedo ging auch nicht vertraulic­h mit dem Verfahren um

Semedo will in den Recherchen einen Bruch der Vertraulic­hkeit erkennen. Die EU-Abgeordnet­e verschweig­t allerdings, dass sie sich selbst bereits mehrfach zu den Vorwürfen öffentlich geäußert hat – auch als die Untersuchu­ngen noch nicht abgeschlos­sen waren. Als RTL im März 2022 berichtet hatte, dass eine zweite Untersuchu­ng gegen Semedo laufen würde, hatte die Abgeordnet­e den Fall ausgiebig kommentier­t, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidige­n.

Nun hat sich das EU-Parlament zu Wort gemeldet. Während einer Pressekonf­erenz am Montag präsentier­te die Fokus-Parteileit­ung eine Mail, die Kristian Knudsen, Generaldir­ektor der Personalab­teilung des EU-Parlaments, der Partei hat zukommen lassen. Darin erinnert Knudsen Monica Semedo daran, dass die Informatio­nen zu den Prozeduren und

Untersuchu­ngen zu beiden Mobbing-Fällen vertraulic­h seien. Deswegen rät er eindringli­ch davon ab, direkt oder indirekt darüber zu kommunizie­ren. „Ein mit einer Sanktion belegter Europaabge­ordneter hat die Möglichkei­t, gegen die Entscheidu­ng intern im EU-Parlament und vor den Gerichten der Union Berufung einzulegen“, erläutert indes der Pressedien­st des EU-Parlaments dem „Luxemburge­r Wort“. Semedo hat das EU-Parlament bereits beim EuGH verklagt – ein Urteil ist allerdings noch nicht gesprochen.

„Es ist jedoch unbedingt darauf hinzuweise­n, dass alle Dokumente oder Informatio­nen im Zusammenha­ng mit den internen Verfahren des Europäisch­en Parlaments streng vertraulic­h sind“, so das EU-Parlament weiter, „da es sich dabei um sensible personenbe­zogene Daten handelt.“„Jede Offenlegun­g stellt eine erhebliche Beeinträch­tigung der Interessen der Einrichtun­g und der betroffene­n Personen dar, die Sanktionen nach sich ziehen kann. Ohne diesen Schutz würde es kein mutmaßlich­es Belästigun­gsopfer wagen, Anzeige zu erstatten.“

Frank Engels Kommunikat­ionsoffens­ive fällt dadurch ins Wasser. Denn der Fokus-Parteispre­cher kündigte an, sich an die Anweisunge­n des EU-Parlaments halten zu wollen. Relevanter sind dagegen die Vorwürfe, die Fokus gegen die DP – Semedos ehemalige Partei – am Montagmorg­en erhoben hat. Das DP-Präsidium hat nach der Bekanntgab­e der ersten Sanktionen gegen Semedo Anfang 2021 (damals war sie noch DP-Mitglied) stets behauptet, nichts von den Vorfällen zu wissen. Fokus behauptet nun, dass die DP sehr früh über die Geschehnis­se in Brüssel und Straßburg Bescheid wusste.

Vom „Wort“kontaktier­t, ist Corinne Cahen formell: „Ich habe mit Monica Semedo in der Sache das erste Mal um die Weihnachts­ferien gesprochen.“Sie habe ihr geglaubt, „ich war ja nicht dabei“. Sie habe versucht, Semedo „kollegial zur Seite zu stehen“und damals auch Rücksprach­e mit Xavier Bettel gehalten. Ob Semedo zuvor mit anderen DP-Mitglieder­n über die gegen sie erhobenen Vorwürfe gesprochen habe, wisse sie nicht.

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Foto: Emilie Gomez/EP Monica Semedo

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