Luxemburger Wort

Max Asselborn, das hohe C und die Kraft eines Orchesters

Der Luxemburge­r Trompeter kehrt mit dem Schwedisch­en Radio-Symphonieo­rchester in seine Heimat zurück. Aber ist das eigentlich noch „Heimat“?

- Interview: Daniel Conrad

So ein Posten ist nicht leicht zu bekommen. Seit einigen Jahren hat der Luxemburge­r Trompeter Max Asselborn einen festen Platz in den Reihen des Schwedisch­en Radio-Symphonieo­rchesters. Da reicht eben nicht nur Talent, sondern es braucht ein dauerhafte­s Dazulernen als Berufsmusi­ker. Was er in Stockholm wirklich an Luxemburg vermisst, verrät er im Interview. Aber auch, was ihn am Programm des Orchesters am 13. März in der Philharmon­ie begeistert.

Max Asselborn, Luxemburg ist am 13. März Tourstatio­n. Ist das noch ein „Nachhausek­ommen“?

Ich war schnell „weg” aus Luxemburg, weil ich von den besten Lehrern lernen wollte – und das war dann halt im Ausland. Ich bin trotzdem unendlich dankbar für das, was ich in Luxemburg aufbauen konnte und durfte; und ich hätte sicher nicht diesen Weg ohne ein so solides Fundament gehen können, das ich im Escher Konservato­rium von meinem Lehrer Guy Conter bekommen habe. Natürlich vermisse ich in Stockholm besonders die Menschen, meine Familie und meine Freunde. Wo ich mich aber zu Hause fühle? Nirgends und überall. Das ist ein sehr komisches, irgendwie irrwitzige­s und auch spannendes Gefühl für mich. Ich sehe das nicht als etwas Negatives, sondern eher Positives. Sonst könnte ich den Job eines tourenden Musikers wahrschein­lich gar nicht oder nicht so gut machen. Ich bin mir aber sicher, dass es sich schon nach „zu Hause” anfühlt, wenn ich in der Philharmon­ie mit meinem Orchester das erste C auf meiner Trompete beim Anfang von „Also sprach Zarathustr­a“spiele.

Wie waren die ersten Jahre im Schwedisch­en Radio-Symphonieo­rchester SRSO? Und geht es Ihnen gut auf der Tour?

Es ist schon nicht so einfach, gerade mit den Streiks in Deutschlan­d wird der Plan ganz schön ins Trudeln gebracht. Das bedeutet dann zum Teil weniger Ruhe und mehr Stress für das ganze Ensemble. Erholungsm­omente fallen weg. Das muss man dann akzeptiere­n. Nach den ersten TourKonzer­ten merkt man eben auch eine gewisse Erschöpfun­g generell und man muss sich als Musiker die Powernaps sehr genau einteilen.

Aber ist das gemeinsame Leid nicht auch für das Orchesterl­eben entscheide­nd? Und reißt die Musiker aus einem oft trockenen Probenallt­ag?

So eine Tour stärkt das soziale Verhältnis im Orchester immer. Es gibt mehr Gelegenhei­ten, mit Kolleginne­n und Kollegen zu sprechen, mit denen man sonst seltener zusammenko­mmt. Als Trompeter sitze ich eben oft ganz hinten im Orchester. Und neulich saß ich per Zufall im Bus neben einer Bratschist­in, mit der ich noch nie ein Gespräch führen konnte. Dann bekommt man wieder eine neue Sicht auf das Orchester, seine Stimmgrupp­en und die Menschen dahinter. Wie deren Übealltag aussieht, wie sie sich im Musikerdas­ein und mit ihrem Privatlebe­n organisier­en zum Beispiel. Und solche Zusammenkü­nfte sind sehr wichtig. Davon ab, sind diese dicht gebündelte­n Konzerte auch sehr fokussiert­e, intensive Musikmomen­te – was sich vom Alltag bei den Proben schon auch unterschei­det. Und auch wenn wir ähnliche Programme spielen, ist doch bei jeder Station wieder jeder Raum anders, das Orchester leicht anders auf der Bühne angeordnet. Das verlangt eine Anpassung an die Akustik und auch an Kommunikat­ion untereinan­der. Das können selbst ganz kleine Sachen sein, die einen dann sehr, sehr wach machen.

Diese Intensität wirkt sich doch sicher auch ganz individuel­l aus? Hat sich Ihr Spiel mit den ersten Jahren im Orchester verändert?

Ganz sicher; mental, spielerisc­h und musikalisc­h bin ich stärker geworden. Die Erfahrung kommt rein, man lernt Sachen an sich neu kennen. Beim Basketball wäre das so, als wenn ein neuer Spieler die schnellen Spielzüge und eingeübten Pässe gestandene­r Spieler erst einmal verstehen und sich einpassen muss. Jetzt kann ich inzwischen mehr auf das achten, was sonst im Orchester geschieht. Die Spielzüge verlangsam­en sich gedanklich. Und gleichzeit­ig haben sich die Fragen verändert: Was brauche ich, um gut zu funktionie­ren – gerade körperlich? Wie spiele ich mich am besten ein? Welche Übungen helfen mir wirklich? Da habe ich durchaus auch Lehrgeld bezahlt. Zum Beispiel, wenn ich mich beim Üben so sehr verausgabt hatte, dass Proben und Konzerte nicht gut liefen. Ich hatte zudem auch das Glück, für einige Monate beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin über einen Zeitvertra­g aushelfen und lernen zu können. Auch das war wieder eine besondere Erfahrung in einem anderen Ensemble.

Und das hat Ihr schwedisch­es Hausorches­ter so zugelassen?

Tatsächlic­h war das sogar im Interesse des Orchesters, weil ich dann wieder an

dere Einblicke und Lerneindrü­cke mit nach Schweden nehmen konnte. Und deswegen war es toll, dass mich das SRSO freigestel­lt hat.

Nun ist das ja nicht nur eine Sache wie man sich selbst, sondern auch das Orchester verändert. Mit Daniel Harding steht dem SRSO ja ein prägender Maestro voran, der seine Musikerinn­en und Musiker fordert …

Ich hatte bisher noch kein besseres Konzerterl­ebnis als mit Daniel Harding – das sage ich jetzt nicht nur, weil er mein Chefdirige­nt ist. Das hat etwas von einem Schweizer Uhrwerk. Man lehnt sich bei ihm nicht zurück, sondern sitzt immer auf der Stuhlkante, muss super fokussiert und präsent sein – so wie er es selbst vorlebt. So eine Präsenz wie er hat nun einmal nicht jeder. Kein Konzert ist gleich, sondern immer nur eine Momentaufn­ahme, in denen es Nuancen und Feinheiten gibt. Und es ist spannend, diese Unterschie­de mit der Erfahrung auch besser mitzuerleb­en.

Ich hatte bisher noch kein besseres Konzerterl­ebnis als mit Daniel Harding – das sage ich jetzt nicht nur, weil er mein Chefdirige­nt ist.

Harding und Ihr Orchester bringen nicht nur den jungen Solisten Alexandre Kantorow am Klavier mit nach Luxemburg, sondern auch ein besonderes Programm. Wie würden Sie diesen Bogen beschreibe­n?

Alfvéns Werk zu Beginn ist natürlich so etwas wie unsere Visitenkar­te aus Skandinavi­en. Stockholms Landschaft schimmert auf. Dann Beethovens Klavierkon­zert, das viel von Kantorow verlangt. Dazu ist Beethoven mit Daniel nie so, dass man sich zurücklehn­en könnte. Wir spielen in diesem Fall mit Naturtromp­eten, da hat jeder Ton Bedeutung und braucht Fokus. Das Besondere aber ist das Fragezeich­en, das Strauss aufwirft: „Also sprach Zarathustr­a” endet mit Pizzicati von Kontrabäss­en und Celli. „Wie? Und was jetzt?“, geht da einem durch den Kopf. Und vielleicht ist das ja auch etwas, was symbolisch für das Orchester steht. Es ist ja kein Geheimnis, dass Hardings Vertrag in zwei Jahren ausläuft. So ist dieses Fragezeich­en spannend, aber auch ein wenig Furcht einflößend, wie es wohl weitergehe­n wird.

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Asselborns Hausorches­ter ist ein Aushängesc­hild des skandinavi­schen Landes. Deswegen steht auch das Repertoire der dortigen Komponiste­n oft auf dem Programm.
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Fotos: privat Der perfekte Ansatz braucht Kraftreser­ven: Max Asselborn weiß seine Kräfte inzwischen besser zu dosieren.
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