Max Asselborn, das hohe C und die Kraft eines Orchesters
Der Luxemburger Trompeter kehrt mit dem Schwedischen Radio-Symphonieorchester in seine Heimat zurück. Aber ist das eigentlich noch „Heimat“?
So ein Posten ist nicht leicht zu bekommen. Seit einigen Jahren hat der Luxemburger Trompeter Max Asselborn einen festen Platz in den Reihen des Schwedischen Radio-Symphonieorchesters. Da reicht eben nicht nur Talent, sondern es braucht ein dauerhaftes Dazulernen als Berufsmusiker. Was er in Stockholm wirklich an Luxemburg vermisst, verrät er im Interview. Aber auch, was ihn am Programm des Orchesters am 13. März in der Philharmonie begeistert.
Max Asselborn, Luxemburg ist am 13. März Tourstation. Ist das noch ein „Nachhausekommen“?
Ich war schnell „weg” aus Luxemburg, weil ich von den besten Lehrern lernen wollte – und das war dann halt im Ausland. Ich bin trotzdem unendlich dankbar für das, was ich in Luxemburg aufbauen konnte und durfte; und ich hätte sicher nicht diesen Weg ohne ein so solides Fundament gehen können, das ich im Escher Konservatorium von meinem Lehrer Guy Conter bekommen habe. Natürlich vermisse ich in Stockholm besonders die Menschen, meine Familie und meine Freunde. Wo ich mich aber zu Hause fühle? Nirgends und überall. Das ist ein sehr komisches, irgendwie irrwitziges und auch spannendes Gefühl für mich. Ich sehe das nicht als etwas Negatives, sondern eher Positives. Sonst könnte ich den Job eines tourenden Musikers wahrscheinlich gar nicht oder nicht so gut machen. Ich bin mir aber sicher, dass es sich schon nach „zu Hause” anfühlt, wenn ich in der Philharmonie mit meinem Orchester das erste C auf meiner Trompete beim Anfang von „Also sprach Zarathustra“spiele.
Wie waren die ersten Jahre im Schwedischen Radio-Symphonieorchester SRSO? Und geht es Ihnen gut auf der Tour?
Es ist schon nicht so einfach, gerade mit den Streiks in Deutschland wird der Plan ganz schön ins Trudeln gebracht. Das bedeutet dann zum Teil weniger Ruhe und mehr Stress für das ganze Ensemble. Erholungsmomente fallen weg. Das muss man dann akzeptieren. Nach den ersten TourKonzerten merkt man eben auch eine gewisse Erschöpfung generell und man muss sich als Musiker die Powernaps sehr genau einteilen.
Aber ist das gemeinsame Leid nicht auch für das Orchesterleben entscheidend? Und reißt die Musiker aus einem oft trockenen Probenalltag?
So eine Tour stärkt das soziale Verhältnis im Orchester immer. Es gibt mehr Gelegenheiten, mit Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, mit denen man sonst seltener zusammenkommt. Als Trompeter sitze ich eben oft ganz hinten im Orchester. Und neulich saß ich per Zufall im Bus neben einer Bratschistin, mit der ich noch nie ein Gespräch führen konnte. Dann bekommt man wieder eine neue Sicht auf das Orchester, seine Stimmgruppen und die Menschen dahinter. Wie deren Übealltag aussieht, wie sie sich im Musikerdasein und mit ihrem Privatleben organisieren zum Beispiel. Und solche Zusammenkünfte sind sehr wichtig. Davon ab, sind diese dicht gebündelten Konzerte auch sehr fokussierte, intensive Musikmomente – was sich vom Alltag bei den Proben schon auch unterscheidet. Und auch wenn wir ähnliche Programme spielen, ist doch bei jeder Station wieder jeder Raum anders, das Orchester leicht anders auf der Bühne angeordnet. Das verlangt eine Anpassung an die Akustik und auch an Kommunikation untereinander. Das können selbst ganz kleine Sachen sein, die einen dann sehr, sehr wach machen.
Diese Intensität wirkt sich doch sicher auch ganz individuell aus? Hat sich Ihr Spiel mit den ersten Jahren im Orchester verändert?
Ganz sicher; mental, spielerisch und musikalisch bin ich stärker geworden. Die Erfahrung kommt rein, man lernt Sachen an sich neu kennen. Beim Basketball wäre das so, als wenn ein neuer Spieler die schnellen Spielzüge und eingeübten Pässe gestandener Spieler erst einmal verstehen und sich einpassen muss. Jetzt kann ich inzwischen mehr auf das achten, was sonst im Orchester geschieht. Die Spielzüge verlangsamen sich gedanklich. Und gleichzeitig haben sich die Fragen verändert: Was brauche ich, um gut zu funktionieren – gerade körperlich? Wie spiele ich mich am besten ein? Welche Übungen helfen mir wirklich? Da habe ich durchaus auch Lehrgeld bezahlt. Zum Beispiel, wenn ich mich beim Üben so sehr verausgabt hatte, dass Proben und Konzerte nicht gut liefen. Ich hatte zudem auch das Glück, für einige Monate beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin über einen Zeitvertrag aushelfen und lernen zu können. Auch das war wieder eine besondere Erfahrung in einem anderen Ensemble.
Und das hat Ihr schwedisches Hausorchester so zugelassen?
Tatsächlich war das sogar im Interesse des Orchesters, weil ich dann wieder an
dere Einblicke und Lerneindrücke mit nach Schweden nehmen konnte. Und deswegen war es toll, dass mich das SRSO freigestellt hat.
Nun ist das ja nicht nur eine Sache wie man sich selbst, sondern auch das Orchester verändert. Mit Daniel Harding steht dem SRSO ja ein prägender Maestro voran, der seine Musikerinnen und Musiker fordert …
Ich hatte bisher noch kein besseres Konzerterlebnis als mit Daniel Harding – das sage ich jetzt nicht nur, weil er mein Chefdirigent ist. Das hat etwas von einem Schweizer Uhrwerk. Man lehnt sich bei ihm nicht zurück, sondern sitzt immer auf der Stuhlkante, muss super fokussiert und präsent sein – so wie er es selbst vorlebt. So eine Präsenz wie er hat nun einmal nicht jeder. Kein Konzert ist gleich, sondern immer nur eine Momentaufnahme, in denen es Nuancen und Feinheiten gibt. Und es ist spannend, diese Unterschiede mit der Erfahrung auch besser mitzuerleben.
Ich hatte bisher noch kein besseres Konzerterlebnis als mit Daniel Harding – das sage ich jetzt nicht nur, weil er mein Chefdirigent ist.
Harding und Ihr Orchester bringen nicht nur den jungen Solisten Alexandre Kantorow am Klavier mit nach Luxemburg, sondern auch ein besonderes Programm. Wie würden Sie diesen Bogen beschreiben?
Alfvéns Werk zu Beginn ist natürlich so etwas wie unsere Visitenkarte aus Skandinavien. Stockholms Landschaft schimmert auf. Dann Beethovens Klavierkonzert, das viel von Kantorow verlangt. Dazu ist Beethoven mit Daniel nie so, dass man sich zurücklehnen könnte. Wir spielen in diesem Fall mit Naturtrompeten, da hat jeder Ton Bedeutung und braucht Fokus. Das Besondere aber ist das Fragezeichen, das Strauss aufwirft: „Also sprach Zarathustra” endet mit Pizzicati von Kontrabässen und Celli. „Wie? Und was jetzt?“, geht da einem durch den Kopf. Und vielleicht ist das ja auch etwas, was symbolisch für das Orchester steht. Es ist ja kein Geheimnis, dass Hardings Vertrag in zwei Jahren ausläuft. So ist dieses Fragezeichen spannend, aber auch ein wenig Furcht einflößend, wie es wohl weitergehen wird.