Wie die Krisen den Oscar-Glamour eintrüben
„Oppenheimer“als großer Abräumer des Abends – so lässt sich die 96. Verleihung der Academy Awards knapp und letztlich wenig überraschend zusammenfassen
Schon im Vorfeld war Christopher Nolans visuell aufwendiges und narrativ verschachtelt erzähltes Drama um den Erfinder der Atombombe mit 13 Oscar-Nominierungen als der große Favorit gehandelt worden. Am Ende setzte es sich in sieben Kategorien durch, darunter natürlich auch in der „Königsklasse“als Bester Film. Cillian Murphy wurde für die Titelrolle als Bester Hauptdarsteller geehrt, Robert Downey jr. als Nebendarsteller.
Letzterer machte keinen Hehl daraus, wie fern eine solche Ehrung für ihn lange lag. In den 1980er-Jahren begann er als gefeierter Shooting Star, war später durch Drogenexzesse und Straftaten für Filmdrehs kaum versicherbar, bevor ihn das Comeback als Superheld zum bestbezahlten Schauspieler der Welt machte. Dass nun ein Oscar diese lange wie turbulente Karriere krönt, sorgte im Dolby Theatre in Hollywood für viel Jubel.
Regisseur Christopher Nolan nun Oscar-Gewinner
Auch die Kameraarbeit, die Montage und die Filmmusik von „Oppenheimer“wurden ausgezeichnet. Aber vor allem darf sich Regisseur Christopher Nolan nun Oscar-Gewinner nennen. Schon in der Vergangenheit war der Brite für Filme wie „Memento“, „Inception“und „Dunkirk“nominiert gewesen, nun nennt er gleich zwei der goldenen Statuetten sein Eigen. Nicht nur wurde der ebenso erfolgreiche wie ambitionierte und visionäre Filmemacher gemeinsam mit Ehefrau Emma Thomas als Produzent in der Hauptkategorie geehrt, sondern auch als Bester Regisseur.
Der Preis als Bester Hauptdarstellerin ging – zum zweiten Mal nach 2017 – an Emma Stone, die für ihre Rolle in der exzentrisch-einfallsreichen Romanverfilmung „Poor Things“ausgezeichnet wurde. Der Film des griechischen Regisseur Yorgos Lanthimos erhielt obendrein Oscars für das Produktionsdesign, die Kostüme und das Haar- & Make-up-Styling.
Wie fast alle Entscheidungen an diesem Abend kam die Ehrung für Stone, die auch schon den Golden Globe und den BAFTA gewonnen hatte, nicht allzu überraschend. Aber sie bedeutet eben auch, dass Sandra Hüller, die über die letzten Monate mit viel Eifer und sichtbarem Spaß bei extravaganten Foto-Shoots oder in US-Talkshows die Werbetrommel in eigener Sache gerührt hatte, für „Anatomie eines Falls“dann doch leer ausging.
Grund zu unübersehbarer Freude gab es für die Deutsche trotzdem, wurden doch – wie schon beim Filmfestival in Cannes vergangenen Mai – gleich beide ihrer nominierten Filme mit Oscars bedacht. Die französische Regisseurin Justine Triet und ihr Schreib- und Lebenspartner Arthur Harari erhielten für „Anatomie eines Falls“den Oscar für das Beste Originaldrehbuch (während sich als Bestes adaptiertes Drehbuch die Komödie „American Fiction“von Cord Jefferson durchsetzte). Und in der Kategorie Bester Internationaler Film, wo dezidiert nicht-englischsprachige Werke zum Zuge kommen, gewann „The Zone of Interest“, Jonathan Glazers auf Deutsch gedrehte Geschichte über die eiskalte Alltäglichkeit, mit der KZ-Kommandant Höß (Christian Friedel) und seine von Hüller gespielte Ehefrau in Auschwitz lebten. Die deutsche Einreichung „Das Lehrerzimmer“des Berliners Ilker Çatak sowie Wim Wenders‘ „Perfect Days“, der für Japan nominiert war, kamen entsprechend nicht zum Zuge.
Dankesrede sorgt für politisch aufgeladenen Moment
Glazer, dessen Film auch für sein außergewöhnliches Sounddesign ausgezeichnet wurde, sorgte in seiner Dankesrede für einen der erstaunlich wenigen politisch aufgeladenen Momente der von Jimmy Kimmel moderierten Show, die nach den langen Hollywood-Streiks des vergangenen Jahres ansonsten vor allem den Teamgeist des Filmemachens feierte. Der Brite gedachte sowohl der Opfer der Hamas vom 7. Oktober 2023 als auch der durch die israelischen Angriffe seither getöteten Palästinenser. Er verwehre sich, so der jüdische Filmemacher aus London, dagegen, dass das Jüdisch-Sein und der Holocaust gekapert würden durch eine Besatzung, die für so viele unschuldige Menschen tragische, entmenschlichte Konflikte nach sich gezogen habe.
Davon abgesehen war der Krieg in Israel und Gaza bei der Verleihung nur durch rote Anstecker an den Revers von Stars wie Mark Ruffalo, Billie Eilish oder Ramy Youssef präsent, die damit für einen Waffenstillstand eintraten. Auf den Ukraine-Krieg richtete sich die Aufmerksamkeit derweil in der Kategorie Bester Dokumentarfilm. Er wünschte, er hätte seinen Film nicht drehen müssen, sagte Mstyslav Chernov, der Regisseur des ausgezeichneten „20 Day in Mariupol“über den Beginn des russischen Einmarschs in der Donezk. Und fügte hinzu: „Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir können sicherstellen, dass die Dinge ins richtige Licht gerückt werden, die Wahrheit sich durchsetzt und die Menschen in der Ukraine nicht vergessen sind.“
Und dann war da natürlich auch noch „Barbie“. Schon bei der Zahl der Nominierungen hatte der erfolgreichste Film des vergangenen Jahres hinter „Oppenheimer“zurückstecken müssen; dass Regisseurin Greta Gerwig und Hauptdarstellerin Margot Robbie übergangen wurden, kommentierte sogar Kimmel gleich zum Auftakt seiner Moderation. Am Ende gab es dann nur den Oscar für den Besten Song. Und das nicht für Ryan Goslings „I’m Just Ken“, der mit einer aufwändig choreografierten und natürlich knallpinken Performance den Höhepunkt der Show lieferte, sondern für „What Was I Made For“von Billie Eilish (und Bruder Finneas), die als 22-jährige damit zur jüngsten Person wurde, die bereits zwei Oscars gewinnen konnte.
Ebenfalls nur ein Academy Award ging an Alexander Paynes Tragikomödie „The Holdovers“, für Nebendarstellerin Da’vine Joy Randolph. Ganz ohne Preise blieben unter anderem das siebenfach nominierte Biopic „Maestro“von und mit Bradley Cooper sowie „Killers of the Flower Moon“von Martin Scorsese, nach „Gangs of New York“und „The Irishman“sein dritter Film, der trotz elf Nominierungen von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences am Ende komplett ignoriert wurde.