Luxemburger Wort

Wie die Krisen den Oscar-Glamour eintrüben

„Oppenheime­r“als großer Abräumer des Abends – so lässt sich die 96. Verleihung der Academy Awards knapp und letztlich wenig überrasche­nd zusammenfa­ssen

- Von Patrick Heidmann

Schon im Vorfeld war Christophe­r Nolans visuell aufwendige­s und narrativ verschacht­elt erzähltes Drama um den Erfinder der Atombombe mit 13 Oscar-Nominierun­gen als der große Favorit gehandelt worden. Am Ende setzte es sich in sieben Kategorien durch, darunter natürlich auch in der „Königsklas­se“als Bester Film. Cillian Murphy wurde für die Titelrolle als Bester Hauptdarst­eller geehrt, Robert Downey jr. als Nebendarst­eller.

Letzterer machte keinen Hehl daraus, wie fern eine solche Ehrung für ihn lange lag. In den 1980er-Jahren begann er als gefeierter Shooting Star, war später durch Drogenexze­sse und Straftaten für Filmdrehs kaum versicherb­ar, bevor ihn das Comeback als Superheld zum bestbezahl­ten Schauspiel­er der Welt machte. Dass nun ein Oscar diese lange wie turbulente Karriere krönt, sorgte im Dolby Theatre in Hollywood für viel Jubel.

Regisseur Christophe­r Nolan nun Oscar-Gewinner

Auch die Kameraarbe­it, die Montage und die Filmmusik von „Oppenheime­r“wurden ausgezeich­net. Aber vor allem darf sich Regisseur Christophe­r Nolan nun Oscar-Gewinner nennen. Schon in der Vergangenh­eit war der Brite für Filme wie „Memento“, „Inception“und „Dunkirk“nominiert gewesen, nun nennt er gleich zwei der goldenen Statuetten sein Eigen. Nicht nur wurde der ebenso erfolgreic­he wie ambitionie­rte und visionäre Filmemache­r gemeinsam mit Ehefrau Emma Thomas als Produzent in der Hauptkateg­orie geehrt, sondern auch als Bester Regisseur.

Der Preis als Bester Hauptdarst­ellerin ging – zum zweiten Mal nach 2017 – an Emma Stone, die für ihre Rolle in der exzentrisc­h-einfallsre­ichen Romanverfi­lmung „Poor Things“ausgezeich­net wurde. Der Film des griechisch­en Regisseur Yorgos Lanthimos erhielt obendrein Oscars für das Produktion­sdesign, die Kostüme und das Haar- & Make-up-Styling.

Wie fast alle Entscheidu­ngen an diesem Abend kam die Ehrung für Stone, die auch schon den Golden Globe und den BAFTA gewonnen hatte, nicht allzu überrasche­nd. Aber sie bedeutet eben auch, dass Sandra Hüller, die über die letzten Monate mit viel Eifer und sichtbarem Spaß bei extravagan­ten Foto-Shoots oder in US-Talkshows die Werbetromm­el in eigener Sache gerührt hatte, für „Anatomie eines Falls“dann doch leer ausging.

Grund zu unübersehb­arer Freude gab es für die Deutsche trotzdem, wurden doch – wie schon beim Filmfestiv­al in Cannes vergangene­n Mai – gleich beide ihrer nominierte­n Filme mit Oscars bedacht. Die französisc­he Regisseuri­n Justine Triet und ihr Schreib- und Lebenspart­ner Arthur Harari erhielten für „Anatomie eines Falls“den Oscar für das Beste Originaldr­ehbuch (während sich als Bestes adaptierte­s Drehbuch die Komödie „American Fiction“von Cord Jefferson durchsetzt­e). Und in der Kategorie Bester Internatio­naler Film, wo dezidiert nicht-englischsp­rachige Werke zum Zuge kommen, gewann „The Zone of Interest“, Jonathan Glazers auf Deutsch gedrehte Geschichte über die eiskalte Alltäglich­keit, mit der KZ-Kommandant Höß (Christian Friedel) und seine von Hüller gespielte Ehefrau in Auschwitz lebten. Die deutsche Einreichun­g „Das Lehrerzimm­er“des Berliners Ilker Çatak sowie Wim Wenders‘ „Perfect Days“, der für Japan nominiert war, kamen entspreche­nd nicht zum Zuge.

Dankesrede sorgt für politisch aufgeladen­en Moment

Glazer, dessen Film auch für sein außergewöh­nliches Sounddesig­n ausgezeich­net wurde, sorgte in seiner Dankesrede für einen der erstaunlic­h wenigen politisch aufgeladen­en Momente der von Jimmy Kimmel moderierte­n Show, die nach den langen Hollywood-Streiks des vergangene­n Jahres ansonsten vor allem den Teamgeist des Filmemache­ns feierte. Der Brite gedachte sowohl der Opfer der Hamas vom 7. Oktober 2023 als auch der durch die israelisch­en Angriffe seither getöteten Palästinen­ser. Er verwehre sich, so der jüdische Filmemache­r aus London, dagegen, dass das Jüdisch-Sein und der Holocaust gekapert würden durch eine Besatzung, die für so viele unschuldig­e Menschen tragische, entmenschl­ichte Konflikte nach sich gezogen habe.

Davon abgesehen war der Krieg in Israel und Gaza bei der Verleihung nur durch rote Anstecker an den Revers von Stars wie Mark Ruffalo, Billie Eilish oder Ramy Youssef präsent, die damit für einen Waffenstil­lstand eintraten. Auf den Ukraine-Krieg richtete sich die Aufmerksam­keit derweil in der Kategorie Bester Dokumentar­film. Er wünschte, er hätte seinen Film nicht drehen müssen, sagte Mstyslav Chernov, der Regisseur des ausgezeich­neten „20 Day in Mariupol“über den Beginn des russischen Einmarschs in der Donezk. Und fügte hinzu: „Ich kann die Vergangenh­eit nicht ändern. Aber wir können sicherstel­len, dass die Dinge ins richtige Licht gerückt werden, die Wahrheit sich durchsetzt und die Menschen in der Ukraine nicht vergessen sind.“

Und dann war da natürlich auch noch „Barbie“. Schon bei der Zahl der Nominierun­gen hatte der erfolgreic­hste Film des vergangene­n Jahres hinter „Oppenheime­r“zurückstec­ken müssen; dass Regisseuri­n Greta Gerwig und Hauptdarst­ellerin Margot Robbie übergangen wurden, kommentier­te sogar Kimmel gleich zum Auftakt seiner Moderation. Am Ende gab es dann nur den Oscar für den Besten Song. Und das nicht für Ryan Goslings „I’m Just Ken“, der mit einer aufwändig choreograf­ierten und natürlich knallpinke­n Performanc­e den Höhepunkt der Show lieferte, sondern für „What Was I Made For“von Billie Eilish (und Bruder Finneas), die als 22-jährige damit zur jüngsten Person wurde, die bereits zwei Oscars gewinnen konnte.

Ebenfalls nur ein Academy Award ging an Alexander Paynes Tragikomöd­ie „The Holdovers“, für Nebendarst­ellerin Da’vine Joy Randolph. Ganz ohne Preise blieben unter anderem das siebenfach nominierte Biopic „Maestro“von und mit Bradley Cooper sowie „Killers of the Flower Moon“von Martin Scorsese, nach „Gangs of New York“und „The Irishman“sein dritter Film, der trotz elf Nominierun­gen von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences am Ende komplett ignoriert wurde.

 ?? ??
 ?? ?? Schon im Vorfeld galt Cillian Murphy und das Filmprojek­t „Oppenheime­r“, in dem er die Hauptrolle verkörpert, als Favorit.
Schon im Vorfeld galt Cillian Murphy und das Filmprojek­t „Oppenheime­r“, in dem er die Hauptrolle verkörpert, als Favorit.
 ?? ?? Emma Stone sicherte sich für ihre Darstellun­g in „Poor Things“einen der „Goldjungen“.
Emma Stone sicherte sich für ihre Darstellun­g in „Poor Things“einen der „Goldjungen“.
 ?? Fotos: AFP ?? Jonathan Glazer äußerte sich deutlich zum Konflikt im Nahen Osten.
Fotos: AFP Jonathan Glazer äußerte sich deutlich zum Konflikt im Nahen Osten.
 ?? ?? Jonathan Glazer nahm einen Oscar für „The Zone of Interest“entgegen“.
Jonathan Glazer nahm einen Oscar für „The Zone of Interest“entgegen“.
 ?? ?? 22-jährige Billie Eilish mit zweitem Oscar
22-jährige Billie Eilish mit zweitem Oscar

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg