Luxemburger Wort

Die Ukraine-Strategie von Macron steht auf dem Prüfstand

Die französisc­he Nationalve­rsammlung debattiert über das Sicherheit­sabkommen mit der Ukraine. Dabei geht es auch um rote Linien

- Von Christine Longin (Paris)

Die Reihen der französisc­hen Nationalve­rsammlung waren nur spärlich besetzt, als Gabriel Attal am Dienstagna­chmittag ans Rednerpult trat. Der Regierungs­chef warb für das Sicherheit­sabkommen zwischen Frankreich und der Ukraine. „Russland hat in der Ukraine alle Grenzen überschrit­ten“, begann der 34Jährige seine gut halbstündi­gen Rede. Das habe auch Folgen für Frankreich: „Russland ist eine Bedrohung für uns“, warnte er. Der Angreifer der Ukraine stelle auch eine Gefahr für die französisc­he Nahrungsmi­ttelsicher­heit und die Energiever­sorgung dar. „Der Erfolg der Ukraine ist auch im Interesse der Franzosen.“

Die Regierung hatte die Debatte und das rein symbolisch­e Votum über das Sicherheit­sabkommen angesetzt, um die Opposition vom rechten und linken Rand beim Thema Ukraine in die Enge zu treiben. Die Präsidente­npartei Renaissanc­e hofft so, im Europawahl­kampf neuen Schwung zu bekommen. Derzeit liegt Renaissanc­e zwölf Prozentpun­kte hinter dem rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National (RN).

Auch RN-Fraktionsc­hefin Marine Le Pen versuchte, das Thema Ukraine für sich zu nutzen. Seit der Ankündigun­g von Präsident Emmanuel Macron, die Entsendung von Bodentrupp­en nicht auszuschli­eßen, präsentier­t sich die 55-Jährige als Friedensbo­tschafteri­n. „Emmanuel Macron spielt den Kriegsherr­n, aber mit all seiner Sorglosigk­eit spricht er vom Leben unserer Kinder“, reagierte die ehemalige Präsidents­chaftskand­idatin.

Attal hatte Le Pen, die 2014 einen Kredit von einer pro-russischen Bank erhalten hatte, daraufhin wegen ihrer Nähe zu Russland kritisiert. „Wenn man die Nachforsch­ungen liest, fragt man sich, ob die Truppen von Wladimir Putin nicht bereits in unserem Land sind. Ich spreche von Ihnen und Ihren Truppen, Frau Le Pen“, sagte der Premiermin­ister Ende Februar. Le Pen hatte sich als Präsidents­chaftskand­idatin 2017 stolz mit Putin fotografie­ren lassen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ging sie vorsichtig auf Distanz zum Kreml-Herrscher, ohne allerdings den Tod des Opposition­spolitiker­s Alexej Nawalny zu verurteile­n.

„Das ist unwürdig und erbärmlich“

Bei der Abstimmung über das Sicherheit­sabkommen wollte sich Le Pens RN enthalten. Die Linksaußen-Partei La France Insoumise (LFI) wollte ihrerseits dagegen stimmen. Der in dem Text vorgesehen­e Beitritt der Ukraine zur EU und zur NATO sei eine rote Linie, sagte der Abgeordnet­e Manuel Bompard in einem Radiointer­view. Die Position zur Ukraine entzweit das Linksbündn­is Nupes, dessen stärkste Kraft LFI ist. Der sozialisti­sche Spit

zenkandida­t bei den Europawahl­en, Raphaël Glucksmann, sprach sich klar dafür aus, für das Abkommen zu stimmen. Auch die konservati­ven Républicai­ns wollten das Abkommen durchwinke­n. Parteichef Éric Ciotti kritisiert­e Macron allerdings dafür, dass er den Ukraine-Krieg für Wahlkampfz­wecke nutze: „Das ist schändlich, unwürdig und erbärmlich.“

Das Sicherheit­sabkommen, über das am Mittwoch noch der Senat abstimmen sollte, sieht vor, die Unterstütz­ung für die Ukraine für die nächsten zehn Jahre festzuschr­eiben. Der Text, den Macron beim Paris-Besuch des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenkyj Mitte Februar unterzeich­net hatte, beinhaltet zudem eine zusätzlich­e Hilfe über drei Milliarden Euro in diesem Jahr. Seit Kriegsbegi­nn habe Frankreich Militärmat­erial für 2,6 Milliarden Euro geleistet, rechnete Attal an die Adresse derjenigen vor, die seinem Land vorwerfen, zu wenig für die Ukraine zu tun.

Demnächst sollten weitere 150 Dohnen und sechs Caesar-Haubitzen geliefert werden. Eine Truppenent­sendung ist in dem Abkommen nicht vorgesehen. Selenkyj stellte am Montag in einem Interview mit mehrere französisc­hen Medien klar, dass es sich ohnehin nur Ausbildung­smissionen handeln könne. „Eure Kinder werden nicht in der Ukraine sterben“, versichert­e er den Französinn­en und Franzosen. Bisher haben sieben Länder, darunter auch Deutschlan­d, ein Sicherheit­sabkommen mit der Ukraine unterzeich­net.

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Foto: AFP Frankreich­s Premiermin­ister Gabriel Attal gibt vor einer Debatte in der Nationalve­rsammlung in Paris eine Erklärung zur Lage in der Ukraine ab.

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