Die britische Krone wird von ihrer kolonialen Vergangenheit eingeholt
Der Druck auf König Charles wächst, sich für die Rolle des Königshauses beim Sklavenhandel zu entschuldigen. In der Frage gibt es seit Kurzem Bewegung
Eine Krone thront über den stilisierten Buchstaben S und C: Es sind die Initialen der 1711 gegründeten britischen South Sea Company, die im frühen 18. Jahrhundert ein Monopol auf den Handel mit afrikanischen Sklaven in den spanisch kontrollierten Teilen Südamerikas hatte. Der dazugehörige Text erklärt, dass das dargestellte Logo in die Körper von Sklaven gebrannt werden sollte, „die in den spanischen Westindischen Inseln verkauft und entsorgt werden“.
Das Dokument aus dem Jahr 1715, auf dem sich das Logo und die bestürzende Beschreibung befinden, hat der Historiker Nicholas Radburn erst kürzlich in den Archiven der British Library in London entdeckt. Es beschreibt ein Abkommen zwischen der damals kurz zuvor verstorbenen britischen Königin Anne und König Philipp V. von Spanien. Dass die britische Krone über drei Jahrhunderte hinweg einem wirtschaftlichen System vorstand, das sich mit dem transatlantischen Sklavenhandel maßlos bereichert hat, ist kein Geheimnis. Dokumente wie dieses verdeutlichen jedoch, wie eng manche Monarchen mit dem Menschenhandel verbunden waren.
Der Druck auf das britische Königshaus, sich für die Rolle der britischen Krone beim Sklavenhandel zu entschuldigen, wächst auch wegen solcher Funde. Kampagnengruppen in mehreren karibischen Staaten, die Entschädigungszahlungen von Großbritannien verlangen, haben in den vergangenen Jahren deutlich an Einfluss gewonnen. Einige Gruppen fordern sogar, dass König Charles Reparationen aus seinem Privatvermögen leisten soll, das auf 1,8 Milliarden Pfund geschätzt wird.
Vorbild Niederlande
Eine zentrale Rolle bei der Reparationsbewegung nimmt die Karibische Gemeinschaft Caricom ein, die 20 Staaten vertritt. Eric Phillips, der Vorsitzende der Kommission für Reparationen der Organisation, sagte vor wenigen Tagen dem Nachrichtensender Sky News: „Der König hat nicht nur die Möglichkeit, um Entschuldigung zu bitten, sondern er kann auch eine Architektur des Wandels schaffen und für Verhandlungen sorgen, mit denen man die Dinge voranbringen kann.“Schließlich litten viele Staaten in der Region bis heute an den Folgen der Sklaverei. „Es gibt so viele Beispiele, wie den Mangel an Technologie, Unterentwicklung und Armut.“
Nach einem Vorbild für eine Entschuldigung eines europäischen Königshauses für den Sklavenhandel während der Kolonialzeit müsste König Charles nicht lange suchen: Erst im vergangenen Juli hat der niederländische König Willem-Alexander für die Rolle seines Landes beim Sklavenhandel um Verzeihung gebeten. Er bezeichnete die Praxis als „Horror“und erklärte, er fühle sich „persönlich und intensiv“betroffen.
Die königliche Familie habe nichts unternommen, um den Handel mit mehr als 600.000 Menschen ab dem 17. Jahrhundert zu stoppen, fügte er hinzu. Eine kurz zuvor veröffentlichte Studie hatte gezeigt, dass niederländische Herrscher zwischen 1675 und 1770 den heutigen Gegenwert von 545 Millionen Euro aus Kolonien erhalten haben, in denen Sklaverei herrschte. „Heute stehe ich hier vor euch als euer König und als Teil der Regierung“, sagte Willem-Alexander. „Ich bitte um Vergebung für das eindeutige Versäumnis, zu handeln.“
Eine vergleichbare Entschuldigung durch das britische Königshaus gab es bislang nicht. Königin Elisabeth II. hat sich während ihrer 70 Jahre im Amt kein einziges Mal über die britische Rolle beim Sklavenhandel geäußert. Auch zu den Gewaltakten des britischen Staates in den ehemaligen Kolonien äußerte sie sich nie. Dabei war Elisabeth II. bereits im Amt, als britische Sicherheitskräfte Aufstände in Kenia, Zypern und im Jemen mit großer Gewalt niederschlugen. Kritiker bemängeln, dass Elisabeth II. mit ihrer starr apolitischen Haltung eine bedeutungsvolle Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit ihres Landes verzögert habe.
Gemessen daran, hat sich die Haltung des britischen Königshauses in den vergangenen zwei Jahren durchaus verschoben. So erklärte Charles im Juni 2022 – damals noch als Prince of Wales – bei einem Commonwealth-Treffen in Ruanda, dass er sich in Sachen Sklaverei „auf einer persönlichen Entdeckungsreise“befinde. Er versuche, sein „eigenes Verständnis für die anhaltende Auswirkung der Sklaverei“zu vertiefen, fügte er hinzu.
Die Zeit sei gekommen, Fehler der Vergangenheit anzuerkennen. „Ich kann die Tiefe meines persönlichen Kummers über das Leiden so vieler nicht beschreiben.“Prince William hatte während eines JamaikaBesuchs wenige Wochen zuvor erklärt: „Die Sklaverei war abscheulich und hätte niemals geschehen dürfen.“
Paradigmenwechsel nur mit neuer Regierung?
Im April 2023 sprach Charles erstmals seine Unterstützung für weitere Forschungen zu den historischen Verbindungen des Königshauses zum transatlantischen Sklavenhandel aus. Zuvor waren Dokumente aus dem 17. Jahrhundert aufgetaucht, die zeigten, dass einer seiner Vorgänger sogar Anteile an einem Sklavenhandelsunternehmen besaß.
Dass sich das britische Königshaus seiner Vergangenheit in Sachen Sklaverei eher vorsichtig annähert, dürfte auch mit der starren Haltung vieler konservativer Briten zu dem Thema zu tun haben. Unter selbst ernannten Kulturkämpfern ist die Sklaverei sogar ein ausgesprochenes Reizthema. So gab es im Jahr 2020 einen regelrechten Aufschrei, als der National Trust – eine gemeinnützige Organisation, die sich um Denkmäler und historische Gebäude in England, Wales und Nordirland kümmert – einen Bericht veröffentlichte, der die Beziehungen der vom Trust verwalteten Immobilien zu Sklavenhandel und Kolonialismus untersuchte. 26 konservative Abgeordnete verlangten in einem Schreiben, dass man die Finanzierung der Organisation überdenken solle. Auf der Jahresversammlung des National Trust empörte sich eine Teilnehmerin: „Die
Mehrheit der Mitglieder möchte einfach nur schöne Häuser und Gärten sehen und nicht die Meinungen anderer aufgedrängt bekommen.“
Auch die konservative Regierung von Premier Rishi Sunak gibt sich bei der Vergangenheitsbewältigung demonstrativ verschlossen. Darauf angesprochen, ob sich König Charles für die Sklaverei entschuldigen sollte, antwortete Greg Hand, Staatsminister für Handelspolitik, kürzlich dem Sender Sky News, dass das „eine Angelegenheit für jede einzelne Person“sei. Hands verwies darauf, dass Großbritannien den
Ich bitte um Vergebung für das eindeutige Versäumnis, zu handeln. Willem-Alexander, Niederländischer König
Handel mit Sklaven bereits 1807 verboten habe – ein beliebtes Argument unter konservativen Briten. Es sei „besser, in die Zukunft zu schauen“, fügte der Minister hinzu.
Doch es bahnen sich weitreichende Veränderungen an. Sämtlichen Umfragen zufolge steuern die regierenden Tories bei den nächsten Parlamentswahlen, die spätestens im Januar 2025 abgehalten werden müssen, auf eine massive Niederlage zu. Der Machtwechsel in der Downing Street ist so gut wie garantiert. Gut möglich, dass König Charles unter einer progressiveren Labour-Regierung den Mut finden wird, sich der Rolle des Königshauses beim Sklavenhandel offener entgegenzustellen.