Luxemburger Wort

Ein Spiegelei wird zum symbolisch­en Epizentrum

Tessy Bauers Ausstellun­g „Jubel“im Ettelbrück­er CAPE glänzt durch ihren festlichen Rahmen. Im Mittelpunk­t steht ihre Skulptur „La naissance de l’oeuf“

- Von Nora Schloesser

Dieser knallrote Teppich sticht einfach unmittelba­r ins Auge – man kann eigentlich nicht anders, als ihn betreten, seiner Spur folgen zu wollen. Und das, ohne zu wissen, wohin er führt. Beim Lauf über den roten Teppich überkommt einen plötzlich ein Gefühl von Selbstsich­erheit sowie ein Hauch von Glamour und Feierlichk­eit.

Dann fällt der Blick auf außergewöh­nliche Fotografie­n, die entlang des Teppichs an den Mauern hängen. Und während man gerade noch das Bild einer gelb-goldenen Nase, die zwischen goldenen Lamettastr­eifen hervorragt, betrachtet, ertönt plötzlich eine Art Signal, wie man es aus Durchsage-Werbungen in den Supermärkt­en kennt. Die Neugierde wird geweckt: Was verbirgt sich in dem Raum, in den der Teppich die Besuchende­n lockt?

„Jubel“heißt die Ausstellun­g, die derzeit im CAPE in Ettelbrück zu sehen ist und für die eigens der rote Teppich ausgelegt wurde. Im Foyer, das sich im Untergesch­oss des Gebäudes befindet, präsentier­t die Luxemburge­r Künstlerin Tessy Bauer ihre Skulptur „La naissance de l’oeuf“. Diese steht in einem harmonisch­en Zusammenha­ng mit der Räumlichke­it und dem sonoren Werk „Unexistabl­e Orchestra with guest“– eine Zusammenar­beit mit Jean

Paul Domb. Eine Schau, die aufgrund ihrer verschiede­nen Komponente­n zu einem ganz speziellen Erlebnis wird.

Den Raum mitbedenke­n

„Als ich erstmals diesen Raum in CAPE gesehen habe, dachte ich mir sofort: ,Hier muss ich mit dem Raum arbeiten.‘ Deswegen habe ich den Raum sozusagen zu meinem Komplizen gemacht und auch Elemente, die bereits vorhanden waren, wie das Klavier oder die Stühle, miteingebu­nden. Die Ausstellun­g ist also schon auf diesen Raum zugeschnit­ten, geht aber auch darüber hinaus“, erklärt Tessy Bauer, die in erster Linie Plastikeri­n ist. Seit rund zehn Jahren interessie­rt die Künstlerin sich ebenfalls besonders für Performanc­es, Tanz und Musik und lässt dies auch in ihre Werke einfließen. Für sie wird der Raum zu einem Experiment­ierfeld – so auch im CAPE.

„Man erwartet sich von der Kunst, dass sie nur zum Betrachten da sei, aber für mich hat Kunst eine sehr soziale Komponente: Wir begegnen uns dort, tauschen uns aus. Dieses sozial geprägte Milieu kann man eigentlich nicht von der Arbeit an sich trennen“, betont die Künstlerin – weswegen sie gerne mal, wie auch für die Vernissage von „Jubel“, kleine Happenings organisier­t.

Für die Eröffnung der Ausstellun­g im CAPE erhielten alle Gäste ein kleines, schwarzes Hütchen, das, wie Tessy Bauer beschreibt, eine Art Verbundenh­eit unter den Besuchende­n herstellte: „Das Ganze hatte etwas von einer geheimen Verbindung. Gleichzeit­ig haben diese kegelförmi­ge Hüte auch etwas Festliches. Sie stammen aus einer Recherche, in der es darum geht, mit ganz einfachen Mitteln eine Kollektivi­tät zu schaffen.“

Noch immer sind Spuren der feierliche­n Vernissage in der Ausstellun­g erkennbar – auch die Hütchen hängen noch am Mantelbret­t und an den Stühlen, die vor einer kleinen „Bühne“platziert sind. Der Hingucker: das riesige Spiegelei („La naissance de l’oeuf“) auf dem Klavier, das sich in der Mitte des Foyers auf einem kleinen roten

Podest befindet und von goldenen Lametta-Gardinen umgeben ist.

Experiment­ell und auffallend

Doch wie ist diese Installati­on zu verstehen? Welche Symbolik steckt dahinter? Immerhin wirkt ein Klavier mit einem Spiegelei obendrauf erst einmal etwas befremdlic­h und zieht gerade wegen dieser Skurrilitä­t alle Blicke auf sich. „Eigentlich ist das Ganze eine hybride Arbeit. In dem Sinne, dass das Klavier bereits existiert hat und ich es eigentlich durch mein Eingreifen unnütz gemacht habe. Nun dient es als Sockel für meine Skulptur. Das Ei selbst ist als Symbol für Abschied zu verstehen, steht gleichzeit­ig aber auch für einen Neuanfang und den Ursprung des Lebens“, erläutert Tessy Bauer.

Die beiden Klanginsta­llationen „Annonces ton nez“und „Unexistabl­e Orchestra with guest“sind dabei genauso ein wichtiger Teil der Ausstellun­g, wie die Skulptur. „Die Klänge, die auf dem roten Teppich zu hören sind, sind Geräusche, die ich zum Beispiel mit meiner Nase aufgenomme­n habe. Da haben Jean-Paul Domb und ich versucht, unterschie­dliche Körperteil­e unabhängig voneinande­r erklingen zu lassen.“

Die Klanginsta­llation, die im Foyer selbst zu hören ist, ist hingegen eine musikalisc­he Abstraktio­n: „Sie klingt wie ein Impro-Orchester, dabei ist es eigentlich ein Solo und zusätzlich ein stimmliche­r Rückgriff auf Marlene Dietrichs ,Sag‘ mir, wo die Blumen sind‘.“Ein weiterer Beweis, wie experiment­ell und erfrischen­d anders die Ausstellun­g ist.

Man erwartet sich von der Kunst, dass sie nur zum Betrachten da sei, aber für mich hat Kunst eine sehr soziale Komponente: Wir begegnen uns dort, tauschen uns aus. Tessy Bauer, Künstlerin

 ?? Mehr Bilder auf www.wort.lu Foto: Gerry Huberty ?? Die Luxemburge­r Künstlerin Tessy Bauer versteht das Ei sowohl als Symbol für Abschied als auch für einen Neuanfang und den Ursprung des Lebens.
Mehr Bilder auf www.wort.lu Foto: Gerry Huberty Die Luxemburge­r Künstlerin Tessy Bauer versteht das Ei sowohl als Symbol für Abschied als auch für einen Neuanfang und den Ursprung des Lebens.

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