Ein Spiegelei wird zum symbolischen Epizentrum
Tessy Bauers Ausstellung „Jubel“im Ettelbrücker CAPE glänzt durch ihren festlichen Rahmen. Im Mittelpunkt steht ihre Skulptur „La naissance de l’oeuf“
Dieser knallrote Teppich sticht einfach unmittelbar ins Auge – man kann eigentlich nicht anders, als ihn betreten, seiner Spur folgen zu wollen. Und das, ohne zu wissen, wohin er führt. Beim Lauf über den roten Teppich überkommt einen plötzlich ein Gefühl von Selbstsicherheit sowie ein Hauch von Glamour und Feierlichkeit.
Dann fällt der Blick auf außergewöhnliche Fotografien, die entlang des Teppichs an den Mauern hängen. Und während man gerade noch das Bild einer gelb-goldenen Nase, die zwischen goldenen Lamettastreifen hervorragt, betrachtet, ertönt plötzlich eine Art Signal, wie man es aus Durchsage-Werbungen in den Supermärkten kennt. Die Neugierde wird geweckt: Was verbirgt sich in dem Raum, in den der Teppich die Besuchenden lockt?
„Jubel“heißt die Ausstellung, die derzeit im CAPE in Ettelbrück zu sehen ist und für die eigens der rote Teppich ausgelegt wurde. Im Foyer, das sich im Untergeschoss des Gebäudes befindet, präsentiert die Luxemburger Künstlerin Tessy Bauer ihre Skulptur „La naissance de l’oeuf“. Diese steht in einem harmonischen Zusammenhang mit der Räumlichkeit und dem sonoren Werk „Unexistable Orchestra with guest“– eine Zusammenarbeit mit Jean
Paul Domb. Eine Schau, die aufgrund ihrer verschiedenen Komponenten zu einem ganz speziellen Erlebnis wird.
Den Raum mitbedenken
„Als ich erstmals diesen Raum in CAPE gesehen habe, dachte ich mir sofort: ,Hier muss ich mit dem Raum arbeiten.‘ Deswegen habe ich den Raum sozusagen zu meinem Komplizen gemacht und auch Elemente, die bereits vorhanden waren, wie das Klavier oder die Stühle, miteingebunden. Die Ausstellung ist also schon auf diesen Raum zugeschnitten, geht aber auch darüber hinaus“, erklärt Tessy Bauer, die in erster Linie Plastikerin ist. Seit rund zehn Jahren interessiert die Künstlerin sich ebenfalls besonders für Performances, Tanz und Musik und lässt dies auch in ihre Werke einfließen. Für sie wird der Raum zu einem Experimentierfeld – so auch im CAPE.
„Man erwartet sich von der Kunst, dass sie nur zum Betrachten da sei, aber für mich hat Kunst eine sehr soziale Komponente: Wir begegnen uns dort, tauschen uns aus. Dieses sozial geprägte Milieu kann man eigentlich nicht von der Arbeit an sich trennen“, betont die Künstlerin – weswegen sie gerne mal, wie auch für die Vernissage von „Jubel“, kleine Happenings organisiert.
Für die Eröffnung der Ausstellung im CAPE erhielten alle Gäste ein kleines, schwarzes Hütchen, das, wie Tessy Bauer beschreibt, eine Art Verbundenheit unter den Besuchenden herstellte: „Das Ganze hatte etwas von einer geheimen Verbindung. Gleichzeitig haben diese kegelförmige Hüte auch etwas Festliches. Sie stammen aus einer Recherche, in der es darum geht, mit ganz einfachen Mitteln eine Kollektivität zu schaffen.“
Noch immer sind Spuren der feierlichen Vernissage in der Ausstellung erkennbar – auch die Hütchen hängen noch am Mantelbrett und an den Stühlen, die vor einer kleinen „Bühne“platziert sind. Der Hingucker: das riesige Spiegelei („La naissance de l’oeuf“) auf dem Klavier, das sich in der Mitte des Foyers auf einem kleinen roten
Podest befindet und von goldenen Lametta-Gardinen umgeben ist.
Experimentell und auffallend
Doch wie ist diese Installation zu verstehen? Welche Symbolik steckt dahinter? Immerhin wirkt ein Klavier mit einem Spiegelei obendrauf erst einmal etwas befremdlich und zieht gerade wegen dieser Skurrilität alle Blicke auf sich. „Eigentlich ist das Ganze eine hybride Arbeit. In dem Sinne, dass das Klavier bereits existiert hat und ich es eigentlich durch mein Eingreifen unnütz gemacht habe. Nun dient es als Sockel für meine Skulptur. Das Ei selbst ist als Symbol für Abschied zu verstehen, steht gleichzeitig aber auch für einen Neuanfang und den Ursprung des Lebens“, erläutert Tessy Bauer.
Die beiden Klanginstallationen „Annonces ton nez“und „Unexistable Orchestra with guest“sind dabei genauso ein wichtiger Teil der Ausstellung, wie die Skulptur. „Die Klänge, die auf dem roten Teppich zu hören sind, sind Geräusche, die ich zum Beispiel mit meiner Nase aufgenommen habe. Da haben Jean-Paul Domb und ich versucht, unterschiedliche Körperteile unabhängig voneinander erklingen zu lassen.“
Die Klanginstallation, die im Foyer selbst zu hören ist, ist hingegen eine musikalische Abstraktion: „Sie klingt wie ein Impro-Orchester, dabei ist es eigentlich ein Solo und zusätzlich ein stimmlicher Rückgriff auf Marlene Dietrichs ,Sag‘ mir, wo die Blumen sind‘.“Ein weiterer Beweis, wie experimentell und erfrischend anders die Ausstellung ist.
Man erwartet sich von der Kunst, dass sie nur zum Betrachten da sei, aber für mich hat Kunst eine sehr soziale Komponente: Wir begegnen uns dort, tauschen uns aus. Tessy Bauer, Künstlerin