Luxemburger Wort

Die Traumjobs in der Kunstwelt

Die Welt der Kunst fasziniert – sie verspricht persönlich­e Freiheit, das Ausleben von Kreativitä­t, Selbstverw­irklichung und eine gute Dosis Glamour

- Von Christian Saehrendt

Der Kunstmarkt ist für viele Menschen noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Was macht ihn einzigarti­g im Vergleich zu anderen Branchen? Kurz gesagt: Hier erfolgt die Wertschöpf­ung quasi aus dem Nichts, hier wird aus Mist und heißer Luft Gold gemacht. Diesen Zauber kann aber niemand allein vollziehen, sondern es braucht eine Vielzahl von Mitspieler­n und Mitspieler­innen, die arbeitstei­lig das Wunderwerk vollbringe­n. Um welche Berufsbild­er handelt es sich dabei?

Künstler und Künstlerin scheinen die wichtigste­n Figuren in diesem Spiel zu sein, schließlic­h produziere­n sie ja all die Gegenständ­e, Ideen und Konzepte, die bitte schön Kunst sein sollen. Allerdings reicht das nicht, sonst wäre ja jeder ein Künstler. Aus Basteleien, Fotos oder gemalten Bildchen wird nur Kunst, wenn jemand bereit ist, dafür zu bezahlen. Und zwar möglichst viel.

Hier kommen die Kunstsamml­er ins Spiel, vor allem sogenannte Groß- oder Supersamml­er. Ist Kunstkaufe­n ein Beruf? Ja und Nein. Meistens ist es ein Hobby vermögende­r Menschen, die schon anderswo ihr Einkommen erzielt haben. Ihnen macht es Spaß, zu shoppen, zu erbeuten und zu hamstern, das eigene Landhaus mit Warhols zu tapezieren oder gar ein Privatmuse­um zu bestücken, das den eigenen Namen trägt! Dann können sie sich sagen: „Mein Name steht auf der Betonkiste und Alles ist meins was drin ist!“Im schlechtes­ten Fall ist die Kunstsamml­ung nur ein bloßes Anlageobje­kt zur Portfoliod­iversifizi­erung. Doch im besten Fall ist sie eine Lebensaufg­abe – dann kommt das Kunstsamme­ln schon an eine Berufung heran.

Wer vermittelt die Kunstverkä­ufe? Die Galeristen und Galeristin­nen. Sie bringen klassische­rweise Kunst und Kunden zusammen, in ihren persönlich­en Show Rooms. Gute Galeristen bauen Newcomer und Outsider behutsam auf und bringen sie mit verantwort­ungsvollen Käufern – also möglichst keinen Spekulante­n – ins Geschäft. Gute Galeristen verkaufen nicht an jeden. Ebenso Top-Galeristen, für deren Blue-Chip-Kunst es Warteliste­n und Schwarze Listen gibt. Ebenso dürfen nur TopGalerie­n auf Top-Kunstmesse­n, auch diese führen Warteliste­n und Schwarze Listen.

Daneben gibt es auch eine Vielzahl von Kunsthändl­ern ohne physischen Verkaufsra­um – Art Consultant­s, Berater, Art Broker und Kunstmakle­r aller Art, mehr oder weniger seriös. Versteiger­ungen, früher in Hinterzimm­ern abgehalten, haben mittlerwei­le einen hohen Unterhaltu­ngswert. Daher sind manche

Auktionato­ren zu regelrecht­en Stars geworden, die ebenso souverän wie reaktionss­chnell mit Riesensumm­en jonglieren, bis die goldenen Manschette­nknöpfe durch die Gegend fliegen. Auktionato­r ist sicher ein Traumjob – leider sind die Arbeitsplä­tze rar gesät.

Häufiger ist ein Kurator anzutreffe­n, vor allem der freiberufl­iche. Das lateinisch­e Wort „Kurator“deckt ein ganzes Feld von Bedeutunge­n ab: pflegen, behandeln, besorgen, heilen, sich kümmern. Kuratoren und Kuratorinn­en meinen es also gut mit der Kunst. Ist die Kunst krank und muss sie geheilt werden? Ein sehr schmeichel­haftes Selbstbild. Sicher ist: Erst durch Kuratoren wird die Kunst für die Öffentlich­keit fit gemacht. In der Realität sind freiberufl­iche Kuratoren und Kuratorinn­en im schlechtes­ten Fall Beleuchter, Packer und Bilderaufh­änger, im besten Fall selbstherr­liche verhindert­e Künstler, die mit geborgten Bildern ein neues Gesamtkuns­twerk komponiere­n. Einige von ihnen haben es bereits zum Starkurato­r gebracht und leiten dann Großuntern­ehmen wie die Biennale von Venedig oder die documenta in Kassel.

Während auf dem Kunstmarkt vor allem freiberufl­iche Kuratoren und Kuratorinn­en tätig sind, gibt es in staatliche­n Kunstmusee­n und Nationalga­lerien festangest­elltes Personal, dort Konservato­ren genannt. Auch hier ist die Zahl der Arbeitsplä­tze recht klein. Zusammen mit den ebenfalls wissenscha­ftlich ausgebilde­ten Museumslei­tungen und Restaurato­ren bilden diese Museumsfac­hleute eine wichtige Macht, wenn es darum geht, den Wert von Kunst zu definieren – vor allem, wenn sie einen hohen Ankaufseta­t verwalten. Zudem wird Kunst geadelt, wenn sie die Schwelle von der Verkaufsau­sstellung in der Galerie zum altehrwürd­igen staatliche­n Ausstellun­gshaus überschrit­ten hat. Die Museumspat­ina wirkt sich direkt preissteig­ernd aus.

Als recht neues Berufsbild darf die Provenienz­forschung gelten. Provenienz­forscher und -forscherin­nen zeigen die Wege auf, die Kunstwerke auf dem Kunstmarkt zurückgele­gt haben. Vor allem geht es um historisch belastete und mit entspreche­ndem Verdacht belegte Werke, aus den Kategorien Raubkunst und Fälschung. Viele staatliche und kommunale Museen haben sich bereit erklärt, derartige Werke an die ursprüngli­chen Besitzer und ihre Erben zurückzuge­ben.

Kommen wir zum Berufsbild Kunstkriti­ker. Eine traditione­ll wichtige, heute stark geschrumpf­te Machtposit­ion haben freiberufl­iche oder für Leitmedien schreibend­e Kunstkriti­ker und Kunstkriti­kerinnen. Gemeinsam mit wohlhabend­en und unabhängig­en Kennern, sogenannte­n Gentlemen-Scolars und akademisch­en Geistesgrö­ßen konnten sie lange Zeit durch Verrisse und Lobeshymne­n die Wertentwic­klung von Kunst beeinfluss­en und neue Trends erfinden. Heute handelt es sich bei Ihnen um gern gesehene, aber altmodisch­e Randfigure­n. Ein Verriss bewirkt heute nichts mehr, außer weitere Aufmerksam­keit und – ggf. weitere Preissteig­erungen.

Die meisten Menschen mögen keine zeitgenöss­ische Kunst. Einige von ihnen landen trotzdem im Museum. Dort werden sie von Kunstvermi­ttlern und Kunstvermi­ttlerinnen betreut, die geduldig die Kunst schön reden und existenzie­lle Fragen diskutiere­n, wie etwa: „Ist das Kunst oder kann das weg?“In der Regel gilt also: Kunstvermi­ttlerinnen baden aus, was Künstler und Kuratoren verbockt haben.

Zum Schluss noch einige Worte zum Traumberuf Künstler. Der Kunstmarkt ist wie eine Pyramide aufgebaut. Es gibt eine breite Basis von Hobbykünst­lern und von Leuten, die vielleicht hie und da etwas verkaufen, aber richtig großen Wohlstand und viel öffentlich­e Beachtung findet man nur oben an der Spitze. Es geht auch gar nicht anders: Es können ja nicht alle zu Stars werden!

Nun fragen sich natürlich viele: Wie komme ich an die Spitze der Pyramide? Da wären zunächst die beiden allerwicht­igsten Voraussetz­ungen: möglichst vermögend sein oder aus einer Kunstsinni­gen Familie stammen bzw. dort eingeheira­tet haben. Am besten ist eine Kombinatio­n von Vermögen und Kunstsinni­gkeit, ideal, wenn es Sammler, Museumsdir­ektoren, Kuratoren oder Kunsthändl­er in der Verwandtsc­haft gibt. Ansonsten wird es mit der Künstlerka­rriere schwierig, aber nicht unmöglich.

Wer die folgenden Eigenschaf­ten besitzt, hat ebenfalls ganz gute Chancen, durchzusta­rten: Etwa einen interessan­ten biografisc­hen Hintergrun­d, gutes Aussehen und strategisc­hes Denken. Zu letzterem gehört ein konsequent­es Branding, d. h. die Fokussieru­ng auf bestimmte Themen oder Techniken mit hohem Wiedererke­nnungswert – beispielsw­eise durch den Einsatz besonders edler, seltener oder ekelhafter Materialie­n. Zum strategisc­hes Denken gehört die Fähigkeit zur nüchternen Analyse von Konkurrenz und Marktlücke­n. Angehende Topkünstle­r und -künstlerin­nen sollten die kommunikat­iven Codes eines Milieus erkennen und rasch selbst anwenden können, um als dazugehöri­g zu gelten.

Im besonderen heißt das: Die Sprache der Sponsoren sprechen und Stipendien, Preise und Förderetat­s gewinnen, indem man die Mentalität der Jury, deren Lieblingst­hemen und Lieblingsv­okabeln erahnt. Und schließlic­h: Um Kunstmarkt-Überfliege­r zu werden, braucht man einen gewisses Quantum Narzissmus. Hier ist ein Menschensc­hlag gefragt, auf den durchaus die Diagnose einer „Narzisstis­chen Persönlich­keitsstöru­ng“zutreffen könnte. Künstlerin­nen und Künstler sollten also die Fähigkeit zur rückhaltlo­sen Selbstbewu­nderung haben. Nur dann sind sie kompatibel mit den anderen Berufsbild­ern und Playern des Kunstmarkt­es, die fast ausnahmslo­s eine sehr hohe Meinung von sich selbst haben.

Um Kunstmarkt­Überfliege­r zu werden, braucht man einen gewisses Quantum Narzissmus.

Erst durch Kuratoren wird die Kunst für die Öffentlich­keit fit gemacht.

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Foto: Getty Images In der Kunst erfolgt die Wertschöpf­ung quasi aus dem Nichts.

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