Die Traumjobs in der Kunstwelt
Die Welt der Kunst fasziniert – sie verspricht persönliche Freiheit, das Ausleben von Kreativität, Selbstverwirklichung und eine gute Dosis Glamour
Der Kunstmarkt ist für viele Menschen noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Was macht ihn einzigartig im Vergleich zu anderen Branchen? Kurz gesagt: Hier erfolgt die Wertschöpfung quasi aus dem Nichts, hier wird aus Mist und heißer Luft Gold gemacht. Diesen Zauber kann aber niemand allein vollziehen, sondern es braucht eine Vielzahl von Mitspielern und Mitspielerinnen, die arbeitsteilig das Wunderwerk vollbringen. Um welche Berufsbilder handelt es sich dabei?
Künstler und Künstlerin scheinen die wichtigsten Figuren in diesem Spiel zu sein, schließlich produzieren sie ja all die Gegenstände, Ideen und Konzepte, die bitte schön Kunst sein sollen. Allerdings reicht das nicht, sonst wäre ja jeder ein Künstler. Aus Basteleien, Fotos oder gemalten Bildchen wird nur Kunst, wenn jemand bereit ist, dafür zu bezahlen. Und zwar möglichst viel.
Hier kommen die Kunstsammler ins Spiel, vor allem sogenannte Groß- oder Supersammler. Ist Kunstkaufen ein Beruf? Ja und Nein. Meistens ist es ein Hobby vermögender Menschen, die schon anderswo ihr Einkommen erzielt haben. Ihnen macht es Spaß, zu shoppen, zu erbeuten und zu hamstern, das eigene Landhaus mit Warhols zu tapezieren oder gar ein Privatmuseum zu bestücken, das den eigenen Namen trägt! Dann können sie sich sagen: „Mein Name steht auf der Betonkiste und Alles ist meins was drin ist!“Im schlechtesten Fall ist die Kunstsammlung nur ein bloßes Anlageobjekt zur Portfoliodiversifizierung. Doch im besten Fall ist sie eine Lebensaufgabe – dann kommt das Kunstsammeln schon an eine Berufung heran.
Wer vermittelt die Kunstverkäufe? Die Galeristen und Galeristinnen. Sie bringen klassischerweise Kunst und Kunden zusammen, in ihren persönlichen Show Rooms. Gute Galeristen bauen Newcomer und Outsider behutsam auf und bringen sie mit verantwortungsvollen Käufern – also möglichst keinen Spekulanten – ins Geschäft. Gute Galeristen verkaufen nicht an jeden. Ebenso Top-Galeristen, für deren Blue-Chip-Kunst es Wartelisten und Schwarze Listen gibt. Ebenso dürfen nur TopGalerien auf Top-Kunstmessen, auch diese führen Wartelisten und Schwarze Listen.
Daneben gibt es auch eine Vielzahl von Kunsthändlern ohne physischen Verkaufsraum – Art Consultants, Berater, Art Broker und Kunstmakler aller Art, mehr oder weniger seriös. Versteigerungen, früher in Hinterzimmern abgehalten, haben mittlerweile einen hohen Unterhaltungswert. Daher sind manche
Auktionatoren zu regelrechten Stars geworden, die ebenso souverän wie reaktionsschnell mit Riesensummen jonglieren, bis die goldenen Manschettenknöpfe durch die Gegend fliegen. Auktionator ist sicher ein Traumjob – leider sind die Arbeitsplätze rar gesät.
Häufiger ist ein Kurator anzutreffen, vor allem der freiberufliche. Das lateinische Wort „Kurator“deckt ein ganzes Feld von Bedeutungen ab: pflegen, behandeln, besorgen, heilen, sich kümmern. Kuratoren und Kuratorinnen meinen es also gut mit der Kunst. Ist die Kunst krank und muss sie geheilt werden? Ein sehr schmeichelhaftes Selbstbild. Sicher ist: Erst durch Kuratoren wird die Kunst für die Öffentlichkeit fit gemacht. In der Realität sind freiberufliche Kuratoren und Kuratorinnen im schlechtesten Fall Beleuchter, Packer und Bilderaufhänger, im besten Fall selbstherrliche verhinderte Künstler, die mit geborgten Bildern ein neues Gesamtkunstwerk komponieren. Einige von ihnen haben es bereits zum Starkurator gebracht und leiten dann Großunternehmen wie die Biennale von Venedig oder die documenta in Kassel.
Während auf dem Kunstmarkt vor allem freiberufliche Kuratoren und Kuratorinnen tätig sind, gibt es in staatlichen Kunstmuseen und Nationalgalerien festangestelltes Personal, dort Konservatoren genannt. Auch hier ist die Zahl der Arbeitsplätze recht klein. Zusammen mit den ebenfalls wissenschaftlich ausgebildeten Museumsleitungen und Restauratoren bilden diese Museumsfachleute eine wichtige Macht, wenn es darum geht, den Wert von Kunst zu definieren – vor allem, wenn sie einen hohen Ankaufsetat verwalten. Zudem wird Kunst geadelt, wenn sie die Schwelle von der Verkaufsausstellung in der Galerie zum altehrwürdigen staatlichen Ausstellungshaus überschritten hat. Die Museumspatina wirkt sich direkt preissteigernd aus.
Als recht neues Berufsbild darf die Provenienzforschung gelten. Provenienzforscher und -forscherinnen zeigen die Wege auf, die Kunstwerke auf dem Kunstmarkt zurückgelegt haben. Vor allem geht es um historisch belastete und mit entsprechendem Verdacht belegte Werke, aus den Kategorien Raubkunst und Fälschung. Viele staatliche und kommunale Museen haben sich bereit erklärt, derartige Werke an die ursprünglichen Besitzer und ihre Erben zurückzugeben.
Kommen wir zum Berufsbild Kunstkritiker. Eine traditionell wichtige, heute stark geschrumpfte Machtposition haben freiberufliche oder für Leitmedien schreibende Kunstkritiker und Kunstkritikerinnen. Gemeinsam mit wohlhabenden und unabhängigen Kennern, sogenannten Gentlemen-Scolars und akademischen Geistesgrößen konnten sie lange Zeit durch Verrisse und Lobeshymnen die Wertentwicklung von Kunst beeinflussen und neue Trends erfinden. Heute handelt es sich bei Ihnen um gern gesehene, aber altmodische Randfiguren. Ein Verriss bewirkt heute nichts mehr, außer weitere Aufmerksamkeit und – ggf. weitere Preissteigerungen.
Die meisten Menschen mögen keine zeitgenössische Kunst. Einige von ihnen landen trotzdem im Museum. Dort werden sie von Kunstvermittlern und Kunstvermittlerinnen betreut, die geduldig die Kunst schön reden und existenzielle Fragen diskutieren, wie etwa: „Ist das Kunst oder kann das weg?“In der Regel gilt also: Kunstvermittlerinnen baden aus, was Künstler und Kuratoren verbockt haben.
Zum Schluss noch einige Worte zum Traumberuf Künstler. Der Kunstmarkt ist wie eine Pyramide aufgebaut. Es gibt eine breite Basis von Hobbykünstlern und von Leuten, die vielleicht hie und da etwas verkaufen, aber richtig großen Wohlstand und viel öffentliche Beachtung findet man nur oben an der Spitze. Es geht auch gar nicht anders: Es können ja nicht alle zu Stars werden!
Nun fragen sich natürlich viele: Wie komme ich an die Spitze der Pyramide? Da wären zunächst die beiden allerwichtigsten Voraussetzungen: möglichst vermögend sein oder aus einer Kunstsinnigen Familie stammen bzw. dort eingeheiratet haben. Am besten ist eine Kombination von Vermögen und Kunstsinnigkeit, ideal, wenn es Sammler, Museumsdirektoren, Kuratoren oder Kunsthändler in der Verwandtschaft gibt. Ansonsten wird es mit der Künstlerkarriere schwierig, aber nicht unmöglich.
Wer die folgenden Eigenschaften besitzt, hat ebenfalls ganz gute Chancen, durchzustarten: Etwa einen interessanten biografischen Hintergrund, gutes Aussehen und strategisches Denken. Zu letzterem gehört ein konsequentes Branding, d. h. die Fokussierung auf bestimmte Themen oder Techniken mit hohem Wiedererkennungswert – beispielsweise durch den Einsatz besonders edler, seltener oder ekelhafter Materialien. Zum strategisches Denken gehört die Fähigkeit zur nüchternen Analyse von Konkurrenz und Marktlücken. Angehende Topkünstler und -künstlerinnen sollten die kommunikativen Codes eines Milieus erkennen und rasch selbst anwenden können, um als dazugehörig zu gelten.
Im besonderen heißt das: Die Sprache der Sponsoren sprechen und Stipendien, Preise und Förderetats gewinnen, indem man die Mentalität der Jury, deren Lieblingsthemen und Lieblingsvokabeln erahnt. Und schließlich: Um Kunstmarkt-Überflieger zu werden, braucht man einen gewisses Quantum Narzissmus. Hier ist ein Menschenschlag gefragt, auf den durchaus die Diagnose einer „Narzisstischen Persönlichkeitsstörung“zutreffen könnte. Künstlerinnen und Künstler sollten also die Fähigkeit zur rückhaltlosen Selbstbewunderung haben. Nur dann sind sie kompatibel mit den anderen Berufsbildern und Playern des Kunstmarktes, die fast ausnahmslos eine sehr hohe Meinung von sich selbst haben.
Um KunstmarktÜberflieger zu werden, braucht man einen gewisses Quantum Narzissmus.
Erst durch Kuratoren wird die Kunst für die Öffentlichkeit fit gemacht.