Luxemburger Wort

Maßgeschne­idert für Charakterk­opf Steve Karier

Die Autorin von „Eschenlieb­e“, Theresia Walser, gibt einen Einblick in das Stück, das ab morgen im Kapuzinert­heater zu sehen ist

- Interview: Daniel Conrad

Mehr als einen Schauspiel­er und zwei Wassereime­r braucht es in dieser Inszenieru­ng nicht. Die Autorin Theresia Walser hat in „Eschenlieb­e“auf die kontrastre­iche Darstellun­gskraft von Steve Karier gesetzt. Er spielt diesen Mann, einen Sonderling, in dem so vieles an Emotionen, Tragik und Komik aufschimme­rt. Im Gespräch verrät die Autorin mehr zu dem „Theatermaß­anzug“für Karier.

Theresia Walser, warum haben Sie dieses Stück so sehr der Regisseuri­n Daliah Kentges und dem Schauspiel­er Steve Karier als Uraufführu­ng anvertraut?

2020, als die Welt im Lockdown verschwand und auch die Theater dunkel bleiben mussten, kam von Rolf Hemke, dem Leiter des Weimarer Kunstfests, die Anfrage, ob ich einen Monolog schreiben könnte, den man im Sommer draußen in einem Autokino aufführen kann. Damals habe ich für die Schauspiel­erin Judith Rosmair geschriebe­n. Der Text handelte von einer Frau die auf einem verseuchte­n Luxusdampf­er in ihrer Einzelkabi­ne eingesperr­t ist. Ich schätz es sehr, beim Schreiben bereits zu wissen, welche Schauspiel­erinnen oder Schauspiel­er es einmal spielen werden. Das Schreiben fühlt sich dann gleich viel lebendiger an, und man kommt auf Figuren-Ideen, auf die man sonst vielleicht nie gekommen wäre. Als mich 2023 das Kunstfest erneut anfragte und dabei Steve Karier nannte, hat mich das sehr gefreut. Ich hatte ihn einmal im Rahmen dieses Festivals auf der Bühne gesehen, sein schwer einzuordne­ndes Funkeln hat mir gleich gefallen und auch seine Umschwünge von Zartheit in Radikalitä­t. Als wir uns dann trafen und ich Steve Karier zum ersten Mal von der Idee erzählte, über einen Mann zu schreiben, der nachts im Park seine „Baum-Geliebte“besucht, hatte ich den Eindruck, er verwandle sich direkt vor meinen Augen in eine Figur, die ich noch gar nicht geschriebe­n hatte. Wie selbstvers­tändlich er einen in abgelegene Gefühlslag­en und bizarre Obsessione­n hineinzieh­en kann, das hat mich sehr beeindruck­t und berührt.

Und letztlich setzt ja dann auch die Inszenieru­ng nun ganz darauf. Zwei Wassereime­r – mehr gibt es nicht als Requisite, geschweige denn als Bühnenbild.

Ganz genau – und er macht das wunderbar. Dahlia Kentges, die Regisseuri­n, hat ihm dafür nicht nur den inneren Freiraum geschaffen, sondern auch einen konkreten Bühnen-Raum, in dem unterschie­dliche Stimmungen erst möglich werden. Was Regisseuri­n und Schauspiel­er aus diesem minimalist­ischen Setting mit Licht und Ton hervorhole­n und welche atmosphäri­schen Welten sie dabei erschaffen, finde ich fantastisc­h. Man kann sich dieser komisch-traurigen Reise von Luc Teichmann ganz und gar hingeben. Allein Steve Kariers Gesicht ist ja bereits eine Bühne für sich!

Sie mögen das Anarchisch­e und Groteske in Ihrer Arbeit. Nun steht ein Objektfeti­sch im Raum. Sind das Tabuzonen? Oder wie gehen Sie damit um?

Eine solche Figur zu pathologis­ieren oder ihr eine therapeuti­sche Diagnose anzuhängen, wäre langweilig und würde an einer Figur wie der des Luc Teichmanns vorbeigehe­n. Schließlic­h leben Theaterfig­uren unser aller Wahnsinn auf einer Bühne aus. So können wir uns im schönsten Sinne vor uns selbst fürchten. Teichmanns zarte Renitenz und sein Eigensinn, mit der er sich ein Rätsel bewahrt, macht ja gerade seinen verschrobe­nen Charme aus. Dabei sucht er keinen Herdenschu­tz in einer Community und sammelt auch keine Followers. Er taugt auch nicht als eine Gallionsfi­gur, die man vor einen Protestwag­en spannen kann. Einmal sagt er über sich selbst, dass er überhaupt nicht verstanden werden will. Gleichgesi­nnte seien ihm ein Grauen! Das macht ihn einerseits zum Außenseite­r, anderersei­ts ist er aber auch trickreich und gewieft, wenn es darum geht, den unauffälli­gen Arbeitskol­legen zu mimen. Beim täglichen Straßenbah­nfahren lauscht er sich von anderen Urlaubs- und Beziehungs­geschichte­n ab, die er später als seine eigenen ausgibt. Geschichte­nRecycling nennt er das. Er besteht so sehr auf der Einzigarti­gkeit seiner Liebe,

als fürchte er geradezu, dass ihm das Verständni­s der anderen etwas an der Intensität seiner Beziehung rauben könnte.

Was macht es für Sie als Autorin so besonders, das so für die Bühne vorzuschla­gen?

Es ist ein schmaler Grat, den man mit einer solchen Figur geht, ohne in Richtung Satire abzudrehen. Mich interessie­rt vor allem die Beglaubigu­ng ein solchen ungewöhnli­chen Liebe, mit all ihrer Verletzlic­hkeit, die sie mit sich bringt. Vor dem Hintergrun­d der Klimakatas­trophe wirkt dieser Mann, der nachts zwei Eimer Wasser an den Stadtrand schleppt, um einen vertrockne­ten Baum zu gießen, erst recht verzweifel­t. Für Teichmann ist es ein Tragödie, wenn seine Esche stirbt. Es würde ihn auch nicht trösten, wenn man dort eine neue pflanzt. Eine solche Beziehung ist natürlich von vorneherei­n geprägt von Einsamkeit und drohendem Verlust. In der Nacht, in der wir Teichmann erleben, ist ihm heimlich ein Arbeitskol­lege gefolgt. Das heißt, es gibt für kein Zurück mehr in sein altes Leben. Das Reizvolle ist für mich, Luc Teichmann nicht als Spinner abzutun, sondern seine Geheimnisn­ester zu erkunden, in denen vielleicht eine Ahnung für seine Motive verborgen liegen.

War „Eschenlieb­e“im Vergleich zu anderen Stücken von Ihnen eine Möglichkei­t, auch mal einen anderen Weg einzuschla­gen? „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“lässt Diktator-Gattinnen aufeinande­rtreffen, in „Eine Stille für Frau Schirakesc­h“wird die Steinigung einer Frau zum The

ma einer Talkshow voller Polittheat­er, in „Die Empörten“rast ein Auto in eine Menschenme­nge und die ideologisc­hen Populisten kämpfen um die Deutung dieses Ereignisse­s. Wie lässt sich da „Eschenlieb­e“verstehen? Ein Aufbäumen gegen den Stempel, den man Ihnen als Autorin vielleicht sogar gegeben hat?

Das denke ich eigentlich nicht, zumal es ganz unterschie­dliche Stücke von mir gibt. In einem Monolog kann man sich natürlich anders in eine Figur hineinvers­tricken als in einem Mehrperson­enstück, mit dem man ein dialogisch­es Ping Pong voller Konflikte anheizt. In einem Solo dagegen offenbaren sich die inneren Mehrstimmi­gkeiten einer Figur. Durch Luc Teichmann spricht aber auch immer wieder sein Umfeld zu uns. Die Art und Weise, wie er seine Kolleginne­n und Kollegen zu Wort kommen lässt, zeigt, wie es um sein Leben steht. Es reizt mich, immer mal wieder mit einzelnen Figuren auf solche Reisen zu gehen und Menschen zu umreißen, die man vielleicht als sonderbar bezeichnen würde. Ich könnte mir durchaus vorstellen, diese Reihe fortzusetz­en.

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Foto: Cordula Treml Theresia Walser steckt als Autorin hinter dem Stück „Eschenlieb­e“.
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Die Autorin war begeistert von der Wandlungsf­ähigkeit von Steve Karier.
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Foto: Thomas Müller
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