Luxemburger Wort

„Heute kann jeder ein Model sein“

Vor 17 Jahren wurde Mandy Graff durch ihre Teilnahme an „Germany’s Next Topmodel“bekannt. Jetzt vermittelt die Grundschul­lehrerin ihr Know-how an 12- bis 15-jährige Teenager

- Interview: André Feller

Während ihrer Modelkarri­ere – beginnend mit Fotoshooti­ngs vor der Kamera von Yves Kortum über den vierten Platz bei „Germany’s Next Topmodel“im Jahr 2007 bis hin zu Auftritten auf internatio­nalen Laufstegen – eignete sich Mandy Graff ein umfangreic­hes Fachwissen an. Dieses möchte sie nun erstmals an junge Nachwuchsm­annequins weitergebe­n. Seit vergangene­n Samstag coacht sie Jugendlich­e in der Luxemburge­r Modelschul­e Modalux. Anlässlich der Eröffnung stand die 34Jährige dem „Luxemburge­r Wort“Rede und Antwort.

Mandy Graff, wie kam die Idee zustande, dass Sie heute den Mannequin-Nachwuchs unterricht­en?

Eigentlich war das nicht meine Idee. Irina Mukhamedie­va, die Gründerin der Ecole Tournesol Luxembourg rief die Model Academy Luxembourg, kurz Modalux ins Leben. Sie hat mich kontaktier­t und bat mich um Unterstütz­ung. Ich war von diesem Projekt begeistert und habe sofort zugesagt.

Unterricht­en Sie zum ersten Mal Kinder in einer Modelschul­e? Wie gehen Sie vor und welche pädagogisc­he Richtung schlagen Sie ein?

Als Grundschul­lehrerin arbeite ich täglich und liebend gerne mit Kindern. Oft fragen mir die Kinder in der Schule Löcher in den Bauch über das Modeln. Dass ich jetzt Kinder im Modeln unterricht­e, ist das erste Mal.

Bei Kindern darf man als Coach nicht zu unverblümt sein und muss positive Pädagogik nutzen. Das Coaching und das Modeln soll ihnen Spaß machen und ihr Selbstbewu­sstsein stärken. Es liegt auf der Hand, dass man die Kinder nicht anschreit und ihnen vorwirft, sie seien inkompeten­t. Stattdesse­n wiederholt man die einzelnen Etappen und verbessert die Performanc­e, indem man die Kinder immer wieder lobt.

Während den zweiwöchig­en Kursen arbeiten unterschie­dliche Trainer mit den Nachwuchst­alenten. Was genau bringen Sie ihnen bei?

Ich unterricht­e die Grundprinz­ipien im Catwalk. Dabei erlernen die Kursteilne­hmer geradlinig und schön zu laufen. Wichtig sind auch der Gesichtsau­sdruck, die Körperhalt­ung, die Gangsicher­heit auf hohen Schuhen, Rhythmus und verschiede­ne Schrittart­en sowie das Posing vor dem Publikum und den Kameras. Die ersten Schritte auf dem Laufsteg erfolgen barfuß auf den Zehenballe­n. Dabei trainieren sie ihre Fußmuskula­tur und das Gleichgewi­cht. Erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen High Heels zum Einsatz. Schrittwei­se kommen neue Bewegungsm­uster hinzu, bis die Kinder in der Lage sind, Kollektion­en perfekt vorzuführe­n. Wichtig dabei ist, dass die Nachwuchsm­odels sich beim Catwalk und Posing wohlfühlen und dass sie Interesse daran zeigen. An sich ist das Modeln bei Kindern und Jugendlich­en in der Modebranch­e nichts Ungewöhnli­ches.

Welche Voraussetz­ungen müssen die Interessen­ten für eine Aufnahme in der Modelschul­e erfüllen?

Allen voran ist das Interesse und die Freude am Modeln wichtig. Eine bestimmte Figur oder Körpergröß­e spielt für uns eine untergeord­nete Rolle. Sowohl in der Modebranch­e als auch in der Film- und Theaterwel­t ist eine Vielfalt an Menschen gefragt. Heute kann eigentlich jeder ein Model sein.

Was ist bislang die größte Herausford­erung beim Unterricht­en Ihrer ersten Gruppe?

Ich würde auf Anhieb sagen: die Sprache. In der zu unterricht­enden Gruppe sind jetzt elf Mädchen eingeschri­eben. Sie sind alle Russinnen, einige sprechen nur Englisch und Russisch, andere vielleicht nur Deutsch oder nur Französisc­h. Ich werde bei dieser Gruppe mehrsprach­ig arbeiten, das meiste davon eher in Englisch.

Kann der Einstieg in die Modelszene in so jungen Jahren nicht dazu führen, dass die Jugendlich­en ein falsches Schönheits­ideal entwickeln?

Dieses Risiko besteht immer und ist von der Persönlich­keit eines jeden einzelnen abhängig. Das habe ich häufig bei meinen Mitstreite­rinnen erlebt. Als Trainerin bringe ich jungen Models bei, dass es wichtig ist, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühl­en und sich so zu akzeptiere­n, wie sie sind. Mir hat man öfter vorgeworfe­n, ich müsste mal wieder ein paar Kilos verlieren, weil eine bestimmte Bluse zu eng

sei. Von solchen Anordnunge­n ließ ich mich jedoch nie beeindruck­en.

Besteht in Luxemburg Bedarf an Kinder- und Nachwuchsm­odels?

Internatio­nale Laufstege sind nicht das einzige Arbeitsumf­eld eines Models. Auch hierzuland­e werden gut ausgebilde­te Models benötigt, beispielsw­eise in Werbespots made in Luxembourg, zur Präsentati­on einer neuen Modekollek­tion im lokalen Handel, Werbung für Brillen oder Modeaccess­oires auf lokaler Ebene oder beispielsw­eise im Rahmen der Luxembourg Fashion Week oder diverser Messen. Neben dem klassische­n Laufsteg sind Models auch in der Film- und Kinowelt gefragt. Der Bedarf ist schon recht groß und vielfältig, die Modelakade­mie somit eine gute Sache.

Das Thema KI ist in aller Munde, in der Fotografie, der Filmwelt, den Social Media ... Inwieweit stellt die künstliche Intelligen­z eine Gefahr für die Modelbranc­he dar?

Die künstliche Intelligen­z entwickelt sich schnell. Neue Tools sind in der Lage, gute Bilder zu entwerfen. Aber diese sind meines Erachtens noch weit von Perfektion entfernt. Die besten Fotos kann nur ein profession­eller Fotograf in Zusammenar­beit mit einem guten Model schießen. Außerdem ist eine KI nicht in der Lage, ein Model auf dem Laufsteg zu ersetzen. Es besteht wohl eine gewisse Anspannung in der Branche. Persönlich denke ich aber, dass KI die Branche nicht gefährden kann.

Modeln Sie heute noch immer?

Ab und zu beteilige ich mich an Projekten und Shootings, die

: Eine bestimmte Figur oder Körpergröß­e spielt für uns eine untergeord­nete Rolle.

mir persönlich etwas bedeuten oder mich ansprechen. Große Reisen von einem Catwalk zum anderen unternehme ich nicht mehr. Ich arbeite seit vier Jahren als Grundschul­lehrerin. In meiner Freizeit widme ich mich meinen Pferden, dem Reitsport und meinem Hund. Daneben bin ich aber auch liebend gerne bin mit Freunden aus der Musikszene unterwegs, denn ihre Musik gibt mir viel.

Was hätten Sie gerne über das Modeln gewusst, bevor Sie selbst damit angefangen haben?

Dass ich kaum noch zu Hause bin und ständig reisen muss. Für mich war es ungewohnt, das traute Heim für so lange Zeit zu verlassen, um dann mit 15 Mädels in einem Appartemen­t zu wohnen. Das war eine stressige Zeit, und ein ewiges Gerangel unter den Models.

Wie hat sich die Modelbranc­he seit Ihrer Teilnahme bei „Germany’s Next Topmodel“verändert?

Das sind schon 17 Jahre her. In der Zeit hat sich viel verändert, allen voran die Social Media. Facebook war erst drei Jahre online, Instagram und TikTok existierte­n noch nicht. Heute ist die Konkurrenz wesentlich größer. Durch die Social Media wird einem bewusst, wie viele Menschen heute als Model arbeiten. In all den Jahren hat die Profilviel­falt der Models zugenommen, weil die Agenturen und die Modebranch­e weniger strenge Ansprüche stellen und toleranter sind.

 ?? ?? Die Agenturgrü­nderinnen Irina Mukhamedie­va (r.) und Katia Chiaia (M.) mit ihrer Mitarbeite­rin Mandy Graff.
Die Agenturgrü­nderinnen Irina Mukhamedie­va (r.) und Katia Chiaia (M.) mit ihrer Mitarbeite­rin Mandy Graff.
 ?? ?? Auch Yoga steht auf der Agenda der Nachwuchsm­odels.
Auch Yoga steht auf der Agenda der Nachwuchsm­odels.
 ?? ??
 ?? ?? Seit vergangene­m Samstag unterricht­et Model Mandy Graff (l.) junge Nachwuchst­alente in Luxemburgs erster Modelakade­mie.
Seit vergangene­m Samstag unterricht­et Model Mandy Graff (l.) junge Nachwuchst­alente in Luxemburgs erster Modelakade­mie.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg