„Heute kann jeder ein Model sein“
Vor 17 Jahren wurde Mandy Graff durch ihre Teilnahme an „Germany’s Next Topmodel“bekannt. Jetzt vermittelt die Grundschullehrerin ihr Know-how an 12- bis 15-jährige Teenager
Während ihrer Modelkarriere – beginnend mit Fotoshootings vor der Kamera von Yves Kortum über den vierten Platz bei „Germany’s Next Topmodel“im Jahr 2007 bis hin zu Auftritten auf internationalen Laufstegen – eignete sich Mandy Graff ein umfangreiches Fachwissen an. Dieses möchte sie nun erstmals an junge Nachwuchsmannequins weitergeben. Seit vergangenen Samstag coacht sie Jugendliche in der Luxemburger Modelschule Modalux. Anlässlich der Eröffnung stand die 34Jährige dem „Luxemburger Wort“Rede und Antwort.
Mandy Graff, wie kam die Idee zustande, dass Sie heute den Mannequin-Nachwuchs unterrichten?
Eigentlich war das nicht meine Idee. Irina Mukhamedieva, die Gründerin der Ecole Tournesol Luxembourg rief die Model Academy Luxembourg, kurz Modalux ins Leben. Sie hat mich kontaktiert und bat mich um Unterstützung. Ich war von diesem Projekt begeistert und habe sofort zugesagt.
Unterrichten Sie zum ersten Mal Kinder in einer Modelschule? Wie gehen Sie vor und welche pädagogische Richtung schlagen Sie ein?
Als Grundschullehrerin arbeite ich täglich und liebend gerne mit Kindern. Oft fragen mir die Kinder in der Schule Löcher in den Bauch über das Modeln. Dass ich jetzt Kinder im Modeln unterrichte, ist das erste Mal.
Bei Kindern darf man als Coach nicht zu unverblümt sein und muss positive Pädagogik nutzen. Das Coaching und das Modeln soll ihnen Spaß machen und ihr Selbstbewusstsein stärken. Es liegt auf der Hand, dass man die Kinder nicht anschreit und ihnen vorwirft, sie seien inkompetent. Stattdessen wiederholt man die einzelnen Etappen und verbessert die Performance, indem man die Kinder immer wieder lobt.
Während den zweiwöchigen Kursen arbeiten unterschiedliche Trainer mit den Nachwuchstalenten. Was genau bringen Sie ihnen bei?
Ich unterrichte die Grundprinzipien im Catwalk. Dabei erlernen die Kursteilnehmer geradlinig und schön zu laufen. Wichtig sind auch der Gesichtsausdruck, die Körperhaltung, die Gangsicherheit auf hohen Schuhen, Rhythmus und verschiedene Schrittarten sowie das Posing vor dem Publikum und den Kameras. Die ersten Schritte auf dem Laufsteg erfolgen barfuß auf den Zehenballen. Dabei trainieren sie ihre Fußmuskulatur und das Gleichgewicht. Erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen High Heels zum Einsatz. Schrittweise kommen neue Bewegungsmuster hinzu, bis die Kinder in der Lage sind, Kollektionen perfekt vorzuführen. Wichtig dabei ist, dass die Nachwuchsmodels sich beim Catwalk und Posing wohlfühlen und dass sie Interesse daran zeigen. An sich ist das Modeln bei Kindern und Jugendlichen in der Modebranche nichts Ungewöhnliches.
Welche Voraussetzungen müssen die Interessenten für eine Aufnahme in der Modelschule erfüllen?
Allen voran ist das Interesse und die Freude am Modeln wichtig. Eine bestimmte Figur oder Körpergröße spielt für uns eine untergeordnete Rolle. Sowohl in der Modebranche als auch in der Film- und Theaterwelt ist eine Vielfalt an Menschen gefragt. Heute kann eigentlich jeder ein Model sein.
Was ist bislang die größte Herausforderung beim Unterrichten Ihrer ersten Gruppe?
Ich würde auf Anhieb sagen: die Sprache. In der zu unterrichtenden Gruppe sind jetzt elf Mädchen eingeschrieben. Sie sind alle Russinnen, einige sprechen nur Englisch und Russisch, andere vielleicht nur Deutsch oder nur Französisch. Ich werde bei dieser Gruppe mehrsprachig arbeiten, das meiste davon eher in Englisch.
Kann der Einstieg in die Modelszene in so jungen Jahren nicht dazu führen, dass die Jugendlichen ein falsches Schönheitsideal entwickeln?
Dieses Risiko besteht immer und ist von der Persönlichkeit eines jeden einzelnen abhängig. Das habe ich häufig bei meinen Mitstreiterinnen erlebt. Als Trainerin bringe ich jungen Models bei, dass es wichtig ist, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen und sich so zu akzeptieren, wie sie sind. Mir hat man öfter vorgeworfen, ich müsste mal wieder ein paar Kilos verlieren, weil eine bestimmte Bluse zu eng
sei. Von solchen Anordnungen ließ ich mich jedoch nie beeindrucken.
Besteht in Luxemburg Bedarf an Kinder- und Nachwuchsmodels?
Internationale Laufstege sind nicht das einzige Arbeitsumfeld eines Models. Auch hierzulande werden gut ausgebildete Models benötigt, beispielsweise in Werbespots made in Luxembourg, zur Präsentation einer neuen Modekollektion im lokalen Handel, Werbung für Brillen oder Modeaccessoires auf lokaler Ebene oder beispielsweise im Rahmen der Luxembourg Fashion Week oder diverser Messen. Neben dem klassischen Laufsteg sind Models auch in der Film- und Kinowelt gefragt. Der Bedarf ist schon recht groß und vielfältig, die Modelakademie somit eine gute Sache.
Das Thema KI ist in aller Munde, in der Fotografie, der Filmwelt, den Social Media ... Inwieweit stellt die künstliche Intelligenz eine Gefahr für die Modelbranche dar?
Die künstliche Intelligenz entwickelt sich schnell. Neue Tools sind in der Lage, gute Bilder zu entwerfen. Aber diese sind meines Erachtens noch weit von Perfektion entfernt. Die besten Fotos kann nur ein professioneller Fotograf in Zusammenarbeit mit einem guten Model schießen. Außerdem ist eine KI nicht in der Lage, ein Model auf dem Laufsteg zu ersetzen. Es besteht wohl eine gewisse Anspannung in der Branche. Persönlich denke ich aber, dass KI die Branche nicht gefährden kann.
Modeln Sie heute noch immer?
Ab und zu beteilige ich mich an Projekten und Shootings, die
: Eine bestimmte Figur oder Körpergröße spielt für uns eine untergeordnete Rolle.
mir persönlich etwas bedeuten oder mich ansprechen. Große Reisen von einem Catwalk zum anderen unternehme ich nicht mehr. Ich arbeite seit vier Jahren als Grundschullehrerin. In meiner Freizeit widme ich mich meinen Pferden, dem Reitsport und meinem Hund. Daneben bin ich aber auch liebend gerne bin mit Freunden aus der Musikszene unterwegs, denn ihre Musik gibt mir viel.
Was hätten Sie gerne über das Modeln gewusst, bevor Sie selbst damit angefangen haben?
Dass ich kaum noch zu Hause bin und ständig reisen muss. Für mich war es ungewohnt, das traute Heim für so lange Zeit zu verlassen, um dann mit 15 Mädels in einem Appartement zu wohnen. Das war eine stressige Zeit, und ein ewiges Gerangel unter den Models.
Wie hat sich die Modelbranche seit Ihrer Teilnahme bei „Germany’s Next Topmodel“verändert?
Das sind schon 17 Jahre her. In der Zeit hat sich viel verändert, allen voran die Social Media. Facebook war erst drei Jahre online, Instagram und TikTok existierten noch nicht. Heute ist die Konkurrenz wesentlich größer. Durch die Social Media wird einem bewusst, wie viele Menschen heute als Model arbeiten. In all den Jahren hat die Profilvielfalt der Models zugenommen, weil die Agenturen und die Modebranche weniger strenge Ansprüche stellen und toleranter sind.