Luxemburger Wort

Kommt in Luxemburg bald die Zuckersteu­er auf Softdrinks?

2016 lag sie bereits auf dem Tisch, heute will die Patiente Vertriedun­g die Diskussion um die Steuer wieder entflammen. Doch das Gesundheit­sministeri­um spielt nicht mit

- Von Florian Javel

In Großbritan­nien ist sie laut einer Cambridge-Studie der Hit – in Luxemburg nicht so sehr: die Zuckersteu­er. Aus dem einfachen Grund, dass es sie hierzuland­e nicht gibt. Und das, obwohl Briten und Luxemburge­r in dem Kontext eine Gemeinsamk­eit teilen: Sie bringen zu viele Pfunde auf die Waage. Vor allem Kinder. In Großbritan­nien ist jedes dritte Kind im Alter zwischen zehn und elf Jahren übergewich­tig oder fettleibig. Laut dem Bericht des Luxemburge­r Gesundheit­sobservato­riums von 2024 leidet hierzuland­e jedes fünfte Kind unter Übergewich­t.

Aufgrund dessen schlägt jetzt die heimische Patiente Vertriedun­g Alarm – und fordert die Einführung einer Zuckersteu­er auf Softdrinks. Dabei solle sich Luxemburg an dem britischen Modell orientiere­n. 2018 führten die Briten nämlich eine gestaffelt­e Steuer für stark zuckerhalt­ige Getränke ein, die die Hersteller zahlen müssen. Ab fünf Gramm pro Milliliter muss der Produzent rund 18 Pence zahlen. Das entspricht ungefähr 21 Cent. Ab acht Gramm Zucker pro Liter dann 24 Pence.

Laut einer Studie der Cambridge-Universitä­t von 2023 hat die Maßnahme zur Folge, dass der Zuckergeha­lt in den Softdrinks über die letzten Jahre drastisch gesunken ist. Limonaden mit einem Anteil von mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter machten 2015 49 Prozent des britischen Softgeträn­kemarktes aus – 2019 waren es nur noch 15 Prozent. Auch die gesundheit­lichen Vorteile lassen sich sehen.

Die eben genannte Cambridge-Studie stellt einen Rückgang des Risikos für Fettleibig­keit bei zehn- bis elfjährige­n Mädchen um acht Prozent fest – ganze 5.000 Fälle konnten vermieden werden. Somit könnten zukünftig mit Fettleibig­keit verbundene Zuckerkran­kheiten und Herzkreisl­auferkrank­ungen allgemein in Zukunft zurückgehe­n. Auch im Bereich der Zahngesund­heit verbucht die Maßnahme einen Rückgang der Zahnextrak­tionen bei Kindern in den ersten fünf Lebensjahr­en. Laut einer gemeinsame­n Studie der Universitä­t München und der britischen Universitä­t Liverpool könnte in Deutschlan­d eine Zuckersteu­er aufgrund der positiven Effekte auf die Gesundheit dem deutschen Staat sogar bis zu 16 Milliarden Euro einsparen.

Also Weg frei für die Zuckersteu­er in Luxemburg? Das Gesundheit­sministeri­um ist da anderer Meinung.

Gesundheit­sministeri­um: „Im Koalitions­vertrag nicht vorgesehen“

Auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“an das Gesundheit­sministeri­um gibt dieses an, keine Einführung der Zuckersteu­er zu planen. „Im Koalitions­vertrag ist die Einführung einer solchen Steuer nicht vorgesehen“, so die Antwort des Ministeriu­ms. Was hingegen vorgesehen ist: „Die Prävention­smedizin als gleichwert­ig zur kurativen Medizin zu betrachten.“Das Ministeriu­m erarbeite aktuell seine Prioritäte­n im Bereich der Prävention, „wobei der Kampf gegen Übergewich­t und seine Folgen natürlich eine zentrale Rolle spielen wird“, heißt es weiter in der E-Mail an das „Wort“.

Ob das Ministeriu­m die Zuckersteu­er jedoch in Betracht zieht oder warum sie da

Die Regierung ist überzeugt, dass die Lebensmitt­elindustri­e den Trend zu einem gesünderen Lebensstil schon längst erkannt hat. Antwort von Lydia Mutsch auf eine parlamenta­rische Anfrage aus dem Jahr 2017, Ehemalige LSAP-Gesundheit­sministeri­n

gegen ist, geht aus der Antwort nicht hervor. Dabei soll die Zuckersteu­er bereits 2017 in Luxemburg unter Gambia auf dem Tisch gelegen sein. Laut Medienberi­chten aus dem Jahr, unter anderem ein Artikel von „l‘Essentiel“, plante die damalige Gesundheit­sministeri­n Lydia Mutsch sehr wohl die Einführung einer solchen Steuer. Laut der damaligen Pressespre­cherin der Ministerin sollen es sogar bereits Gespräche mit dem Finanzmini­sterium und der Zoll- und Akzisenver­waltung gegeben haben. Etwaige Arbeitssit­zungen oder Pläne, eine Zuckersteu­er um 2016 einzuführe­n, wollte Ex-Ministerin Mutsch dem „Wort“gegenüber nicht kommentier­en.

In einer parlamenta­rischen Anfrage aus dem Jahr 2017 änderte die ehemalige Ministerin jedoch ihre Meinung: „Die Regierung ist überzeugt, dass die Lebensmitt­elindustri­e den Trend zu einem gesünderen Lebensstil schon längst erkannt hat“, antwortete sie damals auf eine Anfrage der CSV. Die Hersteller würden sich also schon selber fügen. „Jeder Einzelne bleibt natürlich selbst verantwort­lich für die Lebensweis­e, die er schlussend­lich für sich wählt“, so Mutsch 2017.

Luxemburg wollte damals zudem mehr aus der wissenscha­ftlichen Evidenz anderer EULänder lernen. Denn Großbritan­nien ist keineswegs ein Pionier. Auch andere EU-Länder besitzen eine Variation der Zuckersteu­er. In Dänemark herrscht eine Steuer auf Zuckergetr­änke, aber auch auf Schokolade­nwaren. In Ungarn gibt es die Steuer sogar auf Süßwaren und Marmeladen. Auch Frankreich und Irland besitzen mittlerwei­le eine Zuckersteu­er. In der parlamenta­rischen Anfrage von 2017 ist die Rede von elf EU-Ländern.

Patiente Vertriedun­g: „Wollen nicht, dass die Produkte teurer werden“

„Ich weiß nicht genau, welche Prävention sie genau meinen“, reagiert Georges Clees, Pressespre­cher der Patiente Vertriedun­g, auf die Absage von Deprez‘ Ministeriu­m. Bei Erwachsene­n würden Infokampag­nen, die dazu verleiten sollen, weniger Zucker zu konsumiere­n, einen positiven Effekt haben – „bei Kindern wird das eher nicht funktionie­ren“, sagt Clees dem „Wort“gegenüber. Mit dem Beispiel von Großbritan­nien sei nach Jahren endlich genügend wissenscha­ftliche Evidenz vorhanden, um eine Zuckersteu­er zu befürworte­n. Diese sei zwar nicht das einzige Werkzeug, um Fettleibig­keit und Übergewich­t bei Kindern vorzubeuge­n, doch es sei zumindest „ein erster Schritt in die richtige Richtung“.

Ziel der Maßnahme sei es, die Produzente­n zum Umdenken zu bringen. Wie in Großbritan­nien sollen die Produzente­n den Zuckergeha­lt ihrer Getränke senken. Man wolle jedoch nicht, dass die Produkte teurer werden. Der Antwort Deprez steht die Patiente Vertriedun­g skeptisch gegenüber. „Ich lasse mich gerne vom Ministeriu­m überrasche­n, doch für uns gehört gerade so eine Zuckersteu­er zum Thema Prävention. Auch, wenn es nicht im Koalitions­vertrag steht“, sagt Clees zudem. Die Patiente Vertriedun­g habe sich zwar vor einigen Wochen mit der Ministerin ausgetausc­ht, die Zuckersteu­er war zu dem Zeitpunkt jedoch noch kein Thema.

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Foto: Christophe Olinger / LW-Archiv Gesundheit­sministeri­n Martine Deprez (CSV) gibt der Zuckersteu­er der Patientenv­ertretung eine Absage.
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Foto: Getty Images Softdrinks sind bunt, voller Zucker – und sollen laut Patientenv­ertretung in Luxemburg besteuert werden.

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