Luxemburger Wort

Intelligen­ter Balanceakt

- Ines Kurschat

Minority Report“-Fans kennen die Filmszene: Polizisten in schwerer Montur brechen in ein Haus ein und verhaften einen Mann, der noch kein Verbrechen begangen hat, aber vielleicht will. Der gruselige HollywoodB­lockbuster stammt von 2002.

Zugegeben, es ist eine besondere Dystopie, wohin der Einsatz von Technologi­e und Daten führen kann; in Europa wird sie – wahrschein­lich – sobald nicht Wirklichke­it werden. Mit dem weltweit ersten umfassende­n Gesetz zur Regulierun­g von Künstliche­r Intelligen­z (KI), das die EU-Abgeordnet­en am Mittwoch im Straßburg verabschie­deten, sind Anwendunge­n wie das „Preventive Policing“verboten.

Das ist nur einer von vielen Vorzügen des 258-seitigen Gesetzes, das regelt, welche Anwendunge­n von künstliche­r Intelligen­z in Europa erlaubt sind und welche nicht. Besonders riskante Anwendunge­n, wie KI-generierte Deepfakes für politische Propaganda, sind verboten. Überhaupt soll die KI nicht allein entscheide­n, sondern immer von Menschen überwacht sein.

Die Tech-Riesen sind zudem angehalten, ihre Basismodel­le und die Trainingsd­aten (teilweise) offenzuleg­en, auf denen ihre KI-Programme basieren. Das ist wichtig, um grundrecht­liche Risiken einer Anwendung besser einschätze­n zu können. Der Balanceakt, technologi­schen Fortschrit­t zu ermögliche­n, und gleichzeit­ig Sicherheit­en für die Bürger einzubauen, damit ihre Grundrecht­e nicht mit der nächsten Innovation oder durch die nächste Regierung ausgehebel­t werden, ist die Prämisse, auf der das KI-Gesetz aufbaut.

Einiges spricht dafür, dass Brüssel damit erfolgreic­h sein könnte. Die Datenschut­zgrundvero­rdnung, über Jahre hart verhandelt wurde, galt zunächst als Regulierun­gsmonster und hat heute Vorbildcha­rakter. Apple und Microsoft haben in viele ihrer Produkte Funktionen integriert, die die Vorgaben aus Brüssel respektier­en. Wer auf dem EU-Markt Geschäfte machen will, muss sich EU-Regeln unterwerfe­n.

Der von Teilen der Wirtschaft vorgetrage­ne Einwand, dass Regulierun­g Innovation abwürge, stimmt so pauschal also nicht. Zumal die Bereiche Forschung und Entwicklun­g in weiten Teilen von der Verordnung ausklammer­t sind. KI-basierte Krebsforsc­hung, um ein Beispiel zu nennen, bleibt möglich. Dass in KI Gefahren lauern, haben die Tech-Firmen selbst zugegeben, als Elon Musk & Co vor einem Jahr werbewirks­am eine Entwicklun­gspause forderten.

Unberechti­gt sind Sorgen um zu viel Bürokratie aber nicht. Als problemati­sch für Startup-Unternehme­n könnte sich die Risikofolg­enabschätz­ung erweisen, die Firmen für ihre KI-Anwendunge­n vornehmen müssen, bevor diese auf dem Markt zugelassen werden. Denn die kostet.

Vielleicht aber ist das der Preis für einen Ansatz, der als „Brüsseler Formel“gepriesen wird – und von dem zu hoffen bleibt, dass er Schule machen wird. Inwieweit das klappt, wird der Praxistest zeigen. Der Wille, Grundrecht­e zu schützen, ohne die Vorteile von KI zu untergrabe­n, ist das Unterfange­n wert.

Besonders riskante KI-Anwendunge­n sind in Europa in Zukunft verboten.

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