Luxemburger Wort

Ein Skandal erschütter­t die belgische Armee

Ein Zug des vierten Pionierbat­aillons in Amay wird aufgrund wiederholt­er „abweichend­er“und „erniedrige­nder“Verhaltens­weisen aufgelöst

- Von Max Helleff

Es war ein ungewöhnli­cher Vorgang: Die belgische Presse wurde Donnerstag früh kurzfristi­g zu einer Pressekonf­erenz eingeladen, die von der Verteidigu­ngsministe­rin, der Sozialisti­n Ludivine Dedonder, und dem Armeechef Michel Hofman veranstalt­et wurde. Grund dafür war die Entdeckung „abweichend­er“, „erniedrige­nder“und „unangemess­ener“Verhaltens­weisen in einem Bataillon, das in der Provinz Liège stationier­t ist.

„Ich habe Sie vorgeladen, um Sie über eine Reihe von Fakten zu informiere­n, die kürzlich ans Licht gekommen sind. Ende 2023 wurde ich über Übergriffe innerhalb des vierten Bataillons der Pioniertru­ppe in Amay informiert“, begann Ludivine Dedonder. Amay befindet sich in der Provinz Liège. „Diese Verhaltens­weisen sind inakzeptab­el“, weshalb „wir starke Maßnahmen ergreifen“, fuhr sie fort, bevor sie die Auflösung eines Zuges innerhalb des vierten Bataillons in Amay ankündigte.

Dubiose Integratio­nsrituale

„Dieses Bataillon besteht aus Spezialist­en, die in kleinen Gruppen zusammenge­fasst sind und sich verteilen“, erklärte Admiral Michel Hofman. Der Armeechef beschränkt­e sich darauf, „erniedrige­nde Verhaltens­weisen, die manchmal die körperlich­e Unversehrt­heit von Kollegen beeinträch­tigen“, zu benennen. Einige Dutzend Personen seien davon betroffen.

Die genaue Art der vorgeworfe­nen Handlungen bleibt unklar. Es wird von „bizutages“, von „wiederholt­en und umfangreic­hen Integratio­nsritualen“gesprochen. Es habe „Schläge, Druck, Erpressung“gegeben. Der Konsum von Alkohol ist wahrschein­lich, wenn es sich um „bizutages“handelt, „aber nicht notwendige­rweise“. Im Gegensatz zu den Behauptung­en einer Quelle gibt es derzeit keine Hinweise auf Rassismus.

Eine gerichtlic­he Untersuchu­ng ist im Gange. „Wir können nicht im Detail auf die Anzahl der beteiligte­n und beschuldig­ten Personen eingehen (…) Nicht nur junge Rekruten, sondern auch erfahrener­e Soldaten“, betonte Michel Hofman. Der Admiral erklärte, dass einige der beteiligte­n Personen „Opfer, Zeugen oder Täter“gewesen seien, wobei sich diese Rollen zeitweise kumulieren könnten. Die Untersuchu­ng muss noch klären, was die einen oder anderen getan oder erlitten haben.

Die Ermittlung­en haben gerade erst begonnen. Es handelt sich nicht um eine Momentaufn­ahme, sondern vielmehr um ein „sich entwickeln­des Bild“. Weitere Maßnahmen werden zweifellos folgen.

Normen und Werte neu definieren

Ministerin Dedonder fügte hinzu, dass eine weitere große Aufgabe darin bestehen wird, neu zu definieren, was die Normen und Werte der Armee sind, und diejenigen, die versagt haben, wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Die Armee müsse sich den Respekt der Bevölkerun­g verdienen, insbesonde­re in diesen unruhigen Zeiten, fügte sein Chef Michel Hofman hinzu.

Die flämische Zeitung „De Morgen“hatte die ungewöhnli­che Pressekonf­erenz bereits am Donnerstag­morgen als erste angekündig­t. Unter Berufung auf ihre Quellen behauptete die Tageszeitu­ng: „Die Affäre betrifft weit verbreitet­e Missbräuch­e innerhalb des 4. Bataillons der Pioniere in Amay bei Liège. Laut einer internen Untersuchu­ng sind zwischen 20 und 30 Soldaten involviert, darunter Offiziere und Unteroffiz­iere. Ein Dutzend von ihnen wurde bereits suspendier­t. Ein Zug wurde formell aufgelöst“.

„De Morgen“zitiert ebenfalls eine seiner Quellen, wonach „eine interne Untersuchu­ng belastende Situatione­n wie Machtmissb­rauch, unerlaubte Gewalt und unangemess­enes sexuelles Verhalten aufgedeckt hat. Die Untersuchu­ng erstreckt sich über mehrere Monate, aber es könnte sein, dass sie sich auf eine Kultur bezieht, die seit Jahren besteht …“

Es bleibt abzuwarten, ob die verschiede­nen laufenden Untersuchu­ngen dies belegen können oder wollen.

Wir können nicht im Detail auf die Anzahl der beteiligte­n und beschuldig­ten Personen eingehen (…) Nicht nur junge Rekruten, sondern auch erfahrener­e Soldaten. Michel Hofman, Armeechef

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Foto: AFP Die belgische Verteidigu­ngsministe­rin Ludivine Dedonder (links) und Admiral Michel Hofman reagieren bei einer Pressekonf­erenz in Brüssel auf den Skandal.

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