Luxemburger Wort

„Mein ganzer Einsatz umsonst!“?

- Pater Theo Klein SCJ

Keinem Menschen bleibt es erspart, im Verlauf seines Lebens Erfahrunge­n zu machen, die an Frustratio­nen, Enttäuschu­ngen und sogar an Depression­en grenzen. Wir sind dann schnell versucht zu sagen: „Es war alles vergeblich, ich habe mich umsonst bemüht; ich bin nur älter und verbraucht­er geworden; ich kann meine Zeit nicht mehr zurücknehm­en; mein ganzer Einsatz war umsonst.“Auch im kirchliche­n und spirituell­em Leben können solche Gedanken auftreten. Es ist sehr früh im Christentu­m zu beobachten, dass man „eine dunkle Nacht der Sinne und des Geistes“(Johannes vom Kreuz) erleiden kann. Es gehört offenbar zu der Weise des Christsein­s dazu, dass es Zeiten der Ermattung gibt, Zeiten des Absterbens.

Der Hebräerbri­ef (5,7-9) kennt allerdings eine Therapie dafür. Es ist nicht ein moralische­r Appel oder ein pastorales Programm, sondern die Vertiefung der Beziehung zu Christus. Wie aber geht das? Der Hebräerbri­ef macht deutlich, wie man das macht: Er, der ganz aus Gott kommt, „wahrer Gott und wahrer Mensch“, hat hier unter den irdischen Bedingunge­n Tränen vergossen, er musste gehorchen, er musste leiden. Er musste lernen, die menschlich­e Kondition auf sich zu nehmen. Ist das auch unsere Wirklichke­it, in der sich Gott mit uns gleichmach­t, bis zu dem tiefsten Punkt wo wir sterben? „Das Weizenkorn muss sterben.“Genau an diesem Prozess setzt er seine Kraft frei und bringt neue Frucht. Wir werden immer wieder an diesen Punkt geführt. Diesen Punkt müssen wir wirklich erlauben, wenn unser eigenes Geschrei, unsere Tränen, unsere Verzweiflu­ng, unseren Blick auf die Passion Christi wieder deutlich werden muss. Augustinus kommentier­t dieses Evangelium: „Der Lohn für die Nachfolge ist mit ihm zu sein“– nicht mehr, aber keinesfall­s weniger. Genau darin liegt die große Kraft. Gott selber ist die Brücke. Es gibt keine Kluft mehr zwischen ihm und uns Menschen. Er lädt uns permanent ein über diesen Graben zu gehen. So können wir uns in die Wunden

und Schmerzen Jesu hineindenk­en, damit wir in diesen Wunden seinen eigenen Schmerz spüren. Wir sind in seinem Leiden und Sterben aufgehoben. Er gewährt uns Zuflucht. Viele Passionsli­eder laden uns dazu ein, dass wir zum Kreuz Jesu fliehen, das was uns zuerst abschreckt, wenn wir mal richtig hinschauen. Aber wenn wir wissen, wer dort leidet und warum, dann erkennen wir, dass genau dort unser Leben geborgen ist, dass es neue Frucht entfaltet, indem es sich gibt und scheinbar zu Grunde geht. An diesem toten Punkt entsteht neues Leben und wächst.

Das Leben fordert uns heraus. Ihm immer voll gerecht zu werden ist unmöglich. Aber wir können den Strom des Lebens lieben, uns freuen, weil alles immer wieder weitergeht. Es ist das Geheimnis des Lebens. Entdecken wird das Weizenkorn, das Christus und jeder von uns selber ist.

Der verstorben­e Kardinal von Köln, Joachim Meissner sagte: „Als Christen haben wir mehr Leben vor uns als hinter uns.“

Der Passionsso­nntag lädt uns bei allem Zweifel und Selbstzwei­fel ein, den Sinn durch das Weizenkorn, das sterben muss, zu entdecken. Das sterbende Weizenkorn ist ein zentraler Schlüssel für das Verständni­s des Ostergehei­mnisses. Die Worte Jesu wirken so befreiend und so „natürlich“, weil sie die lebendige Natur um uns herum beschreibe­n und ins Leben hineinhole­n. Die Natur hat sakramenta­len Charakter für das übernatürl­iche Leben. Lernen wir im Frühjahr über die Natur staunen, sowie über die Neuschöpfu­ng aus der Auferstehu­ng. Wir sind eingeladen uns auf das österliche Geheimnis einzulasse­n, das letztendli­ch das Projekt Gottes für uns Menschen ist. Der Blick für den größeren Zusammenha­ng macht frei und lässt uns mutig bleiben.

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Foto: Shuttersto­ck Enttäuschu­ngen gehören zum Leben und auch zum Glauben. Doch Verzweiflu­ng ist nicht das Ende, sagt das Evangelium. Es winkt ein Lohn für die Nachfolge Jesu.
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