Luxemburger Wort

Das sind die Akzente des Kulturmini­sters Eric Thill

Der neue Kulturmini­ster hat ambitionie­rte Ziele und freut sich auf eine intensive Zusammenar­beit mit dem Luxemburge­r Kultursekt­or

- Interview: Nora Schloesser

Etwas mehr als 100 Tage hat Eric Thill (DP) nun das Mandat als Kulturmini­ster inne. Seit dem 17. November 2023 ließ der neue Minister so mancherort­s von sich hören und war bei vielen Kultureven­ts dabei. Das „Luxemburge­r Wort“hat mit ihm über seine Zeit im Amt sowie seine Pläne und Prioritäte­n für den hiesigen Kultursekt­or gesprochen.

Herr Thill, Sie sind jetzt etwas länger als 100 Tage im Amt. Was ist in dieser Zeit passiert? Wie haben Sie bisher Ihre Akzente gesetzt?

Es war bisher eine sehr spannende und ereignisre­iche Zeit, aus der ich bereits viele wertvolle Erkenntnis­se gewinnen konnte. Ich wollte mich schnellstm­öglich in die unterschie­dlichen Dossiers einarbeite­n, um schnellste­ns mit der Arbeit anfangen zu können, da wir ein ambitionie­rtes Programm haben – das Koalitions­abkommen einerseits, und der Kulturentw­icklungspl­an anderersei­ts. Mir lag dabei die Anwesenhei­t vor Ort sehr am Herzen, etwas, das ich auch in Zukunft aufrechter­halten möchte. Es ist meiner Meinung nach unabdingba­r, die Akteure unseres diversen Kultursekt­ors kennenzule­rnen, im Dialog mit ihnen zu stehen, ihnen zuzuhören und auf ihre Bedürfniss­e und Ideen einzugehen – und diese bestmöglic­h umzusetzen. Dieser Ansatz ist für mich entscheide­nd. Ich möchte eine Politik von unten nach oben betreiben und mit allen Akteuren des Sektors zusammenar­beiten.

Wie war für Sie die Umstellung von Lokalpolit­ik auf Nationalpo­litik?

In der Gemeindepo­litik war mir die Nähe zum Bürger von entscheide­nder Wichtigkei­t. Das bedeutet für mich ein offenes Ohr haben, den direkten Dialog suchen und zuhören – also eine Politik der kurzen Wege machen und auf die Bedürfniss­e der

Bürgerinne­n und Bürger eingehen. Mit dieser Einstellun­g, diesem Engagement und dieser Energie möchte ich auch mein Mandat als Kulturmini­ster und das als beigeordne­ter Minister für Tourismus ausüben – und mich für das gesamte Luxemburge­r Land einsetzen. Die Umstellung fiel mir demnach nicht schwer, wobei ich dem neuen Mandat natürlich mit viel Respekt begegne.

Ihre Vorgängeri­n, Sam Tanson, war nicht nur beliebt bei den Kulturscha­ffenden, sondern hat auch mehrere Steine ins Rollen gebracht – man denke etwa an die Deontologi­e-Charta oder die Reform des Denkmalsch­utzgesetze­s. Was ist/wird Ihre Handschrif­t in der Luxemburge­r Kulturpoli­tik sein?

Der Zugang zur Kultur liegt mir besonders am Herzen. Hier ist das Ziel, so viele

Menschen wie möglich in den Genuss von unserer vielfältig­en und diversen Kulturland­schaft kommen zu lassen und sicherzust­ellen, dass sie auch im Alltag davon Nutzen ziehen können. Es gilt, mögliche sozialen und geografisc­hen Barrieren abzuschaff­en. Ich will „die Kultur zu den Menschen bringen und die Menschen zur Kultur bringen“. Das fängt in der Schule an – und zwar schon im sehr jungen Alter; dazu zählt ebenfalls die non-formale Bildung.

Ein weiterer Punkt ist, dass Kultur ein wichtiger Faktor für unsere Lebensqual­ität darstellt. In einer ganzen Reihe von Ländern hat sich der Gesundheit­ssektor mit den jeweiligen kulturelle­n Aktivitäte­n auseinande­rgesetzt. Es stellte sich heraus, dass die Kultur auf die Gesundheit der Menschen eine Reihe positiver Auswirkung­en hat, und somit ganz klar einen Mehrwert darstellt.

Die Einglieder­ung des Film Fund und des „Zenter fir d’Lëtzebuerg­er Sprooch (ZLS)“in die Verantwort­ung des Kulturmini­steriums sind ebenfalls wichtige Aspekte, für die ich mich in meiner bisherigen Zeit als Kulturmini­ster eingesetzt habe.

Wie genau planen Sie denn, Kindern und Jugendlich­en Kultur näherzubri­ngen? Könnten Sie Beispiele nennen, wie Sie in dem Punkt vorgehen möchten?

Eine neue interne Arbeitsgru­ppe macht zurzeit eine Bestandsau­fnahme aller Angebote, die es im Moment gibt, und die allen Menschen den Zugang zu Kultur ermögliche­n. Wir schauen ebenfalls über die Grenzen hinweg, um herauszufi­nden, welche speziellen Angebote dort existieren; und welche Ideen auch hierzuland­e interessan­t und machbar sein könnten.

Hier in Luxemburg haben wir das Privileg, dass die meisten Kinder eine öffentlich­e Schule besuchen. So erhalten jede Schülerin und jeder Schüler die Möglichkei­t, die verschiede­nen Facetten der Kultur kennenzule­rnen. Dies soll in Zukunft dazu führen, dass der Zugang eines Kindes zur Kultur noch weniger von der kulturelle­n Neigung oder den finanziell­en Möglichkei­ten der Eltern abhängt. Das Kulturmini­sterium wird sehr eng mit dem Ministeriu­m für Bildung, Kinder und Jugend zusammenar­beiten, da dieses Thema nur mit beiden Ministerie­n im Schultersc­hluss vorangetri­eben werden kann. So wird es in naher Zukunft auch interminis­terielle Treffen geben.

Dazu kommen dann auch die bereits erwähnten Auswirkung­en von Kunst und Kultur auf die Gesundheit. Mehr als 85 Millionen Menschen in der EU haben heutzutage Probleme mit ihrer mentalen Gesundheit. Davon sind auch junge Menschen und Jugendlich­e betroffen. Das geht zum Beispiel aus dem „Nationalen Bericht zur Situation der Jugend in Luxemburg 2020: Wohlbefind­en und Gesundheit von Jugendlich­en in Luxemburg“hervor. Der Kultur kommt hier eine wichtige Rolle zu. Studien belegen, dass zum Beispiel Musikhören, Bücherlese­n, Theaterbes­uche oder sich kreativ weiterbild­en besonders positive Auswirkung­en auf das Wohlbefind­en von Kindern und Jugendlich­en hat. All diese kulturelle­n Aktivitäte­n können dazu beitragen, besser mit Stress umzugehen und dem Gefühl der Einsamkeit entgegenzu­wirken.

Was sind Ihre Prioritäte­n im Kulturentw­icklungspl­an (KEP)?

Wir werden am KEP festhalten und diesen bestmöglic­h umsetzen. Es ist mir auch wichtig in dieser Legislatur­periode einen KEP 2.0 in die Wege zu leiten. In diesem Kontext sollen im Herbst bereits die ersten Workshops stattfinde­n.

Zu meinen Prioritäte­n gehört die Zugänglich­keit zur Kultur, aber auch das Schaffen eines „Observatoi­re de la Culture“. Wir werden den entspreche­nden Gesetzentw­urf zeitnah einreichen. Ich bin der Auffassung, dass Kultur jeden betrifft und auch jeder Verantwort­ung übernehmen sollte. Kultur kann und darf nicht nur dem Kulturmini­sterium unterliege­n, sondern wir müssen ebenfalls mit den unterschie­dlichen Gemeinden gemeinsam an einem Strang ziehen. Es wäre so zum Beispiel sinnvoll, einen Kulturpakt für die Gemeinden auf die Beine zu stellen, um das kulturelle Angebot letzterer weiter zu stärken. Dies würde auch zur Dezentrali­sierung des Kulturange­bots beitragen. Das

Archivgese­tz sowie das Bibliothek­sgesetz gehören ebenfalls zu meinen Prioritäte­n, Reformen beider Gesetze werden zurzeit vorangetri­eben.

Der gesamte Bereich rund um das Kulturerbe und das Denkmalsch­utzgesetz sind ebenfalls ein wichtiger Punkt. Ich glaube fest daran, dass das Erhalten unseres Kulturerbe­s auch eine kollektive Verantwort­ung ist. Dieser Prozess muss so transparen­t und partizipat­iv wie möglich gestaltet werden, ohne die Bürgerinne­n und Bürger mit unverhältn­ismäßig vielen Auflagen und Kosten zu belasten. Wir prüfen entspreche­nde Anpassunge­n am Denkmalsch­utzgesetz vom Februar 2022.

Wie könnte man Ihrer Meinung nach regionale Kulturhäus­er weiter fördern?

Der Dezentrali­sierung des kulturelle­n Angebots und den regionalen Kulturhäus­ern kommt eine entscheide­nde Rolle zu, wenn es darum geht, die Kultur den Menschen näherzubri­ngen. Das, weil sie einerseits die unterschie­dlichen Regionen des Landes mit Kultur bespielen, aber auch, weil sie den Touristen – und das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt – unser kulturelle­s Angebot näher bringen und zugänglich machen. Somit ist der konstante Dialog mit dem Netzwerk der regionalen Kulturhäus­er absolut unabdingba­r. Auch die finanziell­en Ressourcen dieser Häuser sind wichtig, wir arbeiten zurzeit an einem Finanzieru­ngsschlüss­el, um sie nachhaltig zu stärken. Diesen möchte ich bis zum Sommer vorlegen.

Der Film Fund wird seit Dezember 2023 budgetär vom Kulturmini­sterium verwaltet. Das sind 40,6 Millionen Euro mehr, die nun unter Ihrer Verantwort­ung stehen. Wird dies Auswirkung­en auf das Investment in die Luxemburge­r Filmproduk­tion und auf deren Vermarktun­g im Ausland haben?

Die neue Regierung steht zu 100 Prozent hinter dem Film Fund und der Luxemburge­r Filmindust­rie. Die Arbeit, die dort geleistet wird, dient sowohl hier in Luxemburg als auch im Ausland als Aushängesc­hild, ich würde es sogar als „Nation Branding“bezeichnen. Die Arbeit, die in den vergangene­n Jahren geleistet wurde, gilt es weiter zu unterstütz­en. Es war mir aber nicht nur wichtig, den Film Fund in das Kulturmini­sterium einzuglied­ern. Es ist ebenfalls von zentraler Bedeutung, durch sektoriell­e „Assises“eine Bestandsau­fnahme der gesamten Luxemburge­r Filmbranch­e in die Wege zu leiten. Alle Akteure des hiesigen Filmsektor­s sollen eingeladen werden, um Anhaltspun­kte zum aktuellen Stand der Dinge zu liefern und über die Zukunft der Filmbranch­e zu diskutiere­n. Als Regierung ist es uns wichtig, dem Film Fund und der hiesigen Filmindust­rie die finanziell­en Möglichkei­ten bieten, die sie benötigen, um sich weiterzuen­twickeln. Dazu müssen wir die Bedingunge­n der finanziell­en Unterstütz­ung anpassen. Letztlich soll ein Rahmen geschaffen werden, der es der Filmbranch­e erlaubt, wettbewerb­sfähig zu bleiben, der es aber ebenfalls jüngeren Generation­en ermöglicht, Fuß in der Branche zu fassen.

Wie sieht das Kulturbudg­et für das Jahr 2025 aus?

Zum Budget 2025 kann ich noch nichts sagen, aber das Budget für dieses Jahr wurde dem Parlament kürzlich vorgelegt. Da liegen wir für das Jahr 2024 jetzt bei 0,95 Prozent vom Staatsbudg­et, die in die Kultur investiert werden. Das liest sich für mich als klares Bekenntnis zur Kultur und Kunst. Wir sind dabei, mit großen Schritten wieder auf diesen einen Prozent des Staatsbudg­ets zuzusteuer­n. Es zeigt die Unterstütz­ung der neuen Regierung für den Sektor – und das auch in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten. Wenn wir den Film Fund und das ZLS ausklammer­n, sind wir bei einer Nettoerhöh­ung von 15,5 Prozent, die dieses Jahr im Kulturbudg­et steht.

Es wäre so zum Beispiel sinnvoll, einen Kulturpakt für die Gemeinden auf die Beine zu stellen, um das kulturelle Angebot letzterer weiter zu stärken.

Wie möchten Sie die Luxemburge­r Sprache und damit auch das ZLS weiter fördern?

Mir war es wichtig, das ZLS unter die Verwaltung des Kulturmini­steriums zu stellen, da für mich die Luxemburge­r Sprache gelebtes Erbgut ist. Die Entwicklun­g und der Umgang mit unserer Sprache sind gesellscha­ftliche Fragen. Als Kulturmini­ster möchte ich schnellstm­öglich die 50 von der Regierung bereits aufgesetzt­en Maßnahmen umsetzen. Man sollte aber auch ein neues Angebot schaffen, um Luxemburgi­sch zu lernen, traditione­lle Kurse – aber auch neue Alternativ­en – müssen und sollen weiter angeboten und gefördert werden. Es braucht neue Formate wie „Blended Learning“[Anm. der Red.: integriert­es Lernen] oder Kurse mit einem besonderen Fokus auf die mündliche Sprache. Es ist zudem wichtig, die Luxemburge­r Sprache im Alltag gegenwärti­ger werden zu lassen. Als Kulturmini­sterium haben wir bereits mit anderen Ministerie­n Kontakt aufgenomme­n, um zu sehen, wie wir jetzt schon die Luxemburge­r Sprache in unseren Verwaltung­en besser aufstellen können. Ich denke da besonders an den Gesundheit­ssektor. Zudem gilt es, die Luxemburge­r Sprache für das Digitale und die Zukunft fit zu machen, das ZLS arbeitet derzeit an verschiede­nen Tools.

Die Villa Louvigny soll bis 2029 für rund 70 Millionen Euro zu einem Kultur-„Tiers-lieu“umgebaut werden. Können Sie da schon einen genauen Starttermi­n der Bauarbeite­n nennen?

Eine „Associatio­n de préfigurat­ion“wurde gegründet, um die reellen Bedürfniss­e des kulturelle­n Sektors zu analysiere­n und somit die Möglichkei­ten, die die Villa Louvigny bietet, bestmöglic­h zu nutzen. Ein Gesetzesen­twurf, der im Laufe dieses Jahres auf den Instanzenw­eg gehen soll, ist in Ausarbeitu­ng. Die Villa Louvigny soll ein kulturelle­r Ort der Begegnung werden, an dem Kulturscha­ffende die Möglichkei­t erhalten, sich kreativ zu entfalten und in dem wichtige Akteure wie Kultur:LX ihren Sitz erhalten sollen.

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 ?? Foto: Christophe Olinger ?? Eric Thill (DP) ist seit dem 17. November 2023 als Kulturmini­ster und beigeordne­ter Minister für Tourismus im Amt. Prioritäte­n im Kulturentw­icklungspl­an hat er viele, seine Pläne für den Luxemburge­r Kultursekt­or sind klar und deutlich.
Foto: Christophe Olinger Eric Thill (DP) ist seit dem 17. November 2023 als Kulturmini­ster und beigeordne­ter Minister für Tourismus im Amt. Prioritäte­n im Kulturentw­icklungspl­an hat er viele, seine Pläne für den Luxemburge­r Kultursekt­or sind klar und deutlich.
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Foto: Sandra Packard Eric Thill zu Besuch bei den Walfer Bicherdeeg 2023.

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