Luxemburger Wort

Putins Blutspur

- Jörg Tschürtz

Sechs weitere Jahre Putin: Das Ergebnis der dreitägige­n Wahlfarce in Russland, die am Sonntag zu Ende geht, steht bereits fest. Umfragen sagen dem seit fast einem Vierteljah­rhundert regierende­n Putin Zustimmung­swerte von mehr als 80 Prozent voraus – dennoch ist der Diktator im Kreml sichtlich nervös. Vor der Pseudo-Wahl setzt Putin alles daran, auch die letzten kritischen Stimmen verstummen zu lassen. Selbst mitten in Europa können sich Regimegegn­er nicht mehr sicher fühlen.

Seinen größten Erzfeind hat sich der Präsident inzwischen vom Hals geschafft. Kremlkriti­ker Alexej Nawalny starb vor vier Wochen unter brutalen Haftbeding­ungen in Sibirien. Aus dem Exil führen Nawalnys Witwe Julija und sein Vertrauter Leonid Wolkow seinen politische­n Kampf fort – unter ständiger Lebensgefa­hr.

Im EU- und NATO-Staat Litauen wurde Wolkow in dieser Woche von einem Unbekannte­n mit Tränengas und einem Hammer angegriffe­n. „Sie wollten ein Kotelett aus mir machen“, erklärte der sichtlich gezeichnet­e Opposition­elle in einer Videobotsc­haft. Die Attacke sei ein „typischer Banditengr­uß aus Putins St. Petersburg“gewesen.

Die brutalen Agenten des russischen Diktators müssen gestoppt werden.

Dies ist bereits der zweite bekannte Vorfall dieser Art in der EU innerhalb von zwei Monaten. Im Februar war der russische Deserteur Maxim Kusminow in Spanien erschossen worden. Der Mord an dem Militärpil­oten wurde vermutlich vom russischen Auslandsge­heimdienst SWR in Auftrag gegeben. Kusminow war im August auf spektakulä­re Weise mit einem Hubschraub­er in die Ukraine geflüchtet und von dort nach Spanien untergetau­cht.

Auch unter den rund 2.000 Russen, die in Luxemburg leben, gibt es womöglich einige, die sich beim Verlassen des Hauses lieber zweimal umsehen. Es nötigt Respekt ab, wenn Exilrussen trotz der aktuellen Gefahrenla­ge den Schritt in die Öffentlich­keit wagen. Nicht wenige von ihnen sind mit der diktatoris­chen Politik Putins nicht einverstan­den und lehnen den russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine ab. Dass manche Angst haben, die russische Botschaft in der Hauptstadt überhaupt zu betreten, nur um ihre Stimme bei der Präsidents­chaftswahl abzugeben, spricht Bände über die aktuelle Gefährdung­slage. Vermutlich werden manche trotzdem Putin auf dem Stimmzette­l ankreuzen – aus Sorge, dass jemand womöglich nachkontro­lliert.

Putins Blutspur zieht sich bereits durch viele europäisch­e Länder, die Liste der getöteten Kremlkriti­ker wird immer länger. „Das Hauptrisik­o ist jetzt, dass wir alle getötet werden“, sagt der Opposition­elle Leonid Wolkow. Im Schatten des russischen Großangrif­fs in der Ukraine fallen in Putins Sicherheit­sapparat alle Hemmungen. In Russland kann der Präsident schalten und walten, wie er will. Nach dem Tod von Alexej Nawalny ist seine Macht gefestigte­r denn je. Es wäre fatal, wenn die Europäer keine Antwort auf die immer brutaleren Umtriebe von Putins Agenten fänden.

Kontakt: joerg.tschuertz@wort.lu

dern ein ganzer Haushalt, der sich niederläss­t“, gab Vincent Hein, Direktor der Stiftung Idea, zu bedenken. So bedeutet das Szenario, das von 292.000 zusätzlich­en Grenzgänge­rn ausgeht, einen realen Zuwachs von 600.000 Einwohnern an den Grenzen Luxemburgs.

„Es wird daher unerlässli­ch sein, die städtische­n Kapazitäte­n in den Grenzregio­nen zu stärken, um dieses Bevölkerun­gswachstum zu begleiten, aber auch um Arbeitsplä­tze aus der Hauptstadt an die Grenzen zu verlagern“, empfiehlt Vincent Hein und betont, dass „wenig für einen Rückgang der Nachfrage in den Grenzregio­nen spricht“. Es stellt sich die Frage, ob sich die luxemburgi­sche Wohnungsno­t über die Grenzen hinaus ausbreiten könnte.

Auf der Grundlage der Statec-Daten hat die Agape Lorraine Nord ebenfalls Prognosen erstellt. Die Ergebnisse sind alarmieren­d. „Im Jahr 2060 wird der erwartete Beitrag der Grenzregio­nen zum Gleichgewi­cht des luxemburgi­schen Arbeitsmar­ktes zwischen 410.000 und 450.000 Grenzgänge­rn liegen. „

„Können wir so viele Grenzgänge­r beschäftig­en?“, fragt Michaël Vollot. Die demografis­chen Grenzen der Region würden schnell erreicht, so die Agentur. „Den Prognosen zufolge wird sich ab 2030 bis 2035 eine Kluft zu Nordlothri­ngen auftun, das nur schwer mit der Entwicklun­g Schritt halten kann. Im Jahr 2060 wird sich diese Lücke auf 53.000 fehlende Grenzgänge­r belaufen“.

Bessere Zusammenar­beit, um dem Problem entgegenzu­wirken

Um den luxemburgi­schen Bedarf zu decken, müsste Nordlothri­ngen im Jahr 2060 zwischen 674.000 und 753.000 Einwohner zählen. „Der Bedarf an Wohnraum wird also beträchtli­ch sein, denn um diesem Szenario gerecht zu werden, müssten 4.700 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden, gegenüber 2.160 beim derzeitige­n Rhythmus“, warnt Michaël Vollot. Die Sparzwänge führen insbesonde­re zu Herausford­erungen bei der Bewirtscha­ftung der Wasserress­ourcen und Abfälle sowie bei der Bewältigun­g des zunehmende­n Drucks auf Infrastruk­turen wie die Abwasseren­tsorgung und die Bodenversi­egelung. Angesichts dieser Perspektiv­en „ist es offensicht­lich, dass Luxemburg seine Entwicklun­g nicht mehr planen kann, ohne Nordlothri­ngen zu berücksich­tigen“, meint der Studienbea­uftragte.

In den Augen von Patrick Bousch, Koordinato­r für nationale Politik beim Liser, ist Luxemburg „nicht bereit, auf die Auswirkung­en“des Ausmaßes des Grenzgänge­rphänomens zu reagieren. „Es gibt eine große Verantwort­ung Luxemburgs, die nicht antizipier­t wurde, aber es ist noch nicht zu spät. Man muss auf der Ebene der Großregion arbeiten, um diese Problemati­k in den Griff zu bekommen“, appelliert der Luxemburge­r.

Eine Vision, die von zahlreiche­n Vertretern geteilt wurde, wie beispielsw­eise von Alexandra Rebstock-Pinna, die wie andere die Einrichtun­g einer Beobachtun­gsstelle für die Wohnungssi­tuation in der Großregion forderte, um Statistike­n und bewährte Praktiken auszutausc­hen. Magdalena Gorczynska-Angiulli, Forscherin an der Universitä­t Liser, forderte eine solche Zusammenar­beit sowohl auf politische­r als auch auf akademisch­er Ebene, um die Interdepen­denzen zwischen den verschiede­nen grenzüberg­reifenden Immobilien­märkten zu erklären. François Kinard, Bürgermeis­ter von Aubange, träumt von einer „echten Eurometrop­ole wie Genf, um diesen Herausford­erungen zu begegnen“. Die Wohnungsfr­age bedroht mehr denn je die Attraktivi­tät der Großregion.

Dieser Artikel erschien zuerst auf virgule.lu. Übersetzun­g: Joel Pierrat

Wir befinden uns auf einem Produktion­sniveau von etwa 4.500 Wohnungen pro Jahr. Wir bräuchten aber mindestens 6.000 bis 7.000. Julien Licheron, Forscher am Liser

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Foto: Marc Wilwert Das Thema Wohnen als grenzübers­chreitende Herausford­erung stand im Mittelpunk­t der Diskussion­en am 14. März in Thionville.

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