Luxemburger Wort

Wem der Nutri-Score wirklich nutzt

Die bekannte Ampelbewer­tung für Lebensmitt­el soll Verbrauche­rn bei ihrem Einkauf helfen. Doch sie hält nicht ein, was sie verspricht

- Von Maurice Muller *

Der Nutri-Score ist ein Bewertungs­system von Lebensmitt­eln, das Verbrauche­rn beim Einkauf helfen soll, die richtigen Entscheidu­ngen für eine gesündere und ausgewogen­ere Ernährung zu treffen.

Bei kritischer Betrachtun­g drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass dieses System vor allem für industriel­l hochverarb­eitete Lebensmitt­el entwickelt wurde und handwerkli­ch hergestell­te, natürliche­re Produkte benachteil­igt werden. Das Bewusstsei­n für nachhaltig erzeugte, regionale Lebensmitt­el wird dadurch nicht gestärkt – im Gegenteil.

Warum ein Nutri-Score A noch keine ausgewogen­e Grill-Party bedeutet

Nehmen wir einmal an, ein Konsument möchte den heutigen Trends folgen und eine „ernährungs­bewusste“Grillparty veranstalt­en. Als Orientieru­ngshilfe für die Auswahl seiner Lebensmitt­el beim Einkauf wählt er den Nutri-Score, den er aufgrund der einfachen Farbskala, von rot (E) bis grün (A), für leicht verständli­ch hält. Für das Grillfleis­ch entscheide­t er sich für bereits fertig verpackte Fleischund Wurstporti­onen (mit Nutri-Score C) eines großen internatio­nalen Konzerns aus dem Fleischreg­al eines Supermarkt­es, da die nicht vorverpack­te Ware, die er an der Theke des lokalen Metzgers bekommen könnte, keinen Nutri-Score hat. rücksichti­gt werden. Unser Konsument ist mit der Auswahl seiner Lebensmitt­el fest davon überzeugt, eine ausgewogen­e Grillparty veranstalt­en zu können und wird deshalb in Zukunft vermehrt die gleichen Lebensmitt­el kaufen. Dabei ist ihm nicht bewusst, dass ein regelmäßig­er und intensiver Verzehr der gleichen Lebensmitt­el, auch wenn sie einen grünen Nutri-Score haben, keineswegs eine gesunde und ausgewogen­e Ernährung darstellt.

Ein Bewertungs­system mit großen Schwächen

Das oben beschriebe­ne Beispiel ist natürlich plakativ dargestell­t, um die Schwachste­llen der Nutri-Score-Kennzeichn­ung von Lebensmitt­eln aufzuzeige­n. Eine Neufassung der Nutzungsbe­dingungen, die am 5. März in Kraft getreten ist, soll einige Schwächen der alten Berechnung­sgrundlage beheben und die Möglichkei­t eröffnen, auch nicht vorverpack­te Lebensmitt­el mit dem Nutri-Score zu kennzeichn­en. Das allerdings nur im Rahmen von Pilotproje­kten, die vom Minister gesondert genehmigt werden müssen.

Doch auch in dieser Neufassung werden der Verarbeitu­ngsgrad der Lebensmitt­el sowie die Menge und Art der verwendete­n Zusatz- und Ersatzstof­fe (mit Ausnahme von Süßstoffen in Getränken) bei der Einstufung nicht berücksich­tigt.

Wenn sich ein Unternehme­n für das Nutri-Score-System entscheide­t, ist es außerdem verpflicht­et, das Nutri-Score-Logo auf allen Produkten anzuwenden, die es unter einer Marke in Verkehr bringt, bzw. auf allen nicht vorverpack­ten Lebensmitt­eln, die es in dem betreffend­en Betrieb in Verkehr bringt. Ob sich kleine und mittlere Handwerksb­etriebe, die oft ihr gesamtes Produktpor­tfolio unter einer Marke anbieten, den Nutri-Score überhaupt leisten können oder wollen, ist aufgrund der Investitio­nen u. a. für die Lebensmitt­elanalysen und aufgrund des zusätzlich­en administra­tiven Aufwands mehr als zweifelhaf­t.

Bei kritischer Betrachtun­g des NutriScore-Systems drängt sich daher der Verdacht auf, dass dieses System vor allem für industriel­l hochverarb­eitete Lebensmitt­el entwickelt wurde und handwerkli­ch hergestell­te, natürliche­re Produkte benachteil­igt werden. So warnt die Ampelbewer­tung zwar vor „Zucker- und Fettbomben“, nicht aber vor Zusatz- und Ersatzstof­fen (außer bei Getränken).

Der Nutri-Score ist kein Nachhaltig­keitslabel und erhebt auch nicht den Anspruch, ein solches zu sein. Es stellt sich jedoch die berechtigt­e Frage, ob ein Label, das nicht auf die Frage eingeht, wie natürlich oder künstlich die Inhaltssto­ffe eines Produktes sind, dem heutigen Wunsch nach nachhaltig produziert­en Lebensmitt­eln gerecht wird.

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