Gemeinden reagieren unterschiedlich auf Polizistenabzug
Wie viele Polizisten in den vergangenen Wochen aus der Region Süd-West abgezogen worden sind, lässt sich nur schwer sagen. Eine Spurensuche
Die Gemeinden der Region Süd-West reagieren sehr unterschiedlich auf den Abzug von Polizisten in die Stadt Luxemburg im Kontext des Bettelverbotes. Dies gilt für die Einschätzung der Situation durch Politiker verschiedener Parteien, teilweise aber auch gleicher Parteifarbe. Wie Innenminister Léon Gloden (CSV) am Donnerstag angekündigt hat, soll das Polizeiaufgebot der Kriminalpolizei, das in die Stadt Luxemburg abgezogen wird, halbiert werden.
Doch bereits zuvor sah der Schöffenrat von Differdingen den Abzug in Bezug auf die Sicherheit in seiner Gemeinde gelassen. Bürgermeister Guy Altmeisch (LSAP) sagte in der vergangenen Ratssitzung: „Wir schwächen die Polizei ganz minimal.“Der Gemeinderat von Düdelingen, in dem die LSAP eine absolute Mehrheit hat, nahm hingegen eine Motion von Déi Gréng an, die forderte, die abgezogenen Polizisten zurückzubekommen. Dazu später mehr.
Kommissariatsleiter verschickt umstrittene E-Mail
Dass der Abzug der Beamten einen direkten Einfluss auf die Polizeipräsenz hat oder hatte, dafür spricht zumindest eine E-Mail, die fünf Bürgermeister Anfang März erhalten haben. Die Mail kam vom Leiter des Kommissariats Porte de l’Ouest in Strassen, welches für Strassen, Bartringen, Kopstal, Leudelingen und Dippach verantwortlich ist. Das bestätigt Polizeisprecher Frank Stoltz auf Anfrage des „Luxemburger Wort“.
Die Mail wurde vom Kommissariatsleiter „ohne das Wissen und ohne die Zustimmung der Regionaldirektion“verschickt. Darin ist die Rede davon, dass die Polizei verschiedene ihrer Aufgaben nicht mehr wahrnehmen könne, wie „den sicheren Schulweg, angefragte Verkehrskontrollen, die Coupe Scolaire oder auch die allgemeine Präsenz bei Veranstaltungen und ‚Dëppefester‘“.
Als der Regionaldirektor der Region Süd-West, die von Capellen bis Roeser reicht, ein paar Tage später davon erfuhr, teilte er den betroffenen Gemeinden mit, „dass die Polizei selbstverständlich all ihren Verpflichtungen nachkommt.“Der Polizeidienst sei „in keinster Weise beeinträchtigt“.
Bürgermeister von Strassen kann über „internes Kräftemessen“schmunzeln
Stoltz bestätigt diese Zahl nicht, weist aber darauf hin, „dass der Personalmangel bei der Polizei nicht neu ist.“Die Arbeitsbelastung auf dem Kommissariat in Strassen sei hoch, aber dies sei keine Ausnahme. Das Polizeiaufgebot, das der Stadt Luxemburg zur Verfügung gestellt wird, „hat keinen Impakt auf das gute Funktionieren der
Polizeidienste“in den fünf betroffenen Gemeinden.
Der Bürgermeister von Strassen, Nico Pundel (CSV), sieht die Sache gelassen und bezeichnet sie als „internes Kräftemessen zwischen Personen, die sich ein wenig in die Haare geraten sind“. Der Kommissariatsleiter habe gesagt, weil er weniger Polizisten habe, könne er nicht mehr alles machen, der Regionaldirektor sage, man könne weiterhin alle Aufgaben übernehmen. „Dann schmunzele ich eher darüber, als dass mich das belastet“, sagt Pundel. Er schaue sich das von der Seitenlinie an und denke sich „se wäerten sech jo alt eng Kéier eens ginn“.
Am kommenden Dienstag findet ein regelmäßiges Treffen statt zwischen den fünf Bürgermeistern mit der Polizei, an dem auch der Regionaldirektor teilnimmt. Die Mail und ihre Folgen werden dabei Thema sein, kündigt der Polizeisprecher an.
LW-Informationen zufolge wurden im Zusammenhang mit dem Bettelverbot vier Polizisten vom Kommissariat in Strassen in die Stadt Luxemburg abgezogen. Pundel sagt, die Zahl der Polizisten sei von 22 oder 21 auf 18 gesunken. Ob 22 Polizisten nun aber eine Vollbesetzung des Kommissariats sei, das wisse auch er als Bürgermeister nicht. In Strassen habe die Polizei jedenfalls nicht weniger Leistung, meint auch Pundel.
Für Pundel ist das Kommissariat in Strassen zumindest tagsüber gut besetzt. Nachts sei ohnehin das Kommissariat in Capellen für seine Gemeinde zuständig. Früher seien jedenfalls weniger Polizisten zuständig gewesen. Allerdings hätte es vor einigen Jahren auch nur eine Tagesschicht und nicht zwei Schichten gegeben. „Wir sind gut versorgt hier in Strassen“, schließt Pundel.
Bürgermeister von Leudelingen: „Es fehlen natürlich Leute“
„Dass jetzt überall Polizisten abgezogen werden und in die Hauptstadt geschickt werden, das ist natürlich auch in unserer Region nicht anders“, sagt der Bürgermeister von Leudelingen, Lou Linster (DP). „Es fehlen natürlich Leute.“Die restlichen Regionen dürften nicht vergessen werden, es gebe nicht nur die Stadt Luxemburg. Linster erklärt, dass auch er als Bürgermeister keine konkreten Zahlen kenne, wie viele Polizisten abgezogen wurden.
Dabei gibt es in Leudelingen Bedarf. Die Tuningrennen befänden sich „auf einem Höhepunkt“sagte Linster in der jüngsten Gemeinderatssitzung. „200 bis 300 Menschen finden sich dort spätabends am Wochenende ein.“Das sei schon im vergangenen Sommer und Herbst so gewesen.
Als Reaktion seien Berliner Kissen installiert und eine Straße außer im Win
ter gesperrt worden. „Wir können das nicht tolerieren“, betonte Linster. Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“ergänzt der Bürgermeister, dass die Polizei die Angelegenheit beobachte.
Marc Baum: „Sinn mer da wierklech just Nickien?“
Marc Baum (Déi Lénk), der als Observateur délégué in der Kommission für innere Angelegenheiten vertreten ist, nannte in der Escher Gemeinderatssitzung vom 1. März zwar keine Zahlen zu den abgezogenen Polizisten, berichtete aber aus einer Sitzung der zuständigen Kommission. Dort bekamen die Abgeordneten Details zum Polizeiaufgebot in der Hauptstadt.
Baum erklärte: „Die in der Presse genannte Zahl von 176 Patrouillen wurde uns nicht genannt. Ich habe versucht, es auszurechnen und kann nur sagen, dass die Größenordnung zumindest ungefähr hinkommen kann.“
Baum ärgerte sich über den Abzug der Polizisten. Für ihn sei das Fass übergelaufen, als er gehört habe, dass sich die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg gefreut habe, dass sie nun keine privaten Sicherheitsfirmen mehr brauche. Marc Baum fragte aus der Sicht eines Eschers: „Sinn mer da wierklech just Nickien?“
Bürgermeister von Esch nennt Zahl von 176 Patrouillen
Bürgermeister Christian Weis (CSV) antwortete Baum, das Innenministerium habe die Gemeinden informiert, dass die Polizeikräfte in der Stadt Luxemburg um 176 Patrouillen aus dem ganzen Land verstärkt würden. Diese Zahl hatte das „Tageblatt“bereits Anfang Februar angeführt. Der Minister habe Weis diese Zahl so bestätigt, aber keine Details genannt, woher diese Polizisten kämen.
Die Aussage von Weis ist erstaunlich, da Innenminister Léon Gloden diese Zahl in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Meris Sehovic (Déi Gréng) nicht bestätigte. Gloden erklärte stattdessen: „Informationen strategischer und operativer Art, die für die Polizeitaktik relevant sind, werden aus Gründen der Vertraulichkeit nicht offengelegt.“Nach Erscheinen des „Tageblatt“-Artikels teilte die Polizei in einer Pressemitteilung mit, dass die in der Presse genannten Zahlen zu relativieren seien.
Weis sagte an die Räte gerichtet „Ich darf Ihnen nicht sagen, wie viele Polizisten im Moment in Esch unterwegs sind.“Diese Zahl sei aber nie stabil, Escher Polizisten würden auch in Nachbargemeinden aushelfen. Die Verstärkung der hauptstädtischen Polizei habe für Esch „keinen signifikativen Impakt“.
Alles für die Sicherheit
Nach Kenntnis des Bürgermeisters von Düdelingen, Dan Biancalana (LSAP), arbeiten 44 Polizisten im Kommissariat in Düdelingen, das auch für die Nachbarregionen zuständig ist. In einem Brief, den Biancalana an Innenminister Gloden nach der Annahme einer Motion im vergangenen Gemeinderat sendete, schrieb der Bürgermeister: „Der Gemeinderat hat bemerkt, dass Polizisten der Regionaldirektion Süd-West, zu dem auch das Polizeikommissariat von Düdelingen gehört, in die Stadt Luxemburg abgezogen wurden.“Der Gemeinderat sorge sich um die öffentliche Sicherheit in Düdelingen.
Biancalana appellierte daher im Namen des Schöffenrats an Gloden, den Abzug der Polizisten aus der Region SüdWest rückgängig zu machen und der Stadt Düdelingen eine Erklärung zu liefern, „wissend, dass dieses Kommissariat bereits mit einer Arbeitsüberlastung konfrontiert ist.“
In seiner Antwort vom 23. Februar spricht Gloden von einem „mutmaßlichen Abzug“von Polizisten des Düdelinger Kommissariats und stellt fest, die Gemeinde Düdelingen teile die Politik der Regierung, mehr Polizeibeamte einzustellen, um eine stärkere Präsenz vor Ort zu gewährleisten.
Gloden verweist Biancalana auf die Informationen, die in der Sitzung der Kommissionen für Justiz und Innere Angelegenheiten am 23. Januar gegeben wurden. Biancalana ist Vizepräsident beider Kommissionen. Gloden verweist außerdem auf die Antwort auf die parlamentarische Frage von Meris Sehovic.
Der Innenminister führt weiter aus, das Polizeiaufgebot werde je nach Entwicklung angepasst. Ein Enddatum für die Regelung sei derzeit nicht festgelegt. „Seien Sie versichert, Herr Bürgermeister, dass sowohl die Polizei als auch mein Ministerium alle notwendigen Schritte unternehmen und alle erforderlichen Mittel einsetzen, um die Sicherheit und die öffentliche Ordnung in Ihrer Stadt und im ganzen Land aufrechtzuerhalten“, schließt Glodens Brief.
Zahlen werden im Prinzip nicht veröffentlicht
Die Polizei veröffentlicht keine Zahlen darüber, wie viele Polizisten in einem Kommissariat arbeiten und wie viele seit Inkrafttreten des Bettelverbots in die Hauptstadt abgezogen wurden. Auf Anfrage des „Luxemburger Wort“, nach der Situation im Kommissariat in Differdingen, antwortete Polizeisprecher Frank Stoltz vergangene Woche, es handele sich um Informationen, die die Polizei aus „sicherheitstaktischen Gründen im Prinzip nicht öffentlich kommentiert“.
Auf der Internetseite der Gemeinde Leudelingen findet sich jedoch in einem Artikel aus dem Jahr 2021 die Zahl von 13 Polizisten. Und auch bei der Einweihung des neuen Kommissariats in Differdingen im vergangenen Jahr wurden Zahlen genannt: „Heute verrichten in der drittgrößten Gemeinde des Landes 58 Beamte Dienst.“
Die Polizei erklärt auf Nachfrage, es sei „durchaus normal“, dass Beamte diese Informationen mit den nötigen Erläuterungen an die Gemeindeverantwortlichen weitergeben. „Dass diese dann zum Teil veröffentlicht werden, ist nicht auszuschließen.“Dabei handele es sich allerdings stets nur um eine Momentaufnahme. „Aus diesem Grund sehen wir im Prinzip davon ab, diese Zahlen zu veröffentlichen.“