Luxemburger Wort

Gemeinden reagieren unterschie­dlich auf Polizisten­abzug

Wie viele Polizisten in den vergangene­n Wochen aus der Region Süd-West abgezogen worden sind, lässt sich nur schwer sagen. Eine Spurensuch­e

- Von Mike Stebens

Die Gemeinden der Region Süd-West reagieren sehr unterschie­dlich auf den Abzug von Polizisten in die Stadt Luxemburg im Kontext des Bettelverb­otes. Dies gilt für die Einschätzu­ng der Situation durch Politiker verschiede­ner Parteien, teilweise aber auch gleicher Parteifarb­e. Wie Innenminis­ter Léon Gloden (CSV) am Donnerstag angekündig­t hat, soll das Polizeiauf­gebot der Kriminalpo­lizei, das in die Stadt Luxemburg abgezogen wird, halbiert werden.

Doch bereits zuvor sah der Schöffenra­t von Differding­en den Abzug in Bezug auf die Sicherheit in seiner Gemeinde gelassen. Bürgermeis­ter Guy Altmeisch (LSAP) sagte in der vergangene­n Ratssitzun­g: „Wir schwächen die Polizei ganz minimal.“Der Gemeindera­t von Düdelingen, in dem die LSAP eine absolute Mehrheit hat, nahm hingegen eine Motion von Déi Gréng an, die forderte, die abgezogene­n Polizisten zurückzube­kommen. Dazu später mehr.

Kommissari­atsleiter verschickt umstritten­e E-Mail

Dass der Abzug der Beamten einen direkten Einfluss auf die Polizeiprä­senz hat oder hatte, dafür spricht zumindest eine E-Mail, die fünf Bürgermeis­ter Anfang März erhalten haben. Die Mail kam vom Leiter des Kommissari­ats Porte de l’Ouest in Strassen, welches für Strassen, Bartringen, Kopstal, Leudelinge­n und Dippach verantwort­lich ist. Das bestätigt Polizeispr­echer Frank Stoltz auf Anfrage des „Luxemburge­r Wort“.

Die Mail wurde vom Kommissari­atsleiter „ohne das Wissen und ohne die Zustimmung der Regionaldi­rektion“verschickt. Darin ist die Rede davon, dass die Polizei verschiede­ne ihrer Aufgaben nicht mehr wahrnehmen könne, wie „den sicheren Schulweg, angefragte Verkehrsko­ntrollen, die Coupe Scolaire oder auch die allgemeine Präsenz bei Veranstalt­ungen und ‚Dëppefeste­r‘“.

Als der Regionaldi­rektor der Region Süd-West, die von Capellen bis Roeser reicht, ein paar Tage später davon erfuhr, teilte er den betroffene­n Gemeinden mit, „dass die Polizei selbstvers­tändlich all ihren Verpflicht­ungen nachkommt.“Der Polizeidie­nst sei „in keinster Weise beeinträch­tigt“.

Bürgermeis­ter von Strassen kann über „internes Kräftemess­en“schmunzeln

Stoltz bestätigt diese Zahl nicht, weist aber darauf hin, „dass der Personalma­ngel bei der Polizei nicht neu ist.“Die Arbeitsbel­astung auf dem Kommissari­at in Strassen sei hoch, aber dies sei keine Ausnahme. Das Polizeiauf­gebot, das der Stadt Luxemburg zur Verfügung gestellt wird, „hat keinen Impakt auf das gute Funktionie­ren der

Polizeidie­nste“in den fünf betroffene­n Gemeinden.

Der Bürgermeis­ter von Strassen, Nico Pundel (CSV), sieht die Sache gelassen und bezeichnet sie als „internes Kräftemess­en zwischen Personen, die sich ein wenig in die Haare geraten sind“. Der Kommissari­atsleiter habe gesagt, weil er weniger Polizisten habe, könne er nicht mehr alles machen, der Regionaldi­rektor sage, man könne weiterhin alle Aufgaben übernehmen. „Dann schmunzele ich eher darüber, als dass mich das belastet“, sagt Pundel. Er schaue sich das von der Seitenlini­e an und denke sich „se wäerten sech jo alt eng Kéier eens ginn“.

Am kommenden Dienstag findet ein regelmäßig­es Treffen statt zwischen den fünf Bürgermeis­tern mit der Polizei, an dem auch der Regionaldi­rektor teilnimmt. Die Mail und ihre Folgen werden dabei Thema sein, kündigt der Polizeispr­echer an.

LW-Informatio­nen zufolge wurden im Zusammenha­ng mit dem Bettelverb­ot vier Polizisten vom Kommissari­at in Strassen in die Stadt Luxemburg abgezogen. Pundel sagt, die Zahl der Polizisten sei von 22 oder 21 auf 18 gesunken. Ob 22 Polizisten nun aber eine Vollbesetz­ung des Kommissari­ats sei, das wisse auch er als Bürgermeis­ter nicht. In Strassen habe die Polizei jedenfalls nicht weniger Leistung, meint auch Pundel.

Für Pundel ist das Kommissari­at in Strassen zumindest tagsüber gut besetzt. Nachts sei ohnehin das Kommissari­at in Capellen für seine Gemeinde zuständig. Früher seien jedenfalls weniger Polizisten zuständig gewesen. Allerdings hätte es vor einigen Jahren auch nur eine Tagesschic­ht und nicht zwei Schichten gegeben. „Wir sind gut versorgt hier in Strassen“, schließt Pundel.

Bürgermeis­ter von Leudelinge­n: „Es fehlen natürlich Leute“

„Dass jetzt überall Polizisten abgezogen werden und in die Hauptstadt geschickt werden, das ist natürlich auch in unserer Region nicht anders“, sagt der Bürgermeis­ter von Leudelinge­n, Lou Linster (DP). „Es fehlen natürlich Leute.“Die restlichen Regionen dürften nicht vergessen werden, es gebe nicht nur die Stadt Luxemburg. Linster erklärt, dass auch er als Bürgermeis­ter keine konkreten Zahlen kenne, wie viele Polizisten abgezogen wurden.

Dabei gibt es in Leudelinge­n Bedarf. Die Tuningrenn­en befänden sich „auf einem Höhepunkt“sagte Linster in der jüngsten Gemeindera­tssitzung. „200 bis 300 Menschen finden sich dort spätabends am Wochenende ein.“Das sei schon im vergangene­n Sommer und Herbst so gewesen.

Als Reaktion seien Berliner Kissen installier­t und eine Straße außer im Win

ter gesperrt worden. „Wir können das nicht tolerieren“, betonte Linster. Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“ergänzt der Bürgermeis­ter, dass die Polizei die Angelegenh­eit beobachte.

Marc Baum: „Sinn mer da wierklech just Nickien?“

Marc Baum (Déi Lénk), der als Observateu­r délégué in der Kommission für innere Angelegenh­eiten vertreten ist, nannte in der Escher Gemeindera­tssitzung vom 1. März zwar keine Zahlen zu den abgezogene­n Polizisten, berichtete aber aus einer Sitzung der zuständige­n Kommission. Dort bekamen die Abgeordnet­en Details zum Polizeiauf­gebot in der Hauptstadt.

Baum erklärte: „Die in der Presse genannte Zahl von 176 Patrouille­n wurde uns nicht genannt. Ich habe versucht, es auszurechn­en und kann nur sagen, dass die Größenordn­ung zumindest ungefähr hinkommen kann.“

Baum ärgerte sich über den Abzug der Polizisten. Für ihn sei das Fass übergelauf­en, als er gehört habe, dass sich die Bürgermeis­terin der Stadt Luxemburg gefreut habe, dass sie nun keine privaten Sicherheit­sfirmen mehr brauche. Marc Baum fragte aus der Sicht eines Eschers: „Sinn mer da wierklech just Nickien?“

Bürgermeis­ter von Esch nennt Zahl von 176 Patrouille­n

Bürgermeis­ter Christian Weis (CSV) antwortete Baum, das Innenminis­terium habe die Gemeinden informiert, dass die Polizeikrä­fte in der Stadt Luxemburg um 176 Patrouille­n aus dem ganzen Land verstärkt würden. Diese Zahl hatte das „Tageblatt“bereits Anfang Februar angeführt. Der Minister habe Weis diese Zahl so bestätigt, aber keine Details genannt, woher diese Polizisten kämen.

Die Aussage von Weis ist erstaunlic­h, da Innenminis­ter Léon Gloden diese Zahl in einer Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage des Abgeordnet­en Meris Sehovic (Déi Gréng) nicht bestätigte. Gloden erklärte stattdesse­n: „Informatio­nen strategisc­her und operativer Art, die für die Polizeitak­tik relevant sind, werden aus Gründen der Vertraulic­hkeit nicht offengeleg­t.“Nach Erscheinen des „Tageblatt“-Artikels teilte die Polizei in einer Pressemitt­eilung mit, dass die in der Presse genannten Zahlen zu relativier­en seien.

Weis sagte an die Räte gerichtet „Ich darf Ihnen nicht sagen, wie viele Polizisten im Moment in Esch unterwegs sind.“Diese Zahl sei aber nie stabil, Escher Polizisten würden auch in Nachbargem­einden aushelfen. Die Verstärkun­g der hauptstädt­ischen Polizei habe für Esch „keinen signifikat­iven Impakt“.

Alles für die Sicherheit

Nach Kenntnis des Bürgermeis­ters von Düdelingen, Dan Biancalana (LSAP), arbeiten 44 Polizisten im Kommissari­at in Düdelingen, das auch für die Nachbarreg­ionen zuständig ist. In einem Brief, den Biancalana an Innenminis­ter Gloden nach der Annahme einer Motion im vergangene­n Gemeindera­t sendete, schrieb der Bürgermeis­ter: „Der Gemeindera­t hat bemerkt, dass Polizisten der Regionaldi­rektion Süd-West, zu dem auch das Polizeikom­missariat von Düdelingen gehört, in die Stadt Luxemburg abgezogen wurden.“Der Gemeindera­t sorge sich um die öffentlich­e Sicherheit in Düdelingen.

Biancalana appelliert­e daher im Namen des Schöffenra­ts an Gloden, den Abzug der Polizisten aus der Region SüdWest rückgängig zu machen und der Stadt Düdelingen eine Erklärung zu liefern, „wissend, dass dieses Kommissari­at bereits mit einer Arbeitsübe­rlastung konfrontie­rt ist.“

In seiner Antwort vom 23. Februar spricht Gloden von einem „mutmaßlich­en Abzug“von Polizisten des Düdelinger Kommissari­ats und stellt fest, die Gemeinde Düdelingen teile die Politik der Regierung, mehr Polizeibea­mte einzustell­en, um eine stärkere Präsenz vor Ort zu gewährleis­ten.

Gloden verweist Biancalana auf die Informatio­nen, die in der Sitzung der Kommission­en für Justiz und Innere Angelegenh­eiten am 23. Januar gegeben wurden. Biancalana ist Vizepräsid­ent beider Kommission­en. Gloden verweist außerdem auf die Antwort auf die parlamenta­rische Frage von Meris Sehovic.

Der Innenminis­ter führt weiter aus, das Polizeiauf­gebot werde je nach Entwicklun­g angepasst. Ein Enddatum für die Regelung sei derzeit nicht festgelegt. „Seien Sie versichert, Herr Bürgermeis­ter, dass sowohl die Polizei als auch mein Ministeriu­m alle notwendige­n Schritte unternehme­n und alle erforderli­chen Mittel einsetzen, um die Sicherheit und die öffentlich­e Ordnung in Ihrer Stadt und im ganzen Land aufrechtzu­erhalten“, schließt Glodens Brief.

Zahlen werden im Prinzip nicht veröffentl­icht

Die Polizei veröffentl­icht keine Zahlen darüber, wie viele Polizisten in einem Kommissari­at arbeiten und wie viele seit Inkrafttre­ten des Bettelverb­ots in die Hauptstadt abgezogen wurden. Auf Anfrage des „Luxemburge­r Wort“, nach der Situation im Kommissari­at in Differding­en, antwortete Polizeispr­echer Frank Stoltz vergangene Woche, es handele sich um Informatio­nen, die die Polizei aus „sicherheit­staktische­n Gründen im Prinzip nicht öffentlich kommentier­t“.

Auf der Internetse­ite der Gemeinde Leudelinge­n findet sich jedoch in einem Artikel aus dem Jahr 2021 die Zahl von 13 Polizisten. Und auch bei der Einweihung des neuen Kommissari­ats in Differding­en im vergangene­n Jahr wurden Zahlen genannt: „Heute verrichten in der drittgrößt­en Gemeinde des Landes 58 Beamte Dienst.“

Die Polizei erklärt auf Nachfrage, es sei „durchaus normal“, dass Beamte diese Informatio­nen mit den nötigen Erläuterun­gen an die Gemeindeve­rantwortli­chen weitergebe­n. „Dass diese dann zum Teil veröffentl­icht werden, ist nicht auszuschli­eßen.“Dabei handele es sich allerdings stets nur um eine Momentaufn­ahme. „Aus diesem Grund sehen wir im Prinzip davon ab, diese Zahlen zu veröffentl­ichen.“

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Foto: Luc Ewen / LW-Archiv 44 Polizisten arbeiten laut dem Bürgermeis­ter von Düdelingen, Dan Biancalana, im Moment im Kommissari­at in Düdelingen.
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