Luxemburger Wort

Totschlag unter Brüdern: „Dir musst hien erëm zréckkréie­n!“

Im Sommer 2021 erwürgt Daniel E. seinen Bruder im Streit. Vor dem Berufungsg­ericht erhält er eine deutlich höhere Strafe als in erster Instanz

- Von Maximilian Richard

Am Nachmittag des 13. Juni 2021 entbrennt in Goesdorf zwischen zwei Brüdern ein Streit. „Si konnten net mateneen awer och net ounieneen“, sagt die Mutter der beiden später bei der Polizei. Dieses Mal eskaliert die Situation: Einer ihrer Söhne überlebt die Auseinande­rsetzung am Muttertag nicht. Ein Arzt kann kurz nach 18 Uhr nur noch den Tod des 36-Jährigen feststelle­n.

Im April 2023 verurteilt das Bezirksger­icht Diekirch den damals 32-jährigen Daniel E. wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge zu einer Freiheitss­trafe von 13 Jahren. Gegen diese Entscheidu­ng legt die Staatsanwa­ltschaft Einspruch eingelegt. In ihren Augen wollte Daniel E. nämlich seinen Bruder Steve töten und sollte deshalb auch wegen Totschlags verurteilt werden. Zu diesem Schluss kam vergangene Woche auch das Berufungsg­ericht. Mit der Folge, dass Daniel E. zu einer deutlich höheren Strafe verurteilt wurde – nämlich 18 Jahre Haft. Wegen seiner Vorstrafen steht dem Mann keine Haftversch­onung zu.

Vom Schwitzkas­ten zur Erstickung­sagonie

Beide Männer standen zur Tatzeit unter Alkohol- und Drogeneinf­luss. Im Zuge einer Rangelei war der 36-jährigen Steve gegen 16 Uhr im Wohnzimmer seines Wohnhauses gestürzt. „Wéi hien um Buedem louch, hunn ech en an de Schwitzkas­ten geholl, fir hien ze berouegen“, sagt sein angeklagte­r Bruder später. Er drückt so lange fest zu, bis der 36-Jährige sich nicht mehr wehrt. Als Todesursac­he hält eine Rechtsmedi­zinerin „Ersticken durch

Halskompre­ssion, gegebenenf­alls auch Brustkompr­ession“fest.

Daniel E. gibt an, dass sein Bruder Steve noch kurz mit ihm gesprochen habe, nachdem er den Griff gelöst hatte. Später habe er geröchelt, was der Angeklagte als Schnarchen wahrgenomm­en habe, sodass er davon ausgegange­n sei, dass sein Bruder nur eingeschla­fen sei.

Ein Geschehens­ablauf, den die Rechtsmedi­zinerin für „nicht plausibel“hält. Es sei davon auszugehen, dass das Opfer bis zu seinem Tod bewusstlos gewesen sei. Dennoch habe das Opfer in seiner „Erstickung­sagonie“noch über einen längeren Zeitraum röchelnde Laute von sich geben können. Auch unkontroll­ierte Bewegungen seien möglich.

Eineinhalb Stunden bis zum Notruf

Etwa eineinhalb Stunden bevor Daniel E. den Notruf wählt, kontaktier­t er seine Mutter. Als diese nicht abhebt, folgt um 16.37 Uhr eine SMS: „Hier op weg den steve ass tot“. Es folgen zwölf weitere Anrufe, bis Daniel E. schließlic­h um 17.55 Uhr den Notruf wählt.

Vor Gericht sagt der Angeklagte, er habe die Nachricht an seine Mutter nur geschriebe­n, um ihre Aufmerksam­keit zu erregen. Er sei zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgegange­n, dass sein Bruder schlafe und habe die Mutter nur dazu bringen wollen, ihnen mehr Bier zu bringen. Als er festgestel­lt habe, dass der 36Jährige kein Lebenszeic­hen mehr von sich gab, habe er den Notruf gewählt und Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleite­t.

Die Mutter bestätigte, dass ihr Sohn ihr in der Vergangenh­eit ähnliche SMS geschickt habe. So habe sie Nachrichte­n wie „Komm séier. En ass Traapen erofgefall!“oder „Komm séier. Ech kann net méi goen“erhalten. Vom Tod eines Menschen sei aber nie die Rede gewesen.

Mildernde Umstände

Das Berufungsg­ericht hält die Schilderun­gen des Angeklagte­n unter Berufung auf das Gutachten der Gerichtsme­dizinerin für unglaubwür­dig. Zudem sei der Tötungsvor­satz bereits durch den anhaltende­n Würgegriff gegeben. Demgegenüb­er war das Bezirksger­icht Diekirch noch zu dem Schluss gekommen, es sei nicht zweifelsfr­ei erwiesen, dass Daniel E. das Opfer habe töten wollen. Das Würgen sei bei den häufigen Streitigke­iten der Brüder üblich gewesen. Es sei auch nicht auszuschli­eßen, dass Daniel E., da er unter Alkohol- und Drogeneinf­luss stand, das Röcheln seines Bruders für Schnarchen gehalten habe.

Wie schon das Bezirksger­icht sahen auch die Berufungsr­ichter mildernde Umstände, die zu einer deutlichen Strafmilde­rung führten. Das Strafgeset­zbuch sieht für Totschlag eigentlich eine lebenslang­e Freiheitss­trafe vor. Daniel E. sei geständig gewesen und habe die Tat bereut. Zudem habe er bis zum Eintreffen der Rettungskr­äfte Reanimatio­nsmaßnahme­n eingeleite­t.

Als Daniel E. am 13. Juni 2021 erfährt, dass die Wiederbele­bungsmaßna­hmen fehlgeschl­agen sind, verliert er die Kontrolle. In einem Wutanfall wirft er einen Tisch um. Schon beim Eintreffen der Rettungskr­äfte ist er außer sich. Während sie um das Leben seines Bruders kämp

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