Luxemburger Wort

Farbe bekennen: die politische Verantwort­ung der Kunst

Frank Hoffmann inszeniert im TNL Albert Ostermaier­s „Stahltier. Ein Exorzismus“. Eine Inszenieru­ng, die auf allen Ebenen überzeugt

- Von Nora Schloesser

In der Düsterheit türmen sich an den Seiten massive, schwarze Wände mit integriert­en Lichtquell­en auf. Von der Decke hängt ein offener, schräger Quadrat, der sich herunterfa­hren lässt. Ein großer Scheinwerf­er, wie man sie aus den Filmstudio­s kennt, wirft ein grelles Licht auf den vorderen Teil der Bühne des Théâtre National du Luxembourg. Ein altmodisch­er, grüner Sessel und ein schlichter Holzstuhl sind mittig platziert. Und obwohl sich vieles des schlichten, doch sehr wirkungsvo­llen Bühnenbild­s von Christoph Rasche zunächst noch im Dunkeln verbirgt, sticht einem der rote Teppich, der in der Länge über die Bühne verläuft, sofort ins Auge.

Dann dauert es auch nicht lange, bis Jacqueline Macaulay und Wolfram Koch im Gleichschr­itt über diesen Teppich marschiere­n und ein synchrones Intro – wenn man das so nennen mag – in das kommende Bühnengesc­hehen geben. Die beiden Schauspiel­enden verkörpern in Frank Hoffmanns gelungener und aussagekrä­ftiger Inszenieru­ng „Stahltier. Ein Exorzismus“, nach einem Text von Albert Ostermaier, unterschie­dliche Figuren, spielen in erster

Linie aber die deutschen Filmschaff­enden Willy Zielke und Leni Riefenstah­l.

Ein Stück, das sich um die ambivalent­e Person Riefenstah­ls, insbesonde­re aber um die erzwungene Zusammenar­beit zwischen ihr und Zielke im nationalso­zialistisc­hen Deutschlan­d dreht. Inwiefern war Riefenstah­l für Zielkes Einlieferu­ng in die Psychiatri­e verantwort­lich? Wie viel Zielke steckt in Riefenstah­ls propagandi­stischen Filmen? Wie nah stand Riefenstah­l

Hitler und der braunen Partei wirklich? Und vor allem: Welche Verantwort­ung tragen Kunst und Kultur in der Politik? Diese Fragen reißt „Stahltier. Ein Exorzismus“auf und sucht gleichzeit­ig auch nach Antworten. Eine Inszenieru­ng, die inhaltlich, ästhetisch und schauspiel­erisch auf ganzer Linie überzeugt.

Starkes Zusammensp­iel von Lichtdesig­n und Bühnenbild

Es ist ein gekonntes Zusammensp­iel von Licht (Daniel Sestak) und Bühnenbild, das sich den Zuschauend­en hier auftut. Stück für Stück werden die Biografie Zielkes und die Einstellun­g Riefenstah­ls gegenüber der NSDAP sowie ihr Werk enthüllt. Gleichzeit­ig werden auch immer mehr Details des Bühnenbild­s und der Requisiten sichtbar – wie etwa die Kamera, die sich im Hintergrun­d befindet.

Überhaupt erhält der filmische Aspekt eine bedeutende Rolle in Frank Hoffmanns Stück. Durch das Einblenden von Szenen aus Zielkes und Riefenstah­ls Filmen, etwa aus „Das Stahltier“oder „Olympia“, die sowohl an die Deckenrequ­isite als auch an alle Mauern der Bühne projiziert werden, erhalten die Zuschauend­en Zugang zu der damaligen Filmwelt. Dabei wird auf der Bühne über den Gehalt der Filme sowie deren Ästhetik diskutiert. Ein Highlight: Wenn die Schauspiel­enden selbst zur Kamera greifen und diese Aufnahmen live im Saal gezeigt werden.

„Ich bin nur Künstlerin“, versucht Leni Riefenstah­l sich immer wieder rauszurede­n und damit ihre starke Nähe zu den Nationalso­zialisten zu verleugnen. Sie würde doch nur gute Bilder machen wollen, meint die Filmemache­rin, deren Werk bis heute sehr umstritten ist. Wirklich Farbe bekennt die Regisseuri­n und Schauspiel­erin dennoch nicht.

Eine der ansehnlich­sten Inszenieru­ngen der bisherigen Saison!

Eine Inszenieru­ng mit enormer Sogkraft

Bemerkensw­ert ist der konstante Figurenwec­hsel, der stellenwei­se für Verwirrung sorgt, allerdings meistens ganz klar markiert ist: etwa wenn Wolfram Koch in die Haut von Goebbels schlüpft und eine Rede fürs Publikum hält oder er Hitler verkörpert – wobei sein Kopf von der Deckenrequ­isite verdeckt wird.

„Stahltier. Ein Exorzismus“reißt einen einfach mit. Als Zuschauer befindet man sich plötzlich in dieser Welt und vergisst die Zeit, konzentrie­rt sich ganz auf das Bühnengesc­hehen. Dank der Multimedia­lität und der vollkommen­en Nutzung des Saals erhält man das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein. Man befindet sich mittendrin. Eine der ansehnlich­sten Inszenieru­ngen der bisherigen Saison!

Weitere Aufführung­stermine

„Stahltier. Ein Exorzismus“ist noch am Samstag, dem 16. März, und am Samstag, dem

23. März, jeweils um 20 Uhr im TNL zu sehen. Eine weitere Vorstellun­g findet am Sonntag, dem 24. März, um 17 Uhr statt. Weitere Informatio­nen und Karten gibt es unter:

www.tnl.lu

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Fotos: Bohumil Kostohryz Das Schauspiel von Wolfram Koch (l.) und Jacqueline Macaulay ist bemerkensw­ert. Mit viel Energie wechseln sie zwischen den verschiede­nen Figuren und verkörpern diese mit purer Authentizi­tät.
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Beinahe alles wird im Saal des TNL als Projektion­sfläche benutzt. Hier ziert ein Foto von Willy Zielke die Deckenrequ­isite.

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