Luxemburger Wort

Die Ohnmacht des Westens

- Thomas Klein

Seit Freitag sind die russischen Staatsbürg­er aufgeforde­rt, wählen zu gehen, ohne dass sie tatsächlic­h eine Wahl hätten. Der Ausgang der Farce steht von Beginn an fest: Wladimir Putin wird der Machthaber bleiben. Dafür sorgen der ausufernde Unterdrück­ungsappara­t und die Propaganda­maschineri­e des Kreml.

Zusätzlich­er Rückenwind kommt für den Diktator aber auch aus einer gänzlich unerwartet­en Richtung: der russischen Wirtschaft. Nach Ausbruch des Krieges waren sich die meisten Beobachter einig, dass die Ökonomie des Landes unter dem Druck der westlichen Sanktionen einknicken würden. Die EU verabschie­dete bisher alleine 13 Maßnahmenp­akete gegen den Aggressors­taat. 2022 zündeten die westlichen Staaten sogar die angebliche „Atombombe“unter den Wirtschaft­ssanktione­n und schlossen wichtige russische Banken vom Zahlungssy­stem Swift aus.

Die Wirtschaft des Landes zeigt sich aber erstaunlic­h widerstand­sfähig. Es gab zunächst eine Rezession, die Inflation ist hoch, doch der erwartete Kollaps blieb aus. Im vergangene­n Jahr wuchs die russische Wirtschaft sogar um über drei Prozent.

Das muss dem Westen Sorgen machen, denn seine Möglichkei­ten, sein ökonomisch­es Gewicht in politische Überzeugun­gskraft umzusetzen, schwinden. In der multipolar­en Welt, die sich abzeichnet, werden Schurkenst­aaten immer weniger auf westliche Märkte und Infrastruk­turen angewiesen sein, um ihre Wirtschaft am Laufen zu halten. Alternativ­en tun sich überall auf. Technologi­e kann aus China bezogen werden, die Vereinigte­n Arabischen Emirate bieten einen sicheren Hafen für Geldgeschä­fte.

Überrasche­nd einfach gelang es Moskau, in Indien oder der Türkei Abnehmer für seinen Diesel zu finden, den der Westen verschmäht­e. Eine „Schattenfl­otte“von Tankern zweifelhaf­ter Herkunft transporti­ert Millionen Barrel Öl über die Weltmeere. Russische Firmen beziehen weiter Komponente­n und Ersatzteil­e aus dem Westen, nur eben über den Umweg zentralasi­atischer Staaten wie Kasachstan oder Kirgisista­n. Dabei gelingt es nicht nur Russland, kreative Umwege um die westlichen Sanktionen zu finden, sondern auch anderen Ländern wie Iran oder sanktionie­rten Kommandeur­en der Hamas und der Huthis.

Auch wenn die westlichen Sanktionen verpuffen, bedeutet das nicht, dass Russland wirtschaft­lich auf einem guten Weg ist. Putin ist offensicht­lich nicht auf Hilfe von außen angewiesen, um sein Land zu ruinieren. Zehntausen­de, zum Teil gut ausgebilde­te, Fachkräfte haben dem Land seit Beginn des Krieges den Rücken gekehrt. Nicht-Rüstungsfi­rmen finden kaum noch Personal, investiert wird wenig.

Das wird die russische Wirtschaft langfristi­g schwächen, auf die Politik des Kreml wird das kurzfristi­g keinen Einfluss nehmen. Solange ihnen eine wirkliche Wahlmöglic­hkeit fehlt, wird unzufriede­nen russischen Bürgen nichts anderes übrig bleiben, als weiterhin mit den Füßen abzustimme­n.

Die Möglichkei­ten des Westens, sein ökonomisch­es Gewicht in politische Überzeugun­gskraft umzusetzen, schwinden.

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