Luxemburger Wort

Mehr Frauenpowe­r an der Spitze: Der Weg zur Gleichstel­lung im Beruf

Die Wirtschaft ist weiterhin männerdomi­niert – nur wenige Frauen arbeiten in der Führung luxemburgi­scher Unternehme­n. Wie es zu mehr weiblicher Kraft kommen kann

- Von Melanie Ptok

Einen Betrieb zu führen, ist nicht leicht. „Das ist kein 40 StundenJob. Es geht mit sehr viel Verantwort­ung und großen Entbehrung­en einher“, erklärt Jean-Paul Olinger, Generaldir­ektor der UEL (Union des Entreprise­s Luxembourg­eoises). Dabei sollte es völlig gleich sein, ob ein Mann oder eine Frau an der Spitze eines Unternehme­ns steht. Trotzdem sind deutlich weniger Frauen in einer Leitungspo­sition angestellt.

Nur 23 Prozent der Führungspo­sitionen in den größten börsennoti­erten Unternehme­n Luxemburgs werden von Frauen besetzt, das geht aus den aktuellste­n Zahlen von Eurostat hervor. Im Vergleich zu den Nachbarlän­dern Belgien und Deutschlan­d mit jeweils knapp 39 Prozent und Frankreich mit 46 Prozent weiblicher Führungskr­äfte, ist der luxemburgi­sche Wert eher niedrig. Olinger findet jedoch, „dass sich die Situation über die letzten Jahre zum Besseren entwickelt hat“und „dass dieser Prozess jetzt kontinuier­lich weitergehe­n muss.“

Eine gute Mischung aus Frauen und Männern macht's

Michelle Cloos, zukünftige Generaldir­ektorin des Verlagshau­ses Editpress, unterstrei­cht die Rolle von Gleichstel­lung am Arbeitspla­tz, denn es sei „eine generelle Frage der Gerechtigk­eit.“Daher sei es wichtig, für diese Thematik zu sensibilis­ieren, ergänzt Olinger.

„Die UEL ist absolut dafür, dass man die Bedingunge­n schafft, um den Anteil von Frauen in der Praxis zu erhöhen, weil das einfach sehr viele Vorteile hat“, erklärt Olinger und fügt hinzu „Unternehme­n mit einem Mix aus Frauen und Männern in ihren Führungsgr­emien sehen die Welt anders und begegnen unterschie­dlichen Problemste­llungen besser.“

Das Frauenbild heute sei ein anderes als früher, erklärt Olinger. „Ich denke, dass Mädchen heute mit mehr Selbstbewu­sstsein aufwachsen. Dementspre­chend werden sie auch in der Hinsicht andere Gegebenhei­ten vorfinden als Generation­en davor. Denn das Arbeitsbil­d hat sich in vielen Betrieben verändert und vielleicht ändert sich dementspre­chend auch irgendwann das Bild von Führungspo­sitionen“, führt er aus.

Strukturel­les Problem

Die Gründe für den geringeren Frauenante­il in Führungspo­sitionen sind vielfältig, aber „es liegt sicherlich nicht an der schulische­n Qualifikat­ion“, erklärt Olinger. Michelle Cloos beschreibt, dass das Leiten eines Unternehme­ns sehr viel Zeit kostet. Damit würden auch mentale Lasten einhergehe­n, sagt die zukünftige Editpress-Chefin: „Es ist ein weitgehend strukturel­les Problem in Luxemburg. Die Realität ist, dass die Frauen meistens – es gibt immer Ausnahmen – den Großteil der Care-Arbeit machen und sich um die Familie kümmern“, was es schwierig mache, Unternehme­nsführung und Privatlebe­n zu vereinbare­n.

Deswegen arbeiten Frauen oft in Teilzeit, was Cloos als „sehr große Bremse“bei der Einbindung in Führungspo­sitionen bezeichnet. Eine Pressespre­cherin des Ministeriu­ms für Gleichstel­lung und Diversität (MEGA) betont in diesem Zusammenha­ng, dass nichts gegen eine Führungspo­sition in Teilzeit spreche, wobei UEL-Direktor Olinger unterstrei­cht, dass solche Fragen in den Unternehme­n selbst geklärt werden müssen.

Frauen sollen sich holen, was sie möchten und nicht einfach herumsitze­n und warten, bis sie jemand fragt. Betty Fontaine, Chefin der Brauerei Simon

Das MEGA teilt auf LW-Nachfrage mit, dass das Ministeriu­m „sich dazu verpflicht­et hat, gegen Stereotype­n vorzugehen und Frauen zu ermutigen, sich für eine Führungsro­lle zu entscheide­n.“Yuriko Backes, Ministerin für Gleichstel­lung, hat deshalb die Charta „Women in Finance“ins Leben gerufen, um Frauen im Finanzwese­n besser zu integriere­n

und deren Karriere zu unterstütz­en. Auch Olinger macht deutlich: „Was wir machen können, ist zu sensibilis­ieren und zu versuchen, die Vereinbark­eit zwischen Familie und Job zu verbessern.“

Drei Frauen, drei Geschichte­n

Im Februar dieses Jahres wurde bekannt, dass Michelle Cloos die Leitung des Verlagshau­s Editpress übernehmen wird. Die Reaktion darauf beschreibt sie als überwiegen­d positiv: „Als es in der Presse bekannt wurde, habe ich sehr viel guten Zuspruch bekommen. In dem Sinne kann ich mich gar nicht beklagen.“Vorurteile habe sie nicht erlebt, sie schließt aber nicht aus „dass es sicherlich in verschiede­nen Unternehme­n so etwas gibt.“

Betty Fontaine, Chefin der Brauerei Simon in Wiltz, beschreibt hingegen, dass der Start an der Unternehme­nsspitze für sie nicht einfach war: „Der Überraschu­ngseffekt war klar da, als junge Frau im Biergeschä­ft. Ob es aber daran lag, dass ich eine Frau bin oder einfach nur jung und unerfahren war, kann ich nicht sagen. Auch diverse Kunden wollten, dass ich mir zuerst mal die Sporen verdiene, ehe sie Geschäfte mit mir machten, weil doch viele Leute daran zweifelten, ob ich dem Ganzen gewachsen sei.“

Die Vorstandsv­orsitzende der BGL BNP Paribas Béatrice Belorgey erklärt, dass sie auch keine Vorurteile erfahren habe, zweifelhaf­te Blicke allerdings schon. Sie fügt hinzu: „Zu den Schwierigk­eiten zählten die mit den Aufstiegsm­öglichkeit­en verbundene­n Risiken. Ergreift man eine Chance und stürzt sich ins kalte Wasser, dann kann das auch schiefgehe­n. Man braucht also Mut dazu. Wichtig ist, dass man es wagt, die eigene Komfortzon­e zu verlassen, und dass man sich als Frau nicht selbst ausbremst.“

Auch Françoise Thoma, CEO der Spuerkeess, beschreibt ihre Erfahrung als Frau an der Unternehme­nsspitze. „Ich bin in diese Rolle hineingewa­chsen und hatte auch schon auf anderen Ebenen Führungspo­sitionen ausgeübt. Es war daher ein ziemlich natürliche­r Prozess. In all meinen berufliche­n Rollen habe ich stets darauf geachtet, offen für Neues zu sein, zu lernen und dies mit meiner eigenen Persönlich­keit zu vereinen. Dann wird man im Allgemeine­n von den meisten Kollegen positiv aufgenomme­n, unabhängig davon, ob man eine Frau oder ein Mann ist.“

So kann der Frauenante­il wachsen

Auf die Frage, wie man die Zahl von Frauen in Führungspo­sitionen erhöhen kann, hat Betty Fontaine eine klare Antwort: „Indem man Frauen heranlässt.“Das müsse aber auf natürliche Weise geschehen – etwa über einen Mentalität­swechsel, der bislang aber noch „schleppend“vorangehe, erklärt sie. Eine feste Quote wäre in dem Fall nicht sinnvoll, denn wie Michelle Cloos betont, ist Gleichbere­chtigung weitgehend­er, „als nur die Frage nach den Führungspo­sitionen. Auch wenn wir überall eine Quote von 50 Prozent weiblicher Führungskr­äfte hätten, wären nicht alle Probleme gelöst.“

Spuerkeess-Chefin Thoma sieht den Schlüssel zu einer langfristi­gen Steigerung des Frauenante­ils in Chefetagen vor allem in Förderungs­programmen, wie etwa Mentoring. Netzwerke können aufgebaut und Kontakte mit erfahrenen Führungskr­äften geknüpft werden. „Es geht dabei nicht unbedingt um Vorbilder, sondern um Inspiratio­n und Realisierb­arkeit“, fügt sie hinzu.

Fontaine rät Frauen, die beruflich aufsteigen wollen, „sich das zu holen, was sie möchten, und nicht herumzusit­zen und zu warten, bis jemand sie fragt. Männer haben da auch keine Scham, mal gerade jemanden anzurufen. Frauen sind da doch eher zurückhalt­end und stellen sich erstmal 1.000 Fragen.“

Dass das helfen kann, beobachtet auch Béatrice Belorgey: „Ich war überrascht, wie viele Frauen – darunter auch junge Frauen – zu mir kamen mit der Frage, wie ich es geschafft habe, in diese Position zu kommen. Diese Frauen wollten sich nach meinen Erfahrunge­n erkundigen, um diese in die eigene Karrierepl­anung einfließen zu lassen.“Sie fügt mit Blick auf die Zukunft hinzu: „Das zeigt, dass es viele Frauen gibt, die den Willen haben, Karriere zu machen und in ihrem Beruf aufzusteig­en. Ich bin also zuversicht­lich, dass die Anzahl von Frauen in Führungspo­sitionen in naher Zukunft weiter steigen wird.“

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 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Béatrice Belorgey ist seit Juli 2020 Vorstandsv­orsitzende bei der BGL BNP Paribas.
Fotos: Gerry Huberty Béatrice Belorgey ist seit Juli 2020 Vorstandsv­orsitzende bei der BGL BNP Paribas.
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Ab Mai wird Michelle Cloos die Führung von Editpress übernehmen.
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Foto: Shuttersto­ck Nur 23 Prozent der Führungspo­sitionen in den größten börsennoti­erten Unternehme­n Luxemburgs werden von Frauen besetzt.
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Foto: Caroline Martin Vor 20 Jahren trat Betty Fontaine an die Spitze der Brauerei Simon in Wiltz.
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Foto: LW-Archiv Seit 2016 leitet Françoise Thoma die Spuerkeess.

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