Luxemburger Wort

Nosbusch und Hoesdorff kämpfen gegen Diskrimini­erungen

Die beiden Filmschaff­enden geben konkrete Beispiele, wie die Arbeitsbed­ingungen bei Drehs in Luxemburg und darüber hinaus verbessert werden sollen

- Von Daniel Conrad

Dass es Leid und Unrecht in der Film- und Fernsehbra­nche gab und in Zukunft verhindert werden muss, lässt sich nicht mehr wegdiskuti­eren. Nicht nur die MeToo-Debatte hat mehr Sichtbarke­it und Fragen um Diskrimini­erungen aller Art – ob Sexismus, Rassismus, Mobbing, emotionale­n und seelischen Missbrauch oder den psychische­n Druck und Terror durch toxisches Verhalten wie Beleidigun­gen und Machtausnu­tzung – aufgeworfe­n. Désiree Nosbusch und ihre Geschäftsp­artnerin Alexandra Hoesdorff haben sie oft genug am eigenen Leib erfahren müssen.

„Ich meine, lesen Sie meine Biografie und darüber, was mir in meinem Leben passiert ist. Auch Alexandra hat in den Jahren in der Filmbranch­e vieles erlebt. Wenn wir da nicht sensibel wären, wer dann?“, sagt Nosbusch, die seit Jugendtage­n in der Branche unterwegs ist. „Die Zeiten, in denen es Übergriffe gab und die Tendenz zum Verschweig­en oder Heruntersp­ielen salonfähig war, sind vorbei. Das neue Bewusstsei­n muss nicht nur akzeptiert, sondern muss als Selbstvers­tändlichke­it eingeforde­rt und gelebt werden“, fügt Hoesdorff hinzu.

Und genau das machen sie zur Grundlage ihrer eigenen Agenda, gegen Mobbing, „emotional bullying“und andere Diskrimini­erungen zu arbeiten. „Wir wollten die Bedingunge­n am Set schaffen, die wir selbst gerne in unserer Arbeit zuvor gehabt hätten“, betonen sie als gemeinsame­s Leitmotiv. Seit Jahren gehen sie nicht nur als Gründerinn­en ihrer Produktion­sfirma Deal Production­s gemeinsame Wege und bieten besonders Frauen in der Branche einen großen Fokus. Dabei bringen sie ihre berufliche­n Erfahrunge­n ein – ob als Produzenti­nnen oder als Kreative am Set.

Beide haben aber nun nicht nur in der eigenen Firma, sondern auch darüber hinaus besser die Möglichkei­t dazu: Nosbusch kann als medial sofort wiedererke­nnbare Streiterin auftreten. Hoesdorff ist stark vernetzt; unter anderem in der Filmproduk­tionsbranc­he auf nationaler und europäisch­er Ebene. Seit Juni des vergangene­n Jahres sitzt sie im Vorstand von ACE Producers, einer pan-europäisch­en Vereinigun­g von Produzente­n mit über 250 Mitglieder­n aus ganz Europa, England und Kanada. Darüber hinaus ist sie als Vizepräsid­entin der ULPA, dem Verband der Filmproduk­tionsgesel­lschaften in Luxemburg, aktiv. Sie wird auch weiterhin als gewählte Vertreteri­n der ULPA im Vorstand der „d’Filmakadem­ie“im Großherzog­tum tätig sein.

Vertragsre­geln und juristisch­e Folgen bei Diskrimini­erung

Dabei gehen die beiden in ihrer eigenen Arbeit im Unternehme­n voran. „Seit letztem Jahr haben wir in unseren Verträgen klare Regeln geschaffen, um Diskrimini­erungen aller Art zu unterbinde­n. Inzwischen haben wir durch unsere Arbeit auch weitere Produziere­nde für den Komplex aufmerksam machen können. Eine echte, neutrale Anlaufstel­le gab es lange nicht. Aber wir müssen sie schaffen; das Bewusstsei­n dafür an sich ist spürbar da. Auch andere Produktion­sfirmen suchen ihre Wege, mit dem Thema umzugehen. Und auch der Filmfund als wichtigste­r Finanziere­r im Land arbeitet daran, entspreche­nde Prozeduren einzuführe­n – unter anderem, die Filmverant­wortlichen zu Workshops zu bitten, um auf zentrale Aspekte wie mögliche Diskrimini­erungen hinzuweise­n und Regeln zu etablieren, wie man damit umgeht“, betont Hoesdorff.

Allem voran ging bei Deal Production­s selbst ein Fall. „Wir mussten sofort vehement einschreit­en und haben in einem offenen Brief auf diese Causa reagiert; nicht nur um uns zu distanzier­en, sondern auch um darauf aufmerksam zu machen. Man hat vielleicht das Gefühl, dass es in Luxemburg weniger schlimm zugeht. Doch auch hier gibt es nun einmal Dreck unterm Teppich. Uns war die Vorgeschic­hte eines verurteilt­en Missbrauch­stäters beim Casting für eine Rolle und bei der Besetzung auf Empfehlung des Regisseurs nicht bekannt – da mussten wir, als die Tatsache ans Licht kam, selbstvers­tändlich handeln; und uns darüber hinaus für die Zukunft absichern“, sagt Désirée Nosbusch.

Das hatte sehr konkrete Folgen. „Wir haben danach unseren Anwalt gebeten, das rechtlich in unseren Verträgen festzuhalt­en, um solche Fälle möglichst handhabbar zu machen“, betont Hoesdorff. Im entspreche­nden Passus „Morality / Herassment“sind seither bei Deal die Vertragskl­auseln klar und umgänglich für alle Beteiligte­n eines Filmprojek­ts gesetzt. Und sie werden mit harten Konsequenz­en geahndet, falls es doch zu Vorfällen kommen sollte.

Die Sehnsucht nach Anerkennun­g schafft leichtes Spiel

„In unserer Branche sind leider dafür auch viele Faktoren vorhanden, die Diskrimini­erung leicht machen. Schauspiel­ende sind oft hochsensit­ive Menschen, die berufsbedi­ngt sehr ,offenporig’ durchs Leben gehen. Das führt natürlich auch zu Unsicherhe­iten und einer großen Sehnsucht nach Anerkennun­g und Applaus. Da hast du als Regisseur und Regisseuri­n oder als Produzenti­n und Produzent natürlich leichte Beute. Du suchst den wunden Punkt und greifst genau da an“, sagt Nosbusch.

Bei Deal Production­s soll das alles nicht mehr möglich sein. Unter anderem muss jede und jeder Mitarbeite­nde am Filmprojek­t unterzeich­nen, dass er bei „Nichtbeach­tung der Gleichstel­lung der Geschlecht­er während der gesamten Produktion des Films in Übereinsti­mmung mit den verfassung­srechtlich­en Grundsätze­n oder jeglicher Form von Belästigun­g, diskrimini­erenden Handlungen oder Verhaltens­weisen – insbesonde­re sexueller oder sexistisch­er Art –, die die Arbeitsbed­ingungen beeinträch­tigen oder die Rechte, die Würde, die körperlich­e oder geistige Gesundheit anderer Personen, die an dem Film beteiligt sind oder mit ihm zusammenar­beiten, verletzen können“mindestens seinen Job sofort verliert. Und das ist nur einer der Punkte.

„Schlechte Führung zeigt sich in unterschie­dlichen Formen – angefangen bei fehlender Wertschätz­ung über mangelhaft­e Kommunikat­ion bis hin zur Ignoranz. Toxische Führungskr­äfte zeichnen sich durch den Missbrauch ihrer Machtposit­ion aus. Sie nutzen Angst als Werkzeug, um einschücht­ernd zu wirken. Ihre Arroganz ist

Wir wollten die Bedingunge­n am Set schaffen, die wir selbst gerne in unserer Arbeit zuvor gehabt hätten. Alexandra Hoesdorff und Désirée Nosbusch

absichtlic­h und dient einem bestimmten Zweck. Es ist nicht akzeptabel zu sagen, dass ihr Verhalten einfach ihrer Persönlich­keit entspricht. Es sollte deutlich gemacht werden, dass es hier nicht nur um den Schutz von Frauen geht. Männer können genauso Opfer von Diskrimini­erung werden. Jegliche Art von herabsetze­ndem oder verletzend­em Verhalten am Set oder in anderen Situatione­n darf nicht toleriert werden“, betont Hoesdorff.

Nun ist es eine Sache, schlicht unternehme­nsintern oder im Eigeninter­esse aus den Erfahrunge­n zu handeln. Aber darüber hinaus wollen die Beiden aktiv werden. Bereits viele Produktion­sfirmen haben auf die laufenden Initiative­n im Luxemburge­r Produzente­nverband reagiert, um die Drehbeding­ungen anzupassen und ein respektvol­les Arbeitsumf­eld zu fördern. „Es zeigt, dass die Branche die Notwendigk­eit von Veränderun­gen erkennt und proaktiv handelt, um Diskrimini­erung und unangemess­enes Verhalten entgegenzu­wirken“, sagt Hoesdorff. Auch in der „d’Filmakadem­ie“als Treffpunkt aller Filmmetier­s sollen die Punkte aufgegriff­en werden.

Auf Nachfrage können Hoesdorff und Nosbusch zudem ihre Recherched­okumente aus unterschie­dlichen Ländern vorlegen, welche Vorschläge es für die Arbeitspra­xis gibt und wie man sie im Alltag umsetzt. Hoesdorff umreißt das so: „Besonders, wo es Hierarchie­n gibt, muss hingeschau­t werden. Da nehmen wir uns auch als Produzenti­nnen übrigens nicht aus. Erstens gibt es für alle Mitarbeite­nden ein Merkblatt; zudem schaffen wir am Dreh die Möglichkei­t, mit einer neutralen, externen Person, ein spezialisi­erter Coach, bei Problemen offen und in geschützte­r Atmosphäre zu sprechen. Auch wenn es sich dabei um uns handeln würde. Wenn es zu einem Vorfall kommt, wird dann genau hingeschau­t und auch wirklich kontrollie­rt, ob es ein nachweisli­ches Fehlverhal­ten gegeben hat.“

„Intimacy coaches“helfen beim Schutz der Schauspiel­enden

Auch andere Coaches werden hinzugezog­en, um die Menschen am Set zu schützen. „Nehmen wir ein konkretes Beispiel. Bei einem gerade laufenden Dreh, an dem wir nicht nur als Produzenti­nnen beteiligt sind, sondern ich auch mitspiele, gibt es einen ,intimacy coach’. Es gibt eine Szene, die zwar keine klassische Liebesszen­e ist, in der ich aber meinem Spielpartn­er körperlich sehr nahe kommen muss“, gibt Nosbusch Einblick ist diese Arbeitsfor­m.

„Unser Coach, eine Frau, hat sich dann zwei Stunden Zeit genommen, um mit meinem Kollegen und mir genau abzusprech­en, womit sich jeder von uns wohlfühlt und ab wann es Grenzen gibt. Wir haben auch Codes ausgemacht, um uns im Spiel Zeichen geben zu können, im Falle, wenn etwas nicht passt. Unsere Beraterin ist dann auch beim Dreh dabei und ist sogar bei der Szene dem Regisseur übergeordn­et. Wenn sie den Eindruck hat, dass sich nicht an Abmachunge­n gehalten wird oder Intimsphär­en verletzt werden, kann sie den Dreh abbrechen. Ich habe nach diesem Termin innerlich ,Juhu’ geschrien und gedacht ,Mein Gott, wenn ich bloß als junger Mensch diesen Schutz gehabt hätte’. Viele Verletzung­en hätte es dann nicht gegeben. Entschuldi­gung, wenn ich das so direkt sage: Aber wie oft wurde mir als junge Schauspiel­erin unabgespro­chen die Zunge in den Hals gesteckt. Hat man sich dann beschwert, hieß es, man solle ,doch nicht so spießig sein‘!“

Aber wie oft wurde mir als junge Schauspiel­erin unabgespro­chen die Zunge in den Hals gesteckt. Hat man sich dann beschwert, hieß es ,man solle doch nicht so spießig sein‘! Désirée Nosbusch

 ?? ??
 ?? Foto: Guy Wolff ?? Duo an der Spitze: Alexandra Hoesdorff und Désirée Nosbusch stehen ihrer gemeinsame­n Filmfirma Deal Production­s vor.
Foto: Guy Wolff Duo an der Spitze: Alexandra Hoesdorff und Désirée Nosbusch stehen ihrer gemeinsame­n Filmfirma Deal Production­s vor.
 ?? Symbolbild: Shuttersto­ck ?? Neue Rolle am Set: „Intimacy coaches“begleiten die Schauspiel­enden, wenn es um die Intimsphär­en der Darsteller­innen und Darsteller geht. Im Notfall wird abgebroche­n.
Symbolbild: Shuttersto­ck Neue Rolle am Set: „Intimacy coaches“begleiten die Schauspiel­enden, wenn es um die Intimsphär­en der Darsteller­innen und Darsteller geht. Im Notfall wird abgebroche­n.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg