Nosbusch und Hoesdorff kämpfen gegen Diskriminierungen
Die beiden Filmschaffenden geben konkrete Beispiele, wie die Arbeitsbedingungen bei Drehs in Luxemburg und darüber hinaus verbessert werden sollen
Dass es Leid und Unrecht in der Film- und Fernsehbranche gab und in Zukunft verhindert werden muss, lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Nicht nur die MeToo-Debatte hat mehr Sichtbarkeit und Fragen um Diskriminierungen aller Art – ob Sexismus, Rassismus, Mobbing, emotionalen und seelischen Missbrauch oder den psychischen Druck und Terror durch toxisches Verhalten wie Beleidigungen und Machtausnutzung – aufgeworfen. Désiree Nosbusch und ihre Geschäftspartnerin Alexandra Hoesdorff haben sie oft genug am eigenen Leib erfahren müssen.
„Ich meine, lesen Sie meine Biografie und darüber, was mir in meinem Leben passiert ist. Auch Alexandra hat in den Jahren in der Filmbranche vieles erlebt. Wenn wir da nicht sensibel wären, wer dann?“, sagt Nosbusch, die seit Jugendtagen in der Branche unterwegs ist. „Die Zeiten, in denen es Übergriffe gab und die Tendenz zum Verschweigen oder Herunterspielen salonfähig war, sind vorbei. Das neue Bewusstsein muss nicht nur akzeptiert, sondern muss als Selbstverständlichkeit eingefordert und gelebt werden“, fügt Hoesdorff hinzu.
Und genau das machen sie zur Grundlage ihrer eigenen Agenda, gegen Mobbing, „emotional bullying“und andere Diskriminierungen zu arbeiten. „Wir wollten die Bedingungen am Set schaffen, die wir selbst gerne in unserer Arbeit zuvor gehabt hätten“, betonen sie als gemeinsames Leitmotiv. Seit Jahren gehen sie nicht nur als Gründerinnen ihrer Produktionsfirma Deal Productions gemeinsame Wege und bieten besonders Frauen in der Branche einen großen Fokus. Dabei bringen sie ihre beruflichen Erfahrungen ein – ob als Produzentinnen oder als Kreative am Set.
Beide haben aber nun nicht nur in der eigenen Firma, sondern auch darüber hinaus besser die Möglichkeit dazu: Nosbusch kann als medial sofort wiedererkennbare Streiterin auftreten. Hoesdorff ist stark vernetzt; unter anderem in der Filmproduktionsbranche auf nationaler und europäischer Ebene. Seit Juni des vergangenen Jahres sitzt sie im Vorstand von ACE Producers, einer pan-europäischen Vereinigung von Produzenten mit über 250 Mitgliedern aus ganz Europa, England und Kanada. Darüber hinaus ist sie als Vizepräsidentin der ULPA, dem Verband der Filmproduktionsgesellschaften in Luxemburg, aktiv. Sie wird auch weiterhin als gewählte Vertreterin der ULPA im Vorstand der „d’Filmakademie“im Großherzogtum tätig sein.
Vertragsregeln und juristische Folgen bei Diskriminierung
Dabei gehen die beiden in ihrer eigenen Arbeit im Unternehmen voran. „Seit letztem Jahr haben wir in unseren Verträgen klare Regeln geschaffen, um Diskriminierungen aller Art zu unterbinden. Inzwischen haben wir durch unsere Arbeit auch weitere Produzierende für den Komplex aufmerksam machen können. Eine echte, neutrale Anlaufstelle gab es lange nicht. Aber wir müssen sie schaffen; das Bewusstsein dafür an sich ist spürbar da. Auch andere Produktionsfirmen suchen ihre Wege, mit dem Thema umzugehen. Und auch der Filmfund als wichtigster Finanzierer im Land arbeitet daran, entsprechende Prozeduren einzuführen – unter anderem, die Filmverantwortlichen zu Workshops zu bitten, um auf zentrale Aspekte wie mögliche Diskriminierungen hinzuweisen und Regeln zu etablieren, wie man damit umgeht“, betont Hoesdorff.
Allem voran ging bei Deal Productions selbst ein Fall. „Wir mussten sofort vehement einschreiten und haben in einem offenen Brief auf diese Causa reagiert; nicht nur um uns zu distanzieren, sondern auch um darauf aufmerksam zu machen. Man hat vielleicht das Gefühl, dass es in Luxemburg weniger schlimm zugeht. Doch auch hier gibt es nun einmal Dreck unterm Teppich. Uns war die Vorgeschichte eines verurteilten Missbrauchstäters beim Casting für eine Rolle und bei der Besetzung auf Empfehlung des Regisseurs nicht bekannt – da mussten wir, als die Tatsache ans Licht kam, selbstverständlich handeln; und uns darüber hinaus für die Zukunft absichern“, sagt Désirée Nosbusch.
Das hatte sehr konkrete Folgen. „Wir haben danach unseren Anwalt gebeten, das rechtlich in unseren Verträgen festzuhalten, um solche Fälle möglichst handhabbar zu machen“, betont Hoesdorff. Im entsprechenden Passus „Morality / Herassment“sind seither bei Deal die Vertragsklauseln klar und umgänglich für alle Beteiligten eines Filmprojekts gesetzt. Und sie werden mit harten Konsequenzen geahndet, falls es doch zu Vorfällen kommen sollte.
Die Sehnsucht nach Anerkennung schafft leichtes Spiel
„In unserer Branche sind leider dafür auch viele Faktoren vorhanden, die Diskriminierung leicht machen. Schauspielende sind oft hochsensitive Menschen, die berufsbedingt sehr ,offenporig’ durchs Leben gehen. Das führt natürlich auch zu Unsicherheiten und einer großen Sehnsucht nach Anerkennung und Applaus. Da hast du als Regisseur und Regisseurin oder als Produzentin und Produzent natürlich leichte Beute. Du suchst den wunden Punkt und greifst genau da an“, sagt Nosbusch.
Bei Deal Productions soll das alles nicht mehr möglich sein. Unter anderem muss jede und jeder Mitarbeitende am Filmprojekt unterzeichnen, dass er bei „Nichtbeachtung der Gleichstellung der Geschlechter während der gesamten Produktion des Films in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen oder jeglicher Form von Belästigung, diskriminierenden Handlungen oder Verhaltensweisen – insbesondere sexueller oder sexistischer Art –, die die Arbeitsbedingungen beeinträchtigen oder die Rechte, die Würde, die körperliche oder geistige Gesundheit anderer Personen, die an dem Film beteiligt sind oder mit ihm zusammenarbeiten, verletzen können“mindestens seinen Job sofort verliert. Und das ist nur einer der Punkte.
„Schlechte Führung zeigt sich in unterschiedlichen Formen – angefangen bei fehlender Wertschätzung über mangelhafte Kommunikation bis hin zur Ignoranz. Toxische Führungskräfte zeichnen sich durch den Missbrauch ihrer Machtposition aus. Sie nutzen Angst als Werkzeug, um einschüchternd zu wirken. Ihre Arroganz ist
Wir wollten die Bedingungen am Set schaffen, die wir selbst gerne in unserer Arbeit zuvor gehabt hätten. Alexandra Hoesdorff und Désirée Nosbusch
absichtlich und dient einem bestimmten Zweck. Es ist nicht akzeptabel zu sagen, dass ihr Verhalten einfach ihrer Persönlichkeit entspricht. Es sollte deutlich gemacht werden, dass es hier nicht nur um den Schutz von Frauen geht. Männer können genauso Opfer von Diskriminierung werden. Jegliche Art von herabsetzendem oder verletzendem Verhalten am Set oder in anderen Situationen darf nicht toleriert werden“, betont Hoesdorff.
Nun ist es eine Sache, schlicht unternehmensintern oder im Eigeninteresse aus den Erfahrungen zu handeln. Aber darüber hinaus wollen die Beiden aktiv werden. Bereits viele Produktionsfirmen haben auf die laufenden Initiativen im Luxemburger Produzentenverband reagiert, um die Drehbedingungen anzupassen und ein respektvolles Arbeitsumfeld zu fördern. „Es zeigt, dass die Branche die Notwendigkeit von Veränderungen erkennt und proaktiv handelt, um Diskriminierung und unangemessenes Verhalten entgegenzuwirken“, sagt Hoesdorff. Auch in der „d’Filmakademie“als Treffpunkt aller Filmmetiers sollen die Punkte aufgegriffen werden.
Auf Nachfrage können Hoesdorff und Nosbusch zudem ihre Recherchedokumente aus unterschiedlichen Ländern vorlegen, welche Vorschläge es für die Arbeitspraxis gibt und wie man sie im Alltag umsetzt. Hoesdorff umreißt das so: „Besonders, wo es Hierarchien gibt, muss hingeschaut werden. Da nehmen wir uns auch als Produzentinnen übrigens nicht aus. Erstens gibt es für alle Mitarbeitenden ein Merkblatt; zudem schaffen wir am Dreh die Möglichkeit, mit einer neutralen, externen Person, ein spezialisierter Coach, bei Problemen offen und in geschützter Atmosphäre zu sprechen. Auch wenn es sich dabei um uns handeln würde. Wenn es zu einem Vorfall kommt, wird dann genau hingeschaut und auch wirklich kontrolliert, ob es ein nachweisliches Fehlverhalten gegeben hat.“
„Intimacy coaches“helfen beim Schutz der Schauspielenden
Auch andere Coaches werden hinzugezogen, um die Menschen am Set zu schützen. „Nehmen wir ein konkretes Beispiel. Bei einem gerade laufenden Dreh, an dem wir nicht nur als Produzentinnen beteiligt sind, sondern ich auch mitspiele, gibt es einen ,intimacy coach’. Es gibt eine Szene, die zwar keine klassische Liebesszene ist, in der ich aber meinem Spielpartner körperlich sehr nahe kommen muss“, gibt Nosbusch Einblick ist diese Arbeitsform.
„Unser Coach, eine Frau, hat sich dann zwei Stunden Zeit genommen, um mit meinem Kollegen und mir genau abzusprechen, womit sich jeder von uns wohlfühlt und ab wann es Grenzen gibt. Wir haben auch Codes ausgemacht, um uns im Spiel Zeichen geben zu können, im Falle, wenn etwas nicht passt. Unsere Beraterin ist dann auch beim Dreh dabei und ist sogar bei der Szene dem Regisseur übergeordnet. Wenn sie den Eindruck hat, dass sich nicht an Abmachungen gehalten wird oder Intimsphären verletzt werden, kann sie den Dreh abbrechen. Ich habe nach diesem Termin innerlich ,Juhu’ geschrien und gedacht ,Mein Gott, wenn ich bloß als junger Mensch diesen Schutz gehabt hätte’. Viele Verletzungen hätte es dann nicht gegeben. Entschuldigung, wenn ich das so direkt sage: Aber wie oft wurde mir als junge Schauspielerin unabgesprochen die Zunge in den Hals gesteckt. Hat man sich dann beschwert, hieß es, man solle ,doch nicht so spießig sein‘!“
Aber wie oft wurde mir als junge Schauspielerin unabgesprochen die Zunge in den Hals gesteckt. Hat man sich dann beschwert, hieß es ,man solle doch nicht so spießig sein‘! Désirée Nosbusch