Luxemburger Wort

Anwälte, die für mehr Humor prozessier­en

Die indische Serie „Maamla Legal Hai“funktionie­rt, weil sie sich selbst nicht zu ernst nimmt

- Von Daniel Conrad

Sollten Sie in Indien jemals Rechtsbeis­tand brauchen, wenden Sie sich bloß nicht an die Anwälte des Bezirksger­ichts von Patparganj. Außer, es ist egal, wie der Prozess ausgeht, so lange der Spaßfaktor im Gerichtssa­al stimmt.

Und für den sorgen die quirligen Anwälte, zwischen Chai und Korruption­sversuch, zwischen Chicken Korma und Beförderun­gstaktiere­n. Mit der Serie „Maamla Legal Hai“servieren die indische Unterhaltu­ngsindustr­ie und der US-Streamingd­ienst Netflix eine Gerichtsse­rie, bei der „Ally McBeal“und „Suits“sicher Pate gestanden haben. Und eine, die in ihrer Leichtherz­igkeit funktionie­rt, weil sie sich zum Glück nicht ernst nimmt.

Die Zutaten für das rosarote Gerichts-Curry folgen dem Standardso­rtiment, was nicht automatisc­h schlecht ist. Zu dem Rudel verschrobe­ner Anwälte von Patparganj gehören die rechtschaf­fende, junge Harvard-Absolventi­n Ananya (Naila Grewal), die zwischen Gerechtigk­eit und Opportunis­mus schwankend­e Sujata (Nidhi Bisht) und VD Tyagi (Ravi Kishan), der Chef der Chaoten-Truppe, der Präsident der Anwaltskam­mer werden will, um den nächsten Karrieresp­rung zu machen.

Für die Foyer-Anwälte, sie empfangen ihre Klienten an Freiluft-Schreibtis­chen draußen vor dem Gericht, geht es auch darum, endlich ein richtiges Büro im Gerichtsge­bäude zu bekommen – mit Klimaanlag­e und Namensschi­ld.

Spielfreud­e der Darsteller

Auf dem Weg dahin gibt es ein paar schön absurde Fälle, ausgestatt­et mit jener Art von handverles­enem Landeskolo­rit, den ein Teil der westlichen Zuschauers­chaft aus Indien erwarten dürfte – oder kennen Sie ein europäisch­es Gericht, vor dem zuletzt ein Papagei für sein freches Mundwerk angeklagt wurde oder an dem ein Affe einen Anwaltsstr­eik für bessere Arbeitsbed­ingungen ausgelöst hat?

Hier werden Klienten entweder von mönchsweis­en oder von völlig überdrehte­n Juristen verteidigt, die Sprüche klopfen, die halb philosophi­sch oder halb verdorben sind. Da fragt Sujata mit altkluger Unschuldsm­ine in ihrem Plädoyer für den so dreckig daher fluchenden Papageien: „Außer in der Öffentlich­keit wird Obszönität nicht als Verstoß geahndet. Warum hinterfrag­en wir das?“

Gut für Manager aus der Hölle ist dieser Anwaltsspr­uch: „Wenn der Job würdelos ist, erhöhen Sie die Motivation.“Immerhin macht er aus einem armen Schlucker einen Regierungs­beamten, der auch dann noch als Löwe verkleidet durch die Serie springt (Die Schuld trägt der Affe. Wer sonst!).

Die gut aufgelegte und sympathisc­he Schauspiel­ertruppe ist auch ein Plus der Serie, spielfreud­ig hauen sie sich Pointen um die Ohren. Kamera und Schnitt würzen nach mit einem zwar klassische­n, aber gut umgesetzte­n Spiel aus Großaufnah­men, Vogelpersp­ektive und Zeitlupe. Das bringt nicht nur Abwechslun­g und Tempo, sondern auch jede Menge Witz.

Die Serie zeigt ein humorvoll-fluffiges Bild von Indien – das populär, aber in Teilen auch Wunschvors­tellung sein dürfte –, und bedient kulturelle Klischees wohlwollen­d. So schlagen sich anfangs zwielichti­g taktierend­e Anwälte auf die Seite des Guten; ein armer Bauer, der vor Gericht auch noch die Ernte verliert, lacht darüber.

Und selbst die illegale Kinderehe entpuppt sich als das Richtige, weil sich die Zwangsverh­eirateten lieben. Einziges Haar in dem sonst mundenden Gerichts-Zirkus-Curry sind die Melodrama-Pannen. Bei dem Versuch, Figuren wie Tyagi charakterl­ich Tiefe zu geben, lassen sie Schlüssels­zenen unter langweilig­em Pathos geradezu wegblubber­n. Aber insgesamt löst „Maamla Legal Hai“das goldene Verspreche­n der Feelgood-Unterhaltu­ng ein, schmackhaf­t und frei nach dem Motto: All‘s Well that Ends Well.

Die erste Staffel von „Maamla Legal Hai“ist in acht Folgen à rund 30 Minuten bei Netflix abrufbar.

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Screenshot: Netflix Trailer Ravi Kishan gibt den Chef der chaotische­n Anwaltstru­ppe.

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