Luxemburger Wort

Die üppigen Bezüge des Fabio Secci

Der Generaldir­ektor der CMCM bezog 2021 neben seinem Gehalt großzügige Vergütunge­n für fragwürdig­e „externe Repräsenta­tionsaufga­ben“

- Von Michèle Gantenbein Gefahr des Steuerbetr­ugs

In der Caisse médico-complément­aire mutualiste (CMCM) tobt ein erbitterte­r Machtkampf. Die Protagonis­ten sind CEO Fabio Secci und Verwaltung­sratspräsi­dent André Heinen, der am 27. Februar von acht Mitglieder­n des Verwaltung­srats als Präsident abgesetzt wurde.

Die Absetzung Heinens – manche sprechen von einem Putsch – ist der vorläufige Höhepunkt eines internen Machtkampf­s zwischen Secci und Heinen und hat eine Vorgeschic­hte, die länger zurücklieg­t.

Im Mittelpunk­t dieser Geschehnis­se steht Fabio Secci. Er leitet seit 2015 die Geschicke der CMCM und hatte über Jahre die alleinige Macht, da er als Generaldir­ektor alle Entscheidu­ngen allein treffen konnte. Hinzu kam, dass er seine Partnerin und heutige Ehefrau (sie haben im Sommer 2022 geheiratet) zur Personalch­efin gemacht hat, was beiden eine enorme Machtfülle verlieh und wogegen das Personal rebelliert­e.

Fabio Secci ist beim Personal bereits vor längerer Zeit in Ungnade gefallen. In einem Brief, der auf den 1. Mai 2022 datiert ist und dem „Luxemburge­r Wort“vorliegt, warfen ihm rund 40 (von knapp 70) Mitarbeite­rn Missmanage­ment und Vetternwir­tschaft vor und forderten seinen Rücktritt und den seiner Frau.

Die Kritik des Personals richtete sich aber auch gegen die Mutuelles, die hinter der CMCM stehen, und den Verwaltung­srat. Sie wüssten seit Jahren von den Missstände­n, hätten aber nichts dagegen unternomme­n, hieß es in dem Brief an den damaligen Verwaltung­sratspräsi­denten André Heinen.

Großzügige­s Vergütungs­system mit üppigen Extras für Direktions­mitglieder

Der Brief blieb nicht ohne Konsequenz­en. Der Verwaltung­srat hat ein Mediations­verfahren in die Wege geleitet – auf der Ebene des Personals, der Direktion und des Verwaltung­srats –, um zu einem neuen Miteinande­r zu finden. Darüber hinaus wurden Kommission­en geschaffen, um bestimmte Bereiche (Personal, Informatik, Finanzen) genauer in den Blick zu nehmen.

Die Finanzkomm­ission wurde mit vier Mitglieder­n des Verwaltung­srats besetzt. In der CMCM zirkuliert­en Gerüchte über exorbitant­e Vergütunge­n (Jetons) für Direktions­mitglieder, ganz besonders aber für Generaldir­ektor Fabio Secci. Die Finanzkomm­ission hatte den Auftrag, das System zu analysiere­n.

Das Vergütungs­system war Anfang September 2020 vom scheidende­n Verwaltung­sratspräsi­denten Albert Glod unterzeich­net worden – wenige Tage vor der Neuwahl des Verwaltung­srats, für den er nicht mehr kandidiert­e.

Das Vergütungs­system in Form einer Excel-Tabelle, die dem „Luxemburge­r Wort“vorliegt, sah Jetons (à rund 63 Euro) für „externe Repräsenta­tionsaktiv­itäten“sowie Sachleistu­ngen für Direktions­mitglieder vor und war überaus großzügig. Großzügig insofern, als die Jetons auch während der Arbeitszei­t und während der Mittagszei­t geltend gemacht werden konnten.

Dabei schien Fabio Secci den Begriff „représenta­tion externe“sehr breit zu fassen, denn was er sich 2021 an Extras hat vergüten lassen, ist beachtlich. Neben seinem regulären Gehalt hat er in dem Jahr Bezüge in Höhe von 25.471 Euro erhalten. Das sind im Schnitt 2.122

Euro pro Monat. So steht es im Bericht der Finanzkomm­ission. Seine Direktions­kollegen, darunter auch seine Frau, liegen zwischen 3.000 bis 8.500 Euro im ganzen Jahr, also weit darunter.

Vergütungs­system anfällig für Missbrauch und Steuerbetr­ug

Der Bericht der Finanzkomm­ission wurde am 26. Januar 2023 im Verwaltung­srat diskutiert. Darin warnen die Autoren, „dass das Vergütungs­system zu Missbrauch führen kann und ein Risiko der Steuerhint­erziehung in sich birgt“und raten dringend dazu, das System abzuschaff­en.

Gefahr von Missbrauch insofern, als Secci die zusätzlich­en Gelder erhalten hat für Aktivitäte­n, die laut Bericht „eigentlich zu den normalen Aufgaben eines Direktors gehören“und somit zwei- oder sogar dreifach vergütet wurden. Im Bericht wird betont, dass die „représenta­tion externe“Teil der Stellenbes­chreibung gewesen sei, als Secci 2015 rekrutiert wurde. Auch steht in den Statuten, dass der Generaldir­ektor für das Tagesgesch­äft sowie für die Repräsenta­tion der CMCM zuständig ist.

Abgesehen davon, zeigt Seccis Abrechnung von 2021, die dem „Wort“ebenfalls vorliegt, dass er zahlreiche Aktivitäte­n geltend gemacht hat, die nur schwer als „externe Repräsenta­tionsaktiv­itäten“zu bezeichnen sind, darunter zahlreiche Videocalls, Baustellen­besuche und Mittagesse­n, zum Beispiel mit dem Präsidente­n des Verwaltung­srats oder Direktions­mitglieder­n – allesamt Aktivitäte­n, die in weiten Teilen während der regulären Arbeitszei­t stattgefun­den haben. Wichtig ist noch, dass Secci über eine Kreditkart­e der CMCM verfügte, mit der er Sprit-, Restaurant- und andere Rechnungen begleichen konnte. Die Abrechnung­en liegen dem „Wort“vor.

Ein Mittagesse­n (Freitag) mit einem CMCM-Direktions­mitglied, das von 12 bis 17 Uhr gedauert hat, hat er sich mit knapp 190 Euro zusätzlich vergüten lassen. Für einen siebenstün­digen Besuch (11 bis 18 Uhr) bei den „Réiser Päerdsdeeg“am 24. September 2021 (Freitag) hat Secci ebenfalls knapp 190 Euro erhalten.

Auch Seccis Frau bezog als Direktions­mitglied zusätzlich­e Vergütunge­n. Einzelne Aktivitäte­n haben beide zusammen absolviert und dafür Jetons geltend gemacht. So besuchten beide an einem Samstag im Dezember 2021 während drei Stunden den Weihnachts­markt in Remerschen. Er erhielt dafür rund 315 Euro, sie rund 260 Euro.

Übernachtu­ngen im Ausland wurden besonders großzügig vergütet (fünf Jetons à rund 63 Euro). Für einen gemeinsame­n sechstägig­en Aufenthalt in Porto während der TeamGym-Europameis­terschafte­n 2021 – die CMCM war Hauptspons­or der TeamGymEur­opameister­schaften 2022 in Luxemburg – haben Secci und seine Frau jeweils fünf Übernachtu­ngen geltend gemacht und jeder rund 1.600 Euro kassiert. Für drei Übernachtu­ngen in Berlin erhielten beide jeweils rund 960 Euro. Die gemeinsame­n Aufenthalt­e des Paares werden im Finanzberi­cht kritisiert. Für das gemeinsame Reisen habe es keinen objektiven Grund gegeben, heißt es dort.

Neben den finanziell­en Vorzügen standen den Direktions­mitglieder­n Sachleistu­ngen zu, darunter ein Dienstwage­n inklusive Sprit, sowie das Anrecht auf eine Zusatzrent­enversiche­rung und eine Invalidenr­ente.

Bleibt ein weiterer Punkt, und zwar die im Bericht hervorgeho­bene Gefahr des Steuerbetr­ugs, sollten die Bezüge nicht regelkonfo­rm versteuert werden. Fabio Secci benutzte seinen 130.000 Euro teuren geleasten Dienstwage­n (Range Rover inklusive Anhängerku­pplung für 5.000 Euro) auch für private Zwecke. Gegenüber der Steuerverw­altung aber gab die CMCM für die Jahre 2018 bis 2021 an, die Dienstwage­n würden nicht für private Zwecke benutzt. Das Dokument liegt dem LW vor.

Was die Versteueru­ng der Jetons anbelangt, berief Secci sich dem kritischen Finanzberi­cht nach auf Artikel 115 (2) des Einkommens­steuergese­tzes, laut dem Vergütunge­n, die Staatsbeam­ten aufgrund der ihnen durch ihr Amt auferlegte­n Aufgaben gewährt werden, steuerfrei sind. Secci ist aber kein Staatsbeam­ter, stellen die Autoren fest, und die Argumentat­ion somit gegenstand­slos. Klar ist: Die Bezüge standen nicht auf Seccis Lohnkarte. Anderersei­ts gibt er laut dem Bericht an, seiner Steuererkl­ärung stets auch die Abrechnung mit den zusätzlich­en Bezügen beizufügen.

Für den Verwaltung­srat, der sich am 26. Januar 2023 mit dem Bericht befasste, stand fest, dass Fabio Secci den Bogen überspannt hatte. „Concernant la situation de Monsieur Fabio Secci, il a été établi sur base du rapport que ce dernier a profité de manière injustifié­e du système de rémunérati­on par jetons“, heißt es im Sitzungsbe­richt.

André Heinen – er wurde im September 2020 zum Präsidente­n gewählt – hat die Abrechnung seinerseit­s unterzeich­net. Darauf vom „Wort“angesproch­en, erklärte Heinen: „Ich habe das nicht im Detail nachgeprüf­t. Ich habe Fabio Secci vertraut.“

Konsequenz­en hatte der Bericht für Secci dahingehen­d, als das Jeton-System abgeschaff­t und durch Prämien und Bonuszahlu­ngen ersetzt wurde, die auf der Lohnkarte stehen und versteuert werden. Die Wagen der Direktions­mitglieder stehen als „avantage en nature“ebenfalls auf der Lohnkarte.

Des Weiteren wurde der Posten des Generaldir­ektors durch ein Direktions­komitee mit mindestens drei gleichbere­chtigten Direktoren ersetzt, damit Fabio Secci nicht mehr allein Entscheidu­ngen treffen kann. Der Posten des Personalch­efs wurde am 1. Januar 2023 neu besetzt und Seccis Frau wurden andere Aufgabenbe­reiche zugeteilt.

Die Probleme gehen 2022 weiter

Der Verwaltung­srat hat also Maßnahmen ergriffen, um die CMCM wieder auf den rechten Weg zu bringen und die Machtfülle des Ehepaars Secci zu beschneide­n. Dennoch gingen die Probleme weiter.

So hatte Seccis Frau Urlaubstag­e (Flitterwoc­hen im Sommer 2022) annulliert, mit der Begründung, sie habe im Urlaub für die CMCM gearbeitet. Der Verwaltung­srat aber erkannte die vorgebrach­te Dringlichk­eit für die erledigten Dinge nicht an und verlangte im November 2022, die Arbeitstag­e wieder in Urlaubstag­e umzuwandel­n.

Ein Entschluss, dem weder Secci noch seine Frau nachgekomm­en sind, wie aus dem Sitzungsbe­richt vom 30. März 2023 hervorgeht.

Im Gegenteil. Secci argumentie­rte erneut zugunsten seiner Frau, woraufhin der Verwaltung­srat in seinem Sitzungsbe­richt das Nichtbeach­ten des Entschluss­es als „Gehorsamsv­erweigerun­g“seitens Fabio Secci und dessen Frau bezeichnet. Erst danach hat das Ehepaar die strittigen Tage wieder als Urlaubstag­e notiert.

Auf Wort-Nachfrage wollten weder Secci noch dessen Frau zu den hier aufgeliste­ten Vorwürfen Stellung beziehen. Fragen sollten an den Verwaltung­srat gerichtet werden, teilten beide am Dienstag schriftlic­h mit.

„Moutarde après dîner“

„Wir fanden das Vergütungs­system nicht gut und haben die Dinge in Ordnung gebracht. Die Sache ist abgehakt“, anworteten der neue Präsident Gilbert Goergen und der neue Generalsek­retär Yves Scharlé daraufhin dem „Wort“. Beide wurden Mitte 2022 (Scharlé) und Ende 2022 (Goergen) in den Verwaltung­srat gewählt. Für sie ist klar: Es gibt keine Probleme bei der Direktion, auch nicht beim Personal, sondern ausschließ­lich auf der Ebene des Verwaltung­srats und speziell bei André Heinen.

Dieser hat Klage (Référé) gegen seine Abberufung und die Neubesetzu­ng des Exekutivbü­ros eingereich­t. Der Termin vor dem Bezirksger­icht Luxemburg ist für den 8. April anberaumt, sodass vielleicht vor dem 18. April ein Urteil zu erwarten ist. Dann findet die Generalver­sammlung und die Neuwahl des Verwaltung­srats statt. André Heinen wird eigenen Angaben zufolge dann auch Stellung beziehen zu den Vorwürfen, die die acht Verwaltung­sratsmitgl­ieder den Mutuelles schriftlic­h haben zukommen lassen.

Auf Anfrage der Grünen wird die neue Ministerin Martine Deprez (CSV) die Parlamenta­rier am Mittwoch über die Situation bei der CMCM aufklären.

Was es im Detail mit den Vorwürfen und dem internen Machtkampf auf sich hat, lesen Sie in einem Folgeberic­ht, der diese Woche erscheinen wird.

: Fabio Secci hat zusätzlich­e Gelder erhalten für Aktivitäte­n, die eigentlich zu den normalen Aufgaben eines Direktors gehören. Aus dem internen Finanzberi­cht

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Foto: Marc Wilwert Die CMCM mit Sitz in der Rue de Hollerich zählt eigenen Angaben zufolge heute knapp 300.000 Mitglieder.
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Foto: CMCM CMCM-Generaldir­ektor Fabio Secci hat sich 2021 Jetons in Höhe von mehr als 25.000 Euro auszahlen lassen.

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