Die üppigen Bezüge des Fabio Secci
Der Generaldirektor der CMCM bezog 2021 neben seinem Gehalt großzügige Vergütungen für fragwürdige „externe Repräsentationsaufgaben“
In der Caisse médico-complémentaire mutualiste (CMCM) tobt ein erbitterter Machtkampf. Die Protagonisten sind CEO Fabio Secci und Verwaltungsratspräsident André Heinen, der am 27. Februar von acht Mitgliedern des Verwaltungsrats als Präsident abgesetzt wurde.
Die Absetzung Heinens – manche sprechen von einem Putsch – ist der vorläufige Höhepunkt eines internen Machtkampfs zwischen Secci und Heinen und hat eine Vorgeschichte, die länger zurückliegt.
Im Mittelpunkt dieser Geschehnisse steht Fabio Secci. Er leitet seit 2015 die Geschicke der CMCM und hatte über Jahre die alleinige Macht, da er als Generaldirektor alle Entscheidungen allein treffen konnte. Hinzu kam, dass er seine Partnerin und heutige Ehefrau (sie haben im Sommer 2022 geheiratet) zur Personalchefin gemacht hat, was beiden eine enorme Machtfülle verlieh und wogegen das Personal rebellierte.
Fabio Secci ist beim Personal bereits vor längerer Zeit in Ungnade gefallen. In einem Brief, der auf den 1. Mai 2022 datiert ist und dem „Luxemburger Wort“vorliegt, warfen ihm rund 40 (von knapp 70) Mitarbeitern Missmanagement und Vetternwirtschaft vor und forderten seinen Rücktritt und den seiner Frau.
Die Kritik des Personals richtete sich aber auch gegen die Mutuelles, die hinter der CMCM stehen, und den Verwaltungsrat. Sie wüssten seit Jahren von den Missständen, hätten aber nichts dagegen unternommen, hieß es in dem Brief an den damaligen Verwaltungsratspräsidenten André Heinen.
Großzügiges Vergütungssystem mit üppigen Extras für Direktionsmitglieder
Der Brief blieb nicht ohne Konsequenzen. Der Verwaltungsrat hat ein Mediationsverfahren in die Wege geleitet – auf der Ebene des Personals, der Direktion und des Verwaltungsrats –, um zu einem neuen Miteinander zu finden. Darüber hinaus wurden Kommissionen geschaffen, um bestimmte Bereiche (Personal, Informatik, Finanzen) genauer in den Blick zu nehmen.
Die Finanzkommission wurde mit vier Mitgliedern des Verwaltungsrats besetzt. In der CMCM zirkulierten Gerüchte über exorbitante Vergütungen (Jetons) für Direktionsmitglieder, ganz besonders aber für Generaldirektor Fabio Secci. Die Finanzkommission hatte den Auftrag, das System zu analysieren.
Das Vergütungssystem war Anfang September 2020 vom scheidenden Verwaltungsratspräsidenten Albert Glod unterzeichnet worden – wenige Tage vor der Neuwahl des Verwaltungsrats, für den er nicht mehr kandidierte.
Das Vergütungssystem in Form einer Excel-Tabelle, die dem „Luxemburger Wort“vorliegt, sah Jetons (à rund 63 Euro) für „externe Repräsentationsaktivitäten“sowie Sachleistungen für Direktionsmitglieder vor und war überaus großzügig. Großzügig insofern, als die Jetons auch während der Arbeitszeit und während der Mittagszeit geltend gemacht werden konnten.
Dabei schien Fabio Secci den Begriff „représentation externe“sehr breit zu fassen, denn was er sich 2021 an Extras hat vergüten lassen, ist beachtlich. Neben seinem regulären Gehalt hat er in dem Jahr Bezüge in Höhe von 25.471 Euro erhalten. Das sind im Schnitt 2.122
Euro pro Monat. So steht es im Bericht der Finanzkommission. Seine Direktionskollegen, darunter auch seine Frau, liegen zwischen 3.000 bis 8.500 Euro im ganzen Jahr, also weit darunter.
Vergütungssystem anfällig für Missbrauch und Steuerbetrug
Der Bericht der Finanzkommission wurde am 26. Januar 2023 im Verwaltungsrat diskutiert. Darin warnen die Autoren, „dass das Vergütungssystem zu Missbrauch führen kann und ein Risiko der Steuerhinterziehung in sich birgt“und raten dringend dazu, das System abzuschaffen.
Gefahr von Missbrauch insofern, als Secci die zusätzlichen Gelder erhalten hat für Aktivitäten, die laut Bericht „eigentlich zu den normalen Aufgaben eines Direktors gehören“und somit zwei- oder sogar dreifach vergütet wurden. Im Bericht wird betont, dass die „représentation externe“Teil der Stellenbeschreibung gewesen sei, als Secci 2015 rekrutiert wurde. Auch steht in den Statuten, dass der Generaldirektor für das Tagesgeschäft sowie für die Repräsentation der CMCM zuständig ist.
Abgesehen davon, zeigt Seccis Abrechnung von 2021, die dem „Wort“ebenfalls vorliegt, dass er zahlreiche Aktivitäten geltend gemacht hat, die nur schwer als „externe Repräsentationsaktivitäten“zu bezeichnen sind, darunter zahlreiche Videocalls, Baustellenbesuche und Mittagessen, zum Beispiel mit dem Präsidenten des Verwaltungsrats oder Direktionsmitgliedern – allesamt Aktivitäten, die in weiten Teilen während der regulären Arbeitszeit stattgefunden haben. Wichtig ist noch, dass Secci über eine Kreditkarte der CMCM verfügte, mit der er Sprit-, Restaurant- und andere Rechnungen begleichen konnte. Die Abrechnungen liegen dem „Wort“vor.
Ein Mittagessen (Freitag) mit einem CMCM-Direktionsmitglied, das von 12 bis 17 Uhr gedauert hat, hat er sich mit knapp 190 Euro zusätzlich vergüten lassen. Für einen siebenstündigen Besuch (11 bis 18 Uhr) bei den „Réiser Päerdsdeeg“am 24. September 2021 (Freitag) hat Secci ebenfalls knapp 190 Euro erhalten.
Auch Seccis Frau bezog als Direktionsmitglied zusätzliche Vergütungen. Einzelne Aktivitäten haben beide zusammen absolviert und dafür Jetons geltend gemacht. So besuchten beide an einem Samstag im Dezember 2021 während drei Stunden den Weihnachtsmarkt in Remerschen. Er erhielt dafür rund 315 Euro, sie rund 260 Euro.
Übernachtungen im Ausland wurden besonders großzügig vergütet (fünf Jetons à rund 63 Euro). Für einen gemeinsamen sechstägigen Aufenthalt in Porto während der TeamGym-Europameisterschaften 2021 – die CMCM war Hauptsponsor der TeamGymEuropameisterschaften 2022 in Luxemburg – haben Secci und seine Frau jeweils fünf Übernachtungen geltend gemacht und jeder rund 1.600 Euro kassiert. Für drei Übernachtungen in Berlin erhielten beide jeweils rund 960 Euro. Die gemeinsamen Aufenthalte des Paares werden im Finanzbericht kritisiert. Für das gemeinsame Reisen habe es keinen objektiven Grund gegeben, heißt es dort.
Neben den finanziellen Vorzügen standen den Direktionsmitgliedern Sachleistungen zu, darunter ein Dienstwagen inklusive Sprit, sowie das Anrecht auf eine Zusatzrentenversicherung und eine Invalidenrente.
Bleibt ein weiterer Punkt, und zwar die im Bericht hervorgehobene Gefahr des Steuerbetrugs, sollten die Bezüge nicht regelkonform versteuert werden. Fabio Secci benutzte seinen 130.000 Euro teuren geleasten Dienstwagen (Range Rover inklusive Anhängerkupplung für 5.000 Euro) auch für private Zwecke. Gegenüber der Steuerverwaltung aber gab die CMCM für die Jahre 2018 bis 2021 an, die Dienstwagen würden nicht für private Zwecke benutzt. Das Dokument liegt dem LW vor.
Was die Versteuerung der Jetons anbelangt, berief Secci sich dem kritischen Finanzbericht nach auf Artikel 115 (2) des Einkommenssteuergesetzes, laut dem Vergütungen, die Staatsbeamten aufgrund der ihnen durch ihr Amt auferlegten Aufgaben gewährt werden, steuerfrei sind. Secci ist aber kein Staatsbeamter, stellen die Autoren fest, und die Argumentation somit gegenstandslos. Klar ist: Die Bezüge standen nicht auf Seccis Lohnkarte. Andererseits gibt er laut dem Bericht an, seiner Steuererklärung stets auch die Abrechnung mit den zusätzlichen Bezügen beizufügen.
Für den Verwaltungsrat, der sich am 26. Januar 2023 mit dem Bericht befasste, stand fest, dass Fabio Secci den Bogen überspannt hatte. „Concernant la situation de Monsieur Fabio Secci, il a été établi sur base du rapport que ce dernier a profité de manière injustifiée du système de rémunération par jetons“, heißt es im Sitzungsbericht.
André Heinen – er wurde im September 2020 zum Präsidenten gewählt – hat die Abrechnung seinerseits unterzeichnet. Darauf vom „Wort“angesprochen, erklärte Heinen: „Ich habe das nicht im Detail nachgeprüft. Ich habe Fabio Secci vertraut.“
Konsequenzen hatte der Bericht für Secci dahingehend, als das Jeton-System abgeschafft und durch Prämien und Bonuszahlungen ersetzt wurde, die auf der Lohnkarte stehen und versteuert werden. Die Wagen der Direktionsmitglieder stehen als „avantage en nature“ebenfalls auf der Lohnkarte.
Des Weiteren wurde der Posten des Generaldirektors durch ein Direktionskomitee mit mindestens drei gleichberechtigten Direktoren ersetzt, damit Fabio Secci nicht mehr allein Entscheidungen treffen kann. Der Posten des Personalchefs wurde am 1. Januar 2023 neu besetzt und Seccis Frau wurden andere Aufgabenbereiche zugeteilt.
Die Probleme gehen 2022 weiter
Der Verwaltungsrat hat also Maßnahmen ergriffen, um die CMCM wieder auf den rechten Weg zu bringen und die Machtfülle des Ehepaars Secci zu beschneiden. Dennoch gingen die Probleme weiter.
So hatte Seccis Frau Urlaubstage (Flitterwochen im Sommer 2022) annulliert, mit der Begründung, sie habe im Urlaub für die CMCM gearbeitet. Der Verwaltungsrat aber erkannte die vorgebrachte Dringlichkeit für die erledigten Dinge nicht an und verlangte im November 2022, die Arbeitstage wieder in Urlaubstage umzuwandeln.
Ein Entschluss, dem weder Secci noch seine Frau nachgekommen sind, wie aus dem Sitzungsbericht vom 30. März 2023 hervorgeht.
Im Gegenteil. Secci argumentierte erneut zugunsten seiner Frau, woraufhin der Verwaltungsrat in seinem Sitzungsbericht das Nichtbeachten des Entschlusses als „Gehorsamsverweigerung“seitens Fabio Secci und dessen Frau bezeichnet. Erst danach hat das Ehepaar die strittigen Tage wieder als Urlaubstage notiert.
Auf Wort-Nachfrage wollten weder Secci noch dessen Frau zu den hier aufgelisteten Vorwürfen Stellung beziehen. Fragen sollten an den Verwaltungsrat gerichtet werden, teilten beide am Dienstag schriftlich mit.
„Moutarde après dîner“
„Wir fanden das Vergütungssystem nicht gut und haben die Dinge in Ordnung gebracht. Die Sache ist abgehakt“, anworteten der neue Präsident Gilbert Goergen und der neue Generalsekretär Yves Scharlé daraufhin dem „Wort“. Beide wurden Mitte 2022 (Scharlé) und Ende 2022 (Goergen) in den Verwaltungsrat gewählt. Für sie ist klar: Es gibt keine Probleme bei der Direktion, auch nicht beim Personal, sondern ausschließlich auf der Ebene des Verwaltungsrats und speziell bei André Heinen.
Dieser hat Klage (Référé) gegen seine Abberufung und die Neubesetzung des Exekutivbüros eingereicht. Der Termin vor dem Bezirksgericht Luxemburg ist für den 8. April anberaumt, sodass vielleicht vor dem 18. April ein Urteil zu erwarten ist. Dann findet die Generalversammlung und die Neuwahl des Verwaltungsrats statt. André Heinen wird eigenen Angaben zufolge dann auch Stellung beziehen zu den Vorwürfen, die die acht Verwaltungsratsmitglieder den Mutuelles schriftlich haben zukommen lassen.
Auf Anfrage der Grünen wird die neue Ministerin Martine Deprez (CSV) die Parlamentarier am Mittwoch über die Situation bei der CMCM aufklären.
Was es im Detail mit den Vorwürfen und dem internen Machtkampf auf sich hat, lesen Sie in einem Folgebericht, der diese Woche erscheinen wird.
: Fabio Secci hat zusätzliche Gelder erhalten für Aktivitäten, die eigentlich zu den normalen Aufgaben eines Direktors gehören. Aus dem internen Finanzbericht