„Übergewicht ist keine Fatalität“
Das Parlament befasst sich mit der Fettleibigkeit der Gesellschaft. Und gibt der Regierung Ratschläge
16,5 Prozent der Gesamtbevölkerung sind stark übergewichtig, jedes fünfte Kind ist mittlerweile betroffen – Sorgen bereitet hier vor allem der Anstieg. Er wurde kürzlich auch vom Gesundheitsobservatorium thematisiert. Gestern befasste sich denn auch das Parlament auf Initiative des LSAP-Abgeordneten Dan Biancalana mit dem vielschichtigen Thema Fettleibigkeit in unserer Gesellschaft.
Dabei wurde deutlich der Unterschied betont zwischen krankheitsbedingten Ursachen, wie eine genetische Disposition, einem fehlenden Sättigungsgefühl oder einem trägen Metabolismus und einem Verhalten, das zu Adipositas führt – ungesundes Essen und zu wenig Bewegung. Dass aber ein bisschen mehr bewegen und besser essen nicht reicht, darüber war man sich einig.
„Obesität ist eine soziale Frage und braucht soziale Antworten“, sagte etwa Biancalana und verwies darauf, dass Kinder aus einem Haushalt mit niedrigem Bildungsniveau sich ungesunder und mit Fertigprodukten ernähren und weniger Obst und Gemüse essen als solche mit höher gebildeten Eltern.
Er warnte aber auch vor Stigmata für übergewichtige Leute, wie dass sie faul seien und nicht genug Willen hätten, gesund zu kochen und sich zu bewegen. „Bodyshaming bringt weitere Probleme mit sich.“Mehr Früherkennung schon mithilfe der Schulmedizin, den Sport bei Kindern und Jugendlichen mehr fördern und Eltern sensibilisieren, sind Maßnahmen, die die LSAP vorschlug. Von der Regierung forderte Biancalana, sie soll im Rahmen des Nationalen Gesundheitsplans eine globale Ernährungsstrategie ausarbeiten.
Neun von zehn Faktoren für Übergewicht sind behandelbar
Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) zählte die zehn Gründe auf, die die Weltgesundheitsbehörde für den Anbau von Fett angibt. Beginnend mit der Geburt – einer ungesunden Ernährung in der Schwangerschaft, einer Geburt per Kaiserschnitt, bei der Kinder keine Darmbakterien der Mutter mitbekommen und nicht stillen -, Medikamente und Krankheiten, die Ernährungsgewohnheiten, der bewegungsarme Lebensstil, Umweltbelastungen, der soziale Hintergrund, schlechter Schlaf, der mentale Zustand, die Darmflora und schlussendlich die Genetik.
„Übergewicht ist keine Fatalität, bei neun Ursachen, kann die Politik aktiv werden“, erklärte sie und zählte alle Maßnahmen auf, die staatlich gefördert werden. Von der Stillberatung, über die Kindervorsorge, die Schulmedizin, den Schulsport, bei dem sie nun ressortübergreifend mit dem Sport- und dem Bildungsminister weiter aktiv werden möchte bis hin zur Clinique de l‘Obésité und dem Kampf gegen Alkoholmissbrauch. „Wenn wir in der Schulmedizin vorankommen, erreichen wir alle“, zeigte sie sich überzeugt.
Sportminister Georges Mischo (CSV) hat sich vorgenommen, die 1.300 Sportvereine des Landes mehr zu unterstützen, damit sie ihr Angebot in Richtung Präventiv- und Freizeitsport erweitern können. „Sport ist und bleibt eine Schule fürs Leben. Besser zu schwer und sich bewegen als leicht und keine Bewegung“, war sein Credo. Insofern spielten auch die Gemeinden eine wichtige Rolle. Sechs davon haben bereits einen Sport-Koordinator, der zur Hälfte vom Ministerium bezahlt wird und die Qualität und Quantität des kommunalen Sportangebots und der Infrastrukturen erhöhen soll.
Dass das Problem auch an der Lebensmittelindustrie liegt, darauf verwiesen Marc Baum (Déi Lénk), François Bausch (Déi Gréng) und Sven Clement. „Ihr ist erlaubt, mit unserer Gesundheit zu spielen auf Kosten der Gesundheitssysteme und sie werden nicht zur Rechenschaft gezogen“, sagte Baum. „Wir brauchen ehrliche Verpackungen“, forderte Bausch und verwies auf das Problem der Label: Packungen, die nicht ausreichend anzeigen, wie zucker- und fetthaltig die Produkte sind.
Wenn wir in der Schulmedizin vorankommen, erreichen wir alle. Martine Deprez, Gesundheitsministerin