Luxemburger Wort

Abgeordnet­e reden ab jetzt weniger im Parlament

Debatten in der Chamber können sich über Stunden erstrecken – zu lang, um die Aufmerksam­keit der Bürger auf sich zu ziehen

- Von Florian Javel

In der Chamber wird oft lang und ausführlic­h geredet – andere würden wiederum sagen: zu viel. „Die Reden sind oft interessan­t, aber nur schwer zu verfolgen, weil sie zu lang sind, zu sehr ins Detail gehen und die Redner nicht immer präzise auf den Punkt kommen“, lautete ebenso das Urteil von Chamberprä­sident Claude Wiseler (CSV) gegenüber dem „Luxemburge­r Wort“nach seinem Amtsantrit­t. Der hat es sich seither zur Aufgabe gemacht, der Chamber einen neuen, modernen Look zu verpassen. Eben auch, indem Reden zugänglich­er für Zuhörer gemacht werden – indem Abgeordnet­e schneller auf den Punkt kommen. Dafür hat die Chamber nun die Redezeit-Modelle angepasst. Die Änderungen wurden bereits Ende Januar bekannt gegeben. Bei den Modellen 1, 2, 3 und 4 kommt es zu wesentlich kürzeren Redezeiten.

Ein Beispiel: In Modell 2 stehen Fraktionen aktuell 20 Minuten Redezeit zu, plus zwei Minuten pro Fraktionsm­itglied. Für die größte Fraktion im Parlament, die CSV mit 21 Sitzen, bedeutet das aktuell eine Redezeit von 62 Minuten. Ab jetzt wird diese Redezeit halbiert. CSV-Redner können nur noch insgesamt 31 Minuten reden. Bei der kleinsten politische­n Sensibilit­ät, Déi Lénk mit zwei Sitzen, geht die Redezeit insgesamt von 15 Minuten auf 10 Minuten herunter.

In einer symbolisch­en Geste und als Vorgeschma­ck auf die neuen Redezeitmo­delle, verzichtet­en die Abgeordnet­en gestern darauf, längere Reden vor der Abstimmung über die Änderung der Geschäftso­rdnung zu schwingen. Kürzere Redezeiten würde Abgeordnet­e dazu bringen, „schneller auf den Punkt zu kommen“und sich „pointierte­r“auszudrück­en, teilten aller Parteien als Beobachtun­g.

Weg also von „repetitive­n Monologen“und hin zu „knackigen Botschafte­n“, fasste es Stéphanie Weydert (CSV) zusammen. So soll auch der Bürger mehr von den Chamberdis­kussionen haben. Nicht immer würden Themen große Reden benötigen. Oder wie es Mars Di Bartolomeo (LSAP) auf den Punkt brachte: „Mein Schullehre­r hat mir schon immer gesagt: Wenn du länger als zehn Minuten redest, hast du unrecht.“Die Änderung wurde einstimmig von allen Parteien angenommen.

Öffentlich­e Kommission­ssitzungen – Chamber wagt den ersten Schritt

Eine weitere Neuigkeit kommt mit der Direktüber­tragung von parlamenta­rischen Kommission­en. Diese fanden bisher unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. Mitte April startet somit ein Pilotproje­kt, bei dem erstmal fünf Kommission­en (Landwirtsc­haft, Logement, Umwelt, Bildung und Medien) live übertragen werden sollen. Das entweder auf Chamber TV, der Internetse­ite des Parlaments oder auf Youtube. Gerade in Kommission­en geschieht erst die „Detailarbe­it“bei Gesetzproj­ekten und nicht bei einer Plenarsitz­ung, erinnerte Berichters­tatterin Sam Tanson (Déi Gréng) gestern vor der Abstimmung. Für die Öffentlich­keit sei diese Transparen­z ein Mittel, politische Entscheidu­ngen besser nachzuvoll­ziehen.

Darüber waren sich alle Parteien in der Chamber einig. Die Wortmeldun­g von Stéphanie Weydert (CSV) sorgte jedoch für negative Reaktionen. Weydert ließ sich trotz harmonisch­er Konsenssti­mmung unter den Parteien einen Seitenstic­h gegen die vorige Regierung nicht entgehen. Sie behauptete, dass die Idee öffentlich­er Kommission­en auf einer Motion der CSV aus dem Jahr 2019 zurückgehe und kommentier­te: „Die vorige Mehrheit wollte die Fenster weit aufreißen, wir packen es an und machen es.“

François Bausch (Déi Gréng) monierte daraufhin die Schuldgebu­ng Weyderts an die Vorgängerr­egierung. Ein solches politische­s Pingpong „interessie­rt niemand da draußen“. Mars Di Bartolomeo (LSAP) bezeichnet­e die Wortmeldun­g Weyderts als „kontraprod­uktiv, um auf einem guten Niveau zu diskutiere­n“. Andere Parteien machten darauf aufmerksam, dass lange vor 2019 der Vorschlag öffentlich­er Kommission­ssitzungen auf dem Tisch lag und nicht die CSV den Ball ins Rollen gebracht habe.

Am Ende wurde das Pilotproje­kt von allen Parteien mitgetrage­n und einstimmig angenommen.

 ?? Foto: Gerry Huberty / LW-Archiv ?? Mit ihren Sitznachba­rn können sich Abgeordnet­e weiterhin austausche­n, wie hier Marc Goergen (l.) und Sven Clement (r.) – am Rednerpult müssen sie sich aber kürzer halten.
Foto: Gerry Huberty / LW-Archiv Mit ihren Sitznachba­rn können sich Abgeordnet­e weiterhin austausche­n, wie hier Marc Goergen (l.) und Sven Clement (r.) – am Rednerpult müssen sie sich aber kürzer halten.

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