„Gehen Sie lieber früher als zu spät zum Urologen“
Prostatakrebs und andere Probleme: Wie es mit der Männergesundheit aussieht, erklärt José Batista da Costa, Spezialist für urologische Onkologie
In Luxemburg wissen Männer zu wenig über Krankheiten, die nur sie betreffen, sagt Dr. José Batista da Costa. Der 38-Jährige ist einer von neun Urologen der Groupe Urologique Kirchberg. Im Interview mit dem „Luxemburger Wort“spricht der Spezialist für urologische Onkologie über Prostatakrebs, Impotenz und darüber, warum viele Männer Vorsorgeuntersuchungen meiden.
Doktor da Costa, König Charles ist jüngst mit seiner Krebserkrankung an die Öffentlichkeit gegangen, auch um das Bewusstsein für Vorsorgeuntersuchungen zu schärfen. Was halten Sie davon?
Ich finde es gut, dass heute offen über Krebs gesprochen wird. Das zeigt, dass es jeden treffen kann. Und es hilft auch den Betroffenen, sich weniger allein zu fühlen. Auch wenn wir nicht genau wissen, was König Charles hat. Aber ich finde, man sollte in der Öffentlichkeit mehr darüber reden, nicht nur in Luxemburg.
Warum kommen Männer zu Ihnen?
Die meisten Männer werden von ihrem Hausarzt überwiesen. Manche Männer kommen, weil sie Probleme beim Wasserlassen haben. Plötzlich müssen sie nachts öfter aufstehen und zur Toilette gehen. Andere Männer haben einen erhöhten PSA-Wert, das ist ein Eiweiß, das von der Prostata produziert wird. Je höher der PSA-Wert ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prostataproblem vorliegt. Ein erhöhter PSA-Wert bedeutet aber nicht automatisch, dass man Krebs hat. Etwa zehn bis 15 Prozent der Männer kommen wegen Erektionsstörungen.
Werden manche Männer auch von ihren Frauen geschickt?
Ja (lacht). Manchmal frage ich: „Und, wie ist es?“, und die Männer sagen: „Alles okay“, aber dann sagt die Frau: „Nein, jetzt sag schon, ich höre dich abends, wenn du pinkeln gehst, das dauert ewig“. Die Männer merken nicht unbedingt, dass es langsamer wird, weil es so schleichend kommen kann, dass sie sich einfach daran gewöhnen. Dann tropft es nach oder der Mann muss fünfmal in der Nacht aufstehen. Aber die Partnerin merkt das.
Kommen auch Frauen zu Ihnen?
Ja, etwa 30 Prozent. Der Urologe ist ja auch für Blasen- und Nierensteine zuständig, und die Frau hat auch einen Harnleiter. Viele Frauen kommen wegen Blasenentzündungen und Blasensenkungen. Mit zunehmendem Alter können Frauen an Inkontinenz leiden. Der Urologe ist also nicht nur der Arzt des Mannes.
Wissen zu viele Männer zu wenig über Gesundheitsrisiken, die nur sie betreffen?
Ich glaube schon. Wenn ich Männer auf ihren erhöhten PSA-Wert anspreche und frage, ob sie wissen, was das bedeutet und welche Konsequenzen das haben kann, dann schütteln sie den Kopf. Ähnlich ist es beim Thema Blasenkrebs, wo eines der ersten Anzeichen Blut im Urin ist, das schleppen die Männer lange mit sich herum. Wobei nicht unbedingt gleich von Blasenkrebs auszugehen ist, wenn Blut im Urin ist. Aber bei uns gehen da die Alarmglocken an. Blasenkrebs kommt vor allem vom Rauchen, weil die Schadstoffe nicht nur die Lunge belasten, sondern auch ins Blut aufgenommen werden, das wiederum in den Nieren gefiltert wird, wodurch Nierenkrebs entstehen kann. Dann geht der Urin über die Harnleiter runter in die Blase. Diese ist wie ein Reservoir, das heißt, dass sich dort dann chronisch Schadstoffe befinden.
Was sollte ein Mann für die Vorsorge tun?
Wenn es in der direkten Familie keine Fälle von Brustkrebs, Prostatakrebs oder anderen Vorerkrankungen gibt und der Mann keine Probleme beim Wasserlassen hat, reicht eine Früherkennungsuntersuchung ab dem 50. Lebensjahr. Bei der Früherkennung geht es nicht nur um Prostatakrebs, sondern auch um eine vergrößerte Prostata, die zu Problemen beim Wasserlassen führen kann.
: Die meisten haben keine Symptome, bevor es zu spät ist. José Batista da Costa, Urologe am Hôpital Kirchberg
Gehen in Luxemburg genug Männer zur Vorsorge?
Im Vergleich zu dem, was ich in Frankreich gesehen habe, ja. Ich beginne jetzt mein viertes Jahr hier und habe seltener Fälle von vollständig metastasiertem Prostatakrebs gesehen, was in einer Großstadt wie Paris häufiger vorkommt, obwohl dort überproportional viele Krankenhäuser sind. Eine Schlüsselrolle kommt unseren Hausärzten zu, die ihre Patienten sensibilisieren und zu uns schicken.
Manche Männer haben jedoch Angst vor der Tastuntersuchung beim Urologen.
Es ist schon so, dass sich viele Männer vor der Kontrolle drücken, weil sie Angst vor dem Abtasten haben, aber das gehört dazu. Die Tastuntersuchung wird immer wieder diskutiert, inwieweit sie überhaupt etwas bringt. Aber solange es keine Studie gibt, die diese als unnötig ablehnt, bin ich dafür. Wenn Männer mit Beschwerden kommen, die nach einer Prostatitis klingen, also einer schmerzhaften Schwellung der Prostata, ist Abtasten sinnvoller, als am laufenden Band Antibiotika zu verschreiben. In meinen Kursen an der Universität erkläre ich, wie man Patienten untersucht und wie wichtig dabei die Kommunikation ist. Ich kann nicht einfach sagen, Hose runter, und dann taste ich ab, ohne es anzukündigen. Das traumatisiert die Leute. Ich sage, das wird jetzt ein wenig unangenehm. Und wenn die Männer sagen, sie wollen das nicht, dann mache ich das auch nicht. Aber die Mehrheit der Männer sagt, so schlimm sei es gar nicht.
Was ist eigentlich eine Prostata?
Eine pflaumengroße Drüse, die vom Testosteron aus dem Hoden gesteuert wird und die Aufgabe hat, Samenflüssigkeit zu bilden.
Was genau passiert bei einer Vorsorgeuntersuchung der Prostata?
Zuerst stellen wir Routinefragen, zum Beispiel, wie stark der Strahl ist. Meistens ist die Antwort schon „schwach“. Oder ob man das Gefühl hat, dass die Blase nicht ganz leer ist. Dann kommt der Ultraschall, um zu sehen, wie groß die Prostata ist. Und zum Schluss, wenn es nötig ist, die Tastuntersuchung. Wenn ich einen jungen Patienten habe, 30 oder 40 Jahre alt, der keine Vorgeschichte mit Prostatakrebs hat, mache ich keine Abtastung.
Ab wann sollte man wirklich mal zum Urologen gehen?
Wenn man nicht mehr urinieren kann und regelmäßig Blut im Urin hat. Nicht selten erfährt man von diesen Patienten, dass die Symptome schon vor Jahren da waren. Da hätte man wahrscheinlich mit
Medikamenten etwas machen können. Oder auch eine Operation. Insgesamt ist es besser, freiwillig früher zu kommen als gezwungenermaßen.
Wie viele Männer sterben pro Jahr an Prostatakrebs in Luxemburg?
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern, aber nicht die häufigste Todesursache. Das heißt, es gibt viele Fälle, aber weniger Tote. Die Heilungschancen sind gut, weil wir Prostatakrebs heute früher diagnostizieren und gut behandeln können. Ab einem gewissen Alter sterben Männer mit dem Krebs, aber nicht unbedingt daran. Laut Statistik sterben aber rund 50 Männer pro Jahr in Luxemburg an Prostatakrebs.
Welche Warnsignale gibt es?
Es gibt keine. Und wenn, dann ist es leider schon sehr spät. Die Prostata wächst dann in die Blase hinein und metastasiert. Manchmal sitzen die Männer dann da und sagen, sie haben keine Beschwerden, wie kann das sein. Die Leute verstehen das nicht, weil es keine Anzeichen gibt. Bei Hodenkrebs ist das anders. Da Hodenkrebs eher junge Männer betrifft, sollten diese regelmäßig ihre Hoden abtasten. Darüber wird in Luxemburg zu wenig informiert.
Ein gesunder Hoden fühlt sich innen wie ein Daumenballen an. Hodentumore hingegen sind oft als harte, kirschkerngroße und sehr schnell wachsende Schwellung tastbar. PSA ist die beste Möglichkeit, Prostatakrebs in einem noch heilbaren Frühstadium zu entdecken.
Prostatakrebs ist gut behandelbar, wenn er rechtzeitig erkannt wird. Was ist, wenn schon Metastasen da sind?
Auch da kann man etwas machen, beispielsweise Hormontherapie, Hormonstrahlung oder eine Operation. Die Intervalle der Kontrolluntersuchungen sind vom Stadium der Erkrankung abhängig.
Welche Ursachen können zu Impotenz führen?
Risikofaktoren sind Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und Bewegungsmangel. Männer mit Erektionsproblemen schicke ich als erstes zum Kardiologen, denn oft sind Durchblutungsstörungen die Ursache. Das sexuelle Problem kann auf eine bestehende Herz-KreislaufErkrankung hinweisen. Ist alles in Ordnung, schicke ich den Patienten ins Labor, um hormonelle Probleme auszuschließen. Eine andere Ursache kann psychischer Stress sein, dann kann eine Psychotherapie helfen. Schließlich ist die Erektion auch Kopfsache.
Wie hängt Prostatakrebs mit Impotenz zusammen?
Nach einer Strahlentherapie und einer Prostatektomie, also einer Operation, sind Erektionsstörungen keine Seltenheit. Da die Prostata die Samenflüssigkeit liefert, kommt es nur noch zu einem sogenannten „trockenen Orgasmus“ohne Ejakulat. Unabhängig davon können Orgasmusstörungen und eine Beeinträchtigung der Libido mögliche Folgen der Behandlung sein.
Welche Möglichkeiten gibt es neben Viagra?
Neben den medikamentösen Therapien gibt es Spritzen und Penispumpen, die relativ gut funktionieren. Oder Penisprothesen: In die Schwellkörper wird eine Prothese eingesetzt, die manuell aufgepumpt wird. Das ist aber der Extremfall, wenn keine Medikamente helfen.
Welche Botschaft möchten Sie Männern mitgeben?
Gehen Sie lieber früher als zu spät zum Urologen. Je früher Prostatakrebs erkannt wird, desto besser kann er behandelt und in den meisten Fällen vollständig geheilt werden. Nicht selten muss Prostatakrebs nicht behandelt, sondern nur „beobachtet“werden.