Warum es bei der Macaron-Zubereitung nicht regnen sollte
Das Baisergebäck ist der Verkaufshit der französischen Patisserie. Doch ihre Herstellung ist auch für Profis eine Herausforderung
Die Touristin trippelt vor der Vitrine mit den kleinen runden Backwaren in allen Farben auf und ab. Sie kann sich nicht entscheiden, was sie in ihre elegante hellgrüne Schachtel packen und mit nach Hause nehmen soll. Lieber einen braunen Klassiker mit Schokolade oder etwas Ausgefallenes in Blau oder Gelb? Immer wieder fragt sie auf Englisch nach, so dass die restliche Kundschaft im Laden des Pâtissiers Ladurée an den Pariser Champs-Élysées bereits ungeduldig wird. Macarons, ein Mandelgebäck in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks, sind ein Verkaufsschlager. 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht das Pariser Traditionshaus Ladurée, das fast ausschließlich auf Macarons spezialisiert ist und auch in Luxemburg eine Dependance betreibt. Rund die Hälfte der Summe kommt an den Ständen der Marke auf Bahnhöfen und Flughäfen herein. 124 Verkaufsplätze hat Ladurée weltweit, 41 davon in Frankreich. Auch der kleinere Konkurrent Pierre Hermé, der demnächst ebenfalls in Luxemburg eine Filiale eröffnen wird, ist mit einem Umsatz von 70 Millionen Euro jährlich gut aufgestellt. Aber warum boomt das Geschäft mit den kleinen, bunten Keksen so? „Die schicke Pâtisserie ist der kleine Luxus, den sich jeder leisten kann“, sagt die Expertin Julie Mathieu in der Zeitung „Le Monde“.
Der Doppeldecker kam später
Königin Katharina von Medici soll die Macarons im 16. Jahrhundert aus Italien nach Frankreich gebracht haben. Der Schriftsteller François Rabelais erwähnte das Rezept 1552 zum ersten Mal. Damals gab es den Keks aus Mandelbaiser allerdings nur in seiner einfachen Form. Den Doppeldecker mit Füllung erfand erst 1930 Pierre Desfontaines, ein Cousin der Familie Ladurée.
Im 17. Jahrhundert schaffte es das Gebäck an den Hof von Versailles, wo ihm auch Marie Antoinette verfiel. In ihrem 2006 entstandenen Film „Marie Antoinette“ließ Regisseurin Sofia Coppola die Königin immer wieder zu der runden Spezialität in Pinktönen greifen, die spätestens damit zum Trend wurde.
Zu Recht, wie der Chef-Pâtissier der Koch- und Backschule Cordon Bleu, Fabrice Danniel, meint. „Das Macaron steht für Pariser Eleganz. Außerdem ist es leicht zu essen und zu lagern. Also die perfekte Leckerei.“Danniel ist viel in der Welt herumgekommen. Als er 2006 nach Thailand geschickt wurde, um dort einen Cordon-Bleu-Ableger zu gründen, fehlte es in dem asiatischen Land am Nötigsten, wie er erzählt. „Es gab keine gute Butter und Sahne.“Doch für Macarons reichte es: Danniel kreierte ein eigenes Macaron für die thailändische Prinzessin Sirindhorn, das viel Erfolg hatte. „Die französische Pâtisserie ist weltweit eine Referenz und die Macarons sind ihr Höhepunkt“, sagt Danniel.
Im Cordon Bleu sind die Macaron-Kurse-Kurse schnell ausgebucht. Nicht selten ist es der Chef selbst, der die Schülerinnen und Schüler aus aller Welt in das Geheimnis des Feingebäcks einweist. Dabei kommt es nicht nur darauf an, die „Meringue à l’italienne“gut hinzubekommen, sondern auch die Macarons hinter
her nicht zerbröseln zu lassen. „Sie müssen außen knusprig und innen weich sein.“Für dieses perfekte Ergebnis sollte das Wetter beim Backen nicht zu feucht sein, empfiehlt Danniel. „Wenn es regnet, sollte man keine Macarons machen.“
Eine echte Herausforderung
Die Zusammensetzung der Macaron-Schalen, die oben und unten auf der Füllung sitzen, ist kein Geheimnis: Sie bestehen aus Eischnee, fein gemahlenen Mandeln, die noch einmal extra mit einem Haarsieb gesiebt werden, und Zucker. Das Ganze wird vorsichtig vermischt, mit Lebensmittelfarbe eingefärbt und dann mit einer Tülle in kleinen, gleichmäßigen Klecksen auf ein Blech gespritzt. Dort muss es erst einmal antrocknen, bevor es in den Ofen darf, wo es erst drei Minuten bei 165 und dann zehn Minuten bei 145 Grad gebacken wird.
„Meinen Schülern passiert es selten, dass die Macarons nichts werden.“Dafür muss Danniel allerdings ständig ein Auge auf die Hobby-Bäckerinnen und -Bäcker haben. „Die Macarons bleiben eine Herausforderung.“Nach dem Backen müssen die kleinen Schalen erst einmal abkühlen. „Wenn sie zu schnell vom Blech heruntergenommen werden, werden sie stumpf. Wenn es zu langsam geht, werden sie platt.“
Das ganze Geheimnis der Macarons liegt allerdings im „Filling“, dem Inneren des Gebäcks. Und da gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten von Klassikern wie Schokolade oder Karamell bis zu ausgefallenen Kreationen wie Rose-Litchi oder Cassis-Veilchen. Von Konfitüre rät Danniel ab, weil sie die Macarons zu süß mache.
Den Trend zu salzigen Macarons, beispielsweise mit Ziegenkäse, Ketchup oder Räucherlachs gefüllt, sieht er eher nüchtern. „Warum nicht? Man muss allerdings das Süße und Salzige gut in Einklang bringen.“Seine persönlichen Lieblinge sind die Macarons, die im Innern eine leicht säuerliche Note haben: mit einer Füllung aus Passionsfrucht, Zitrone oder Yuzu. „Ich liebe diese Kombination aus süß und sauer.“
Wegen ihrer delikaten Füllung dürfen die Macarons, die in Frankreich sogar bei McDonalds zu haben sind, nur wenige Tage aufbewahrt werden – und zwar im Kühlschrank. Fabrice Danniel kauft sich manchmal eine Schachtel, wenn er durch Paris spaziert. Welche Marke er bevorzugt, will er aber nicht verraten. „Sie haben in Paris praktisch alle dasselbe Rezept“: Das nach italienischer Art hergestellte Baiser hat sich weitgehend gegen das französische durchgesetzt. Die großen Häuser sind auch personell miteinander verbunden. So lernte Pierre Hermé bei Lenôtre, der ersten Adresse für Pâtisserie in Frankreich. Bevor er sich auf eigene Füße stellte, arbeitete Hermé dann für Ladurée.
Der umtriebige Pâtissier modernisierte das Mandelgebäck mit neuen Geschmacksrichtungen und schuf sogar einen „Tag der Macarons“, der jedes Jahr am 20. März zum Frühlingsanfang begangen wird. Für die olympischen Spiele in Paris wollen die großen Häuser, die zusammen mehr als 38 Millionen Macarons pro Jahr verkaufen, neue Kreationen herausbringen. Für die Fangemeinde in aller Welt wird die Auswahl damit noch schwerer.