Der Frühjahrsputz der Tiere
Sauberkeit muss sein – auch in der Welt der Fauna. Doch während die meisten Tiere selbst emsig ans Werk gehen, lässt manche Art lieber andere die Drecksarbeit erledigen
Gerade erst im Januar dieses Jahres ging eine kleine putzige Maus viral, die im walisischen Builth Wells jede Nacht die Werkbank des 75-jährigen Rodney Holbrook aufräumte. Eine aufgestellte Wildtierkamera filmte sie dabei, wie sie über mehrere Wochen hinweg immer wieder herumliegende Sachen in eine kleine Holzkiste einräumte, von der Wäscheklammer über Korken bis hin zu Schrauben.
Das kleine ordnungsliebende Mäuschen ist keinesfalls das einzige Tier, das öfter mal ordentlich durchputzt. Eine ganze Reihe von Arten ist überaus reinlich und hält seinen Lebensraum, aber auch sich selbst penibel sauber. Das machen die Tiere natürlich nicht nur so zum Spaß, sondern unter anderem um Krankheitserreger in Schach zu halten. Lediglich mit einem gereinigten Gefieder, dessen Federn nicht verklebt sind, lässt sich effektiv fliegen und nur die Haare eines sauberen Fells können richtig aufgestellt werden, damit das eingeschlossene Luftpolster isoliert.
Jeder, der eine Katze zu Hause hat, weiß, dass die Tiere einen großen Teil des Tages mit der Fellpflege verbringen. Guillermo Amador und David Hu vom Georgia Institute of Technology in Atlanta (USA) haben durchgerechnet, welche Fläche dabei abgeleckt wird. Das Besondere an der Studie: Die Forschenden haben die Oberfläche jedes einzelnen Haares des Fells einberechnet. Demnach muss eine normale Hauskatze immerhin eine Fläche von ganzen drei Quadratmetern ablecken, was in etwa drei Europaletten entspricht. Selbst eine Honigbiene kommt den Forschenden aus Atlanta nach auf eine zu reinigende Oberfläche von erstaunlichen 70 Quadratzentimetern. Das entspricht einer Scheibe Toast. Dass bei einem derartig kleinen Tier wie einer Honigbiene eine so große Fläche zusammenkommt, liegt ganz einfach daran, dass die Biene erstaunliche drei Millionen Haare hat, die alle gepflegt werden wollen, genauso viele übrigens wie ein Grauhörnchen.
Putzkolonne als Untermieter
Doch auch der Lebensraum wird in Schuss gehalten. Vögel putzen akribisch ihr Nest, um zu verhindern, dass sich Krankheitserreger ausbreiten können und womöglich den Küken schaden. Ein Team von Forschenden um Juan Diego Ibánez-Álamo von der Universität Groningen in den Niederlanden sammelte Informationen über 417 Vogelarten, die ihr Nest aufräumten. Bei 95 Prozent der untersuchten Spezies brachten die Tiere sozusagen den Müll raus und trugen die Hinterlassenschaften ihrer Küken aus dem Nest. Dabei wechselten sich in über 90 Prozent der Fälle beide Partner
ab. Bei einigen Arten mussten die Küken auch selber ran und dafür sorgen, dass ihr Nest schön sauber blieb.
Seltsamerweise sind aber nicht alle Vögel Sauberkeitsfanatiker. In der Bruthöhle der Europäischen Bienenfresser sieht es in der Regel aus wie bei Hempels unterm Sofa. Wenn Sauberkeit aber so wichtig für die Gesundheit der Nachkommen ist, warum putzen die Europäischen Bienenfresser dann nicht ordentlich durch? Das wollte ein Wissenschaftlerteam um Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien wissen und schaute sich in den Bruthöhlen der Vögel um.
Europäische Bienenfresser bauen keine Nester im herkömmlichen Sinn, sondern sie graben kleine Tunnel in Abhänge und Steilwände, an deren Ende sich die Brutkammer befindet. Die Forschenden haben in diesen Nistplätzen nun über einhundert andere Tierarten entdeckt, die dort als Untermieter eingezogen waren. Vor allem die
Larven der Fliege Fannia spp. machten sich den Beobachtungen der Wissenschaftler nach bei der Abfallbeseitigung besonders nützlich und beseitigten die Hinterlassenschaften der Küken, Essensreste und anderen Unrat. Die Europäischen Bienenfresser haben es also gar nicht nötig, ihren Nistplatz selbst aufzuräumen.
Allzweckwaffe gegen Pilze und Bakterien
Manchen Tieren wachsen die Müllberge aber auch regelrecht über den Kopf. Bienen können ein Lied davon summen. Sie haben aber eine Möglichkeit gefunden, sich mit größeren Fremdkörpern zu arrangieren, die sich nicht mehr aus dem Bienenstock entfernen lassen. Ihr Superputzmittel nennt sich Propolis, das eine antibiotische, antivirale und antimykonische Wirkung hat. Propolis besteht vor allem aus Harz, Wachs, ätherischen Ölen, Pollen und Speichelbestandteilen der Bienen. Damit lässt sich so ziemlich alles desinfizieren und unschädlich machen, was einen Bienenstock verunreinigen kann.
Die Honigbienen kleiden nicht nur die Wabenzellen für ihre Brut mit Propolis aus, sondern überziehen auch eingeschleppte Pilze, Bakterien und dergleichen mit dem Desinfektionsmittel, mit dem sich praktischerweise auch kleinere Bauarbeiten bewerkstelligen lassen, wie etwa das Abdichten von Spalten und Ritzen.
Weiter geht es unter Wasser: Viele Flussund Meeresbewohner fressen Aas und verrottende Pflanzenteile. Fische, Wasserschnecken und Garnelen putzen Algen von den Pflanzen, Korallen sowie Steinen und befreien sie von diesen Plagegeistern. Seegurken werden gar als Müllabfuhr der Meere bezeichnet, denn sie nehmen unablässig Sedimente vom Boden auf und lösen die organischen Substanzen heraus, von denen sie sich ernähren. Die unverdaulichen mineralischen Bestandteile werden danach wieder ausgeschieden.
Genauso macht es auch der Wattwurm, der auf diese Art und Weise die kleinen geringelten Sandhäufchen hinterlässt, die sich bei Ebbe im Watt finden lassen. Ein einziger Wattwurm kann immerhin mehrere Kilogramm Sand pro Jahr reinigen und ihn von organischen Stoffen befreien. Sogar das Wasser selbst wird gereinigt, indem es von Muscheln filtriert wird, die es unablässig nach Nahrung absuchen. Eine einzige Miesmuschel kann je nach Größe erstaunliche ein bis zwei Liter Wasser in der Stunde durchfiltern.
Neben diesen und vielen anderen Tieren putzen aber auch die unzähligen Kleinund Kleinstlebenwesen ordentlich was weg. Ohne Springschwänze, Hornmilben, Bakterien, Pilze und Co. würden wir alle in einer Welt voller Abfälle ersticken. So gesehen lohnt sich der Frühjahrsputz doch, oder?
: Manchen Tieren wachsen die Müllberge regelrecht über den Kopf.