Ysaline Hibon hat ein Problem namens Axel
Die Eiskunstlauf-Meisterin lebt und trainiert jetzt in Frankreich. Dort arbeitet sie an ihren Sprüngen, die ihr große Schwierigkeiten bereiten
Nein, eine große Liebe ist das nicht. Ysaline Hibon hat eher ein schwieriges Verhältnis zum Axel und ist damit nicht allein. Denn dieser Sprung bereitet vielen Eiskunstläuferinnen Probleme. „Ich mag den Axel nicht sehr“, sagt die 18-Jährige. Generell liegt ihr die künstlerische Seite ihres Sports mehr als die Sprünge. Hibon wirkt elegant und ausdrucksstark.
Sie ist die aktuell beste Eiskunstläuferin Luxemburgs. Am vergangenen Wochenende wurde sie bei der traditionsreichen Coupe du Printemps in Kockelscheuer zum dritten Mal hintereinander nationale Meisterin. Mit den Sprüngen hatte sie erneut ihre Probleme, den Titel sicherte sie sich trotzdem wieder vor Rebecca Toft. „Ich habe bei weitem nicht meine beste Leistung geschafft, aber ich bin trotzdem zufrieden mit dem, was ich gezeigt habe. Künstlerisch habe ich alles gegeben“, so Hibon.
Die 44. Coupe du Printemps bedeutete für sie eine Rückkehr in die Eishalle, die früher ihr zweites Zuhause war. Seit dieser Saison, die am Wochenende für die junge Sportlerin zu Ende ging, lebt und trainiert sie in den französischen Alpen. Nach dem Abitur 2023 zog sie nach Annecy um, wo sie beim Club SGA Patinage in einer Trainingsgruppe mit viel starker Konkurrenz arbeiten kann. Sie behält aber ihre Lizenz beim hiesigen Verein Hiversport Luxembourg.
Im Großherzogtum sind Eiskunstläuferinnen in dieser Alterskategorie rar gesät. Hibon und die 17-jährige Toft waren bei der Coupe du Printemps die einzigen Konkurrentinnen um den nationalen Titel. Dita Giltaire fiel verletzungsbedingt aus. Im Seniors-Bereich gab es keine Luxemburgerin. Im internationalen Juniorinnen-Wettbewerb landeten Hibon als 15. und Toft als 18. im Mittelfeld, während es durch Leandra Tzimpoukakis und Eugenia Sekulovski einen Schweizer Doppelerfolg vor der Finnin Lotta Artimo gab.
„Ysaline hat sehr schöne Pirouetten gezeigt. Aber mit den Sprüngen hat es nicht geklappt, was natürlich schade ist und auf dem Niveau nicht mehr allzu oft passieren sollte“, sagt Jerry Hilgert, Mitglied des Organisationskomitees und einziger internationaler Wertungsrichter Luxemburgs, über die Kür der nationalen Meisterin.
Bislang präsentiert Hibon im Wettkampf Zweifach-Sprünge. Im Training arbeitet sie an den dreifachen. Weil sie den Doppel-Axel im Kurzprogramm in Kockelscheuer vorzeitig abbrechen musste, zeigte sie ihn in der Kür nur einfach. Der Axel ist der einzige Sprung in diesem Sport, der im Vorwärtslauf beginnt und eine halbe Drehung mehr als andere enthält. Er wird von vielen gefürchtet, gilt aber als wichtiger Gradmesser.
Annecy bringt positive Entwicklungen
In Annecy will Hibon auch bei diesem Thema vorankommen. „Man orientiert sich an den Anderen. Es hilft mir zum Beispiel, die Sprünge der Clubkollegen zu sehen. Ich habe Fortschritte gemacht“, berichtet sie. Doch die Arbeit ist hart. Dreimal pro Tag hat sie Training auf dem Eis, dazu kommen wöchentlich mehrere Einheiten Tanz- und Krafttraining.
Sie ist zufrieden mit dem Wechsel nach Annecy, obwohl sie Geschwister und Eltern vermisst. „Meine Familie fehlt mir, aber ich habe mit dem Training und dem Studium so viel zu tun, dass ich keine Zeit habe, mir darüber viele Gedanken zu machen.“Die Sportlerin studiert Psychologie an einer Online-Universität, damit sie sich die Zeit besser einteilen kann. Wegen des vielen Trainings absolviert sie die
Kurse meistens an Wochenenden, an denen sie keinen Wettkampf hat.
Die Luxemburger Vereinskollegin Toft ist hinsichtlich der Eiskunstlauf-Vorlieben das Gegenteil von Hibon. „Sprünge sind meine Stärke. Ich mag sie lieber als die anderen Elemente“, erklärt sie. Schon vor einem Jahr, als sie erstmals in der Juniorinnen-Kategorie startete, gelangen ihr zwei saubere Doppel-Axel. „Er war immer mein Lieblingssprung. Es fühlt sich bei der Landung großartig an, wenn man ihn geschafft hat.“
Doch diesmal hatte sie Probleme. Im Kurzprogramm klappte der schwierige Sprung nicht und auch bei anderen Elementen blieb sie unter ihren Möglichkeiten. „Ich hatte mir vom Kurzprogramm viel mehr erwartet“, berichtete sie enttäuscht. „Die Saison war sehr schwierig.“Unter anderem machten ihr Trainerwechsel und die Doppelbelastung aus Schule und Sport zu schaffen.
Hibon peilt in der nächsten Saison Starts bei Junior Grand Prix sowie bei der Junioren-WM im Februar und März 2025 in Ungarn an. Eine Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo (I) wäre ein Traum, aber ihrer Meinung nach nicht realistisch. Toft will angesichts ihrer aktuellen Probleme momentan lieber nicht weit planen. Ein konkretes Ziel hat sie aber: „Ich möchte luxemburgische Meisterin werden, denn bisher war ich immer nur Zweite.“
Ysaline hat sehr schöne Pirouetten gezeigt. Aber mit den Sprüngen hat es nicht geklappt, was natürlich schade ist und auf dem Niveau nicht mehr allzu oft passieren sollte. Jerry Hilgert, Internationaler Wertungsrichter beim Eiskunstlauf