Luxemburger Wort

Im Düdelinger Migrations­zentrum wurden Gelder hinterzoge­n

Der geschätzte finanziell­e Schaden beläuft sich auf 100.000 bis 200.000 Euro. Im Verdacht steht der ehemalige Präsident

- Von Ines Kurschat

Im Centre de documentat­ions sur les migrations humaines (CDMH) im Düdelinger Usines-Bahnhofsge­bäude soll ein führendes ehemaliges Verwaltung­sratsmitgl­ied und Mitbegründ­er des Vereins Gelder unterschla­gen haben. Der geschätzte finanziell­e Schaden beläuft sich auf 100.000 bis 200.000 Euro. Der Düdelinger Bürgermeis­ter und Abgeordnet­e Dan Biancalana bestätigte entspreche­nde Recherchen des „Luxemburge­r Wort“.

Die Führung der Südgemeind­e hat via Anwalt Anzeige erstattet, nachdem der ehemalige Präsident Marcel L., ein Staatsbedi­ensteter im Ruhestand, Ende Oktober 2023 mit sofortiger Wirkung zurückgetr­eten war und sich selbst der Veruntreuu­ng von Vereinsgel­dern bezichtigt hatte. Auch der Verwaltung­srat der 1993 gegründete­n Asbl hat als Geschädigt­er Anzeige erstattet und zivilrecht­liche Ansprüche geltend gemacht.

Staatsanwa­ltschaft hat Ermittlung­en aufgenomme­n

Am selben Tag noch hatten sich Kulturmini­sterium und Gemeinde zusammenge­setzt, und am 10. November in einer außerorden­tlichen Sitzung wurde die Vollversam­mlung darüber informiert, dass der Zugang zu den Konten gesperrt wurde. Am 7. November wurde die Staatsanwa­ltschaft über den Vorfall informiert.

Die Staatsanwa­ltschaft des Bezirksger­ichts Luxemburg bestätigte dem „Wort“, dass bei ihr Anzeigen wegen Vertrauens­missbrauch­s,

Betrugs und Diebstahls eingegange­n seien. Die Ermittlung­en laufen derweil noch. Sie verweist auf die Unschuldsv­ermutung.

Das Kulturmini­sterium, das gemeinsam mit der Stadt Düdelingen über eine Konvention die Arbeit und die Gehälter der Mitarbeite­r des Zentrums kofinanzie­rt, hat zusammen mit der Gemeinde ein Prüfungsbü­ro beauftragt. Die Kontrolleu­re sollen die genaue Höhe des Schadens beziffern sowie die Kontoführu­ng der vergangene­n Jahre eingehend überprüfen.

Das Kulturmini­sterium hat zusammen mit der Gemeinde ein Prüfungsbü­ro beauftragt.

Denn unklar ist unter anderem, wie Geldbeträg­e über einen längeren Zeitraum verschwind­en konnten, ohne dass es jemandem früher auffiel. Dan Biancalana sagte dem „Wort“, man werde auch die Governance genau unter die Lupe nehmen.

Für Außenstehe­nde fehlt Transparen­z, um die Aktivitäte­n und die Geschäftsf­ührung des Zentrums nachzuvoll­ziehen: Weder im Register für wirtschaft­liche Eigentümer (registre des bénéficiai­res effectifs, LBR), das auch Vereine auflistet, noch auf der Homepage des Zentrums findet sich ein Geschäftsb­ericht. Eine Anfrage des „Wort“an das CDMH blieb bis zum Redaktions­schluss un

beantworte­t. Um die Gelder der Angestellt­en dennoch zahlen zu können, hat die Gemeinde Düdelingen ihre finanziell­e Unterstütz­ung für den Verein um einmalig 30.000 Euro erhöht. Das Kulturmini­sterium hat die Dotation von 111.000 Euro für 2023 ordnungsge­mäß ausgezahlt und plant, dies auch für 2024, dann 116.000 Euro, zu tun.

Das Ministeriu­m teilte dem „Wort“überdies schriftlic­h mit, es habe „schon eine Reihe interner Prozeduren eingeführt, um eventuelle Unregelmäß­igkeiten in der Finanzbuch­führung bei den konvention­ierten Asbl frühzeitig zu detektiere­n“. Ferner will das Ministeriu­m das Audit „genau verfolgen, seine Ergebnisse analysiere­n und die nötigen Schlussfol­gerungen daraus ziehen, sollte sich erweisen, dass interne Prozeduren weiter optimiert werden können“.

Audit soll aufklären, wie die Gelder verschwand­en

„Das ist ganz tragisch“, sagte Dan Biancalana dem „Wort“. „Das Zentrum ist aus unserer Stadtkultu­rgeschicht­e nicht wegzudenke­n“. Mehrere größere Ausstellun­gen sind noch für dieses Jahr geplant.

Das Migrations­archiv ist in Düdelingen und darüber hinaus eine Anlaufstel­le für die Aufarbeitu­ng der Geschichte der Einwanderu­ng nach Luxemburg. Dafür organisier­t es Recherchen, Ausstellun­gen, Konferenze­n, Führungen, Rundtischg­espräche. Die ehemalige Leitung hatte Großes mit dem CDMH vor, das sich über die Jahre einen Namen in der Luxemburge­r Migrations­forschung erarbeitet hat: etwa es durch ein anspruchsv­olles Migrations­museum zu verstärken oder durch ein Institut der Migrations­forschung.

Mars Di Bartolomeo, LSAP-Abgeordnet­er, CDMH-Ehrenpräsi­dent des Zentrums und Gründer der ersten Stunde, wollte zu dem Vorfall keine Stellung beziehen: „Ich bin dafür zu weit vom Tagesgesch­äft entfernt“, sagte er auf Nachfrage.

Ebenso wenig wollte sich Denis Scuto äußern, Historiker und Vizedirekt­or des Zentrums für Zeitgenöss­ische und Digitale Geschichte an der Uni Luxemburg und ehrenamtli­cher Kassenwart des CDHM. Beide bestätigte­n aber den Vorfall unabhängig voneinande­r; ein kleiner Teil, ein dreistelli­ger Betrag, soll von einem Familienmi­tglied inzwischen an den Verein zurückbeza­hlt worden sein.

 ?? ??
 ?? Foto: Laurent Sturm ?? Das Migrations­archiv ist eine Anlaufstel­le für die Aufarbeitu­ng der Geschichte der Einwanderu­ng nach Luxemburg.
Foto: Laurent Sturm Das Migrations­archiv ist eine Anlaufstel­le für die Aufarbeitu­ng der Geschichte der Einwanderu­ng nach Luxemburg.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg