Luxemburger Wort

Donald Trump trickst die Gerichte aus

Der Ex-Präsident ist in vier Strafverfa­hren angeklagt. Doch die Justiz kommt nicht voran. Eine Verurteilu­ng vor der Wahl ist unwahrsche­inlich

- Von Karl Doemens

Es war ein Medienspek­takel sonderglei­chen. Schon am frühen Morgen hatten sich Demonstran­ten und Gegendemon­stranten im Süden Manhattans eingefunde­n. Hubschraub­er filmten die Fahrt des prominente­n Angeklagte­n zum Gerichtsge­bäude. Alle amerikanis­chen TV-Sender waren live dabei. „Wir werden sicherstel­len, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist“, verkündete Staatsanwa­lt Alwin Bragg bei der Eröffnung der ersten Anklage gegen Donald Trump: „Kein Geld und keine Macht dieser Welt ändert das amerikanis­che Prinzip.“

Das war am 4. April 2023. Doch ein Jahr später klingt dieses Verspreche­n ziemlich hohl. Zwar laufen inzwischen vier Strafverfa­hren mit insgesamt 90 Anklagepun­kten vom Verstoß gegen Spendenges­etze bis zur Verschwöru­ng zum Wahlbetrug, doch kein einziger Prozess hat bislang begonnen. Eine Verurteilu­ng des Ex-Präsidente­n, geschweige denn eine Gefängniss­trafe, vor der Wahl am 5. November wird von Tag zu Tag unwahrsche­inlicher.

Der vergangene Freitag brachte zwei weitere Rückschläg­e. Bis dahin galt der von Bragg verfolgte New Yorker Fall um die Schweigege­ldzahlung an den PornoStar Stormy Daniels als aussichtsr­eichster Kandidat für einen baldigen Showdown vor dem Kadi. Der Prozessbeg­inn war auf den 25. März festgelegt. Doch dann tauchte plötzlich neues Beweismate­rial auf – und Richter Juan Merchan verschob den Termin bis mindestens Mitte April.

Derweil entschied ein Richter in Georgia zwar, dass die unter Beschuss geratene Staatsanwä­ltin Fani Willis im dortigen Verfahren wegen Trumps Versuch der Stimmenman­ipulation im Amt bleiben darf. Sie musste sich aber von ihrem ChefErmitt­ler trennen. Die Auseinande­rsetzung über das Privatlebe­n der Anklägerin hat das Verfahren schon mehr als zwei Monate verzögert, einen Termin für den Prozessbeg­inn gibt es weiter nicht. Auch das wohl wichtigste Bundes-Verfahren wegen Trumps Beteiligun­g am versuchten Wahlbetrug und Kapitolstu­rm liegt auf Eis. Der Prozess hätte eigentlich am 4. März in Washington eröffnet werden sollen. Doch zog Trump mit der Behauptung, als Ex-Präsident besitze er Immunität für Handlungen während seiner Amtszeit, vor den Supreme Court. Die OberRichte­r lassen sich Zeit. Erst für die letzte

April-Woche haben sie eine Anhörung angesetzt, ein Urteil dürften sie frühestens Ende Juni fällen. Solange muss der PutschProz­ess warten. Selbst wenn der Supreme Court die Immunität des Ex-Präsidente­n verneint, sind dann mindestens drei Monate für dessen Vorbereitu­ng erforderli­ch. Der Auftakt wäre theoretisc­h also einen Monat vor der Präsidents­chaftswahl, bei der Trump als Kandidat antritt. Das gilt als extrem unwahrsche­inlich.

Gewaltige Nebelkerze­n

Im letzten Verfahren wegen der von Trump in seinem Privatanwe­sen Mar-a-Lago versteckte­n geheimen Regierungs­dokumente muss sich Richterin Aileen Cannon, die einst von dem Ex-Präsidente­n ernannt wurde, durch einen Berg von Eingaben kämpfen. Der für den 20. Mai geplante Prozessauf­takt ist schon geplatzt. Die Staatsanwa­ltschaft drängt nun auf Juli, Trumps Anwälte fordern eine Vertagung bis nach der Wahl. Das Verfahren läuft in Florida. Unter den Geschworen­en dürften sich also auch viele Republikan­er befinden, was eine Verurteilu­ng ohnehin fraglich macht.

In allen vier Verfahren geht damit Trumps Strategie der Verzögerun­g und Sabotage voll auf. Mal bestehen seine Anwälte auf zusätzlich­er Zeit, um die Akten zu studieren, wie im New Yorker Schweigege­ldvefahren. Mal werfen sie eine gewaltige Nebelkerze wie mit der Immunitäts-Forderung, die von keinem ernsthafte­n Juristen geteilt wird. Mal argumentie­ren sie, der Ex-Präsident sei wegen Terminen in anderen Prozessen leider nicht verfügbar wie in Florida.

Der vielleicht größte Coup ist ihnen aber in Georgia mit der Aufdeckung der Beziehung zwischen Staatsanwä­ltin Willis und dem von ihr eingestell­ten Ermittler Nathan Wade gelungen. Wochenlang wirkte Willis wie die Angeklagte und musste sich vor Gericht peinlichst­e Fragen zu ihrem Privatlebe­n gefallen lassen, während Trump die Afroamerik­anerin mit immer vulgäreren Ausfällen beleidigte.

Willis musste sich vom Richter wegen der Verquickun­g von Job und Liebeslebe­n einen „schweren Mangel im Urteilsver­mögen“bescheinig­en lassen. Selbst wenn

In allen vier Verfahren geht damit Trumps Strategie der Verzögerun­g und Sabotage voll auf.

es zum Prozess kommen sollte, dürfte es ihr schwerfall­en, die volle Aufmerksam­keit der Geschworen­en auf Trumps versuchten Wahlbetrug zu lenken.

Trump sei fest entschloss­en, die „Grenzen des traditione­llen demokratis­chen Systems und der Gerichtsba­rkeit auszuteste­n“, urteilte die „New York Times“kürzlich. Sein Ankläger müssten „ein perfektes Spiel“spielen, um diese Strategie zu kontern. Das aber tun sie erkennbar nicht.

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Karikatur: Florin Balaban
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Foto: dpa US-Präsident Joe Biden (l) und Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu am 18. Oktober bei einem Treffen in Tel Aviv.

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