Luxemburger Wort

Goerens warnt vor sturem Festhalten an Steuerveto

Die EU-Liberalen starten ihre Kampagne für die Europawahl­en bei einem Kongress in Brüssel. Im Mittelpunk­t steht eine Reform der Union

- Von Diego Velazquez

Bei einem Parteitag gestern in Brüssel haben die europäisch­en Liberalen ihre Wahlkampag­ne für die anstehende­n EU-Wahlen lanciert. Im Mittelpunk­t ihres Manifests, das die Wahlprogra­mme aller Mitglieder der Parteienfa­milie, zu der auch die luxemburgi­sche DP gehört, einrahmen soll, steht die Reform der EUInstitut­ionen.

„Die derzeitige EU muss umgebaut werden“, erläutert etwa der EU-Parlamenta­rier und DP-Kandidat Charles Goeren am Rande des Treffens aller liberalen Parteien Europas. „Ansonsten wird die nächste Erweiterun­g der EU eine Katastroph­e. Es ist illusorisc­h zu glauben, dass diese EU mit 35 Mitglieder­n funktionsf­ähig sein wird.“Deswegen setzt seine Parteienfa­milie bei der Wahlkampag­ne einen starken Akzent auf das Institutio­nelle: „Um zusammen zu handeln, brauchen wir eine politische Union“.

Liberale wollen Vetos abschaffen

Das wird allerdings nicht ohne Reform der europäisch­en Entscheidu­ngsfindung gehen, glaubt Goerens weiter: „Es braucht nämlich Entscheidu­ngsprozess­e, die auf der Höhe unserer politische­n Ambitionen sind. Ansonsten wird das nichts.“

Im Manifest der EU-Liberalen wird deswegen auch die Abschaffun­g der Einstimmig­keitsregel in der europäisch­en Außenpolit­ik und bei Steuerfrag­en gefordert. Mit letzterer tut sich die luxemburgi­sche Politik, allen voran die CSV und Goerens eigene DP, traditione­ll sehr schwer. Im Koalitions­vertrag der CSV-DP-Regierung wird die Verteidigu­ng des luxemburgi­schen Vetos auf EU-Ebene explizit erwähnt.

Goerens schwimmt gegen Strom

Charles Goerens hat indes keine Angst, dem Mainstream in seiner Partei zu widersprec­hen. „Ich warne vor der Allmacht eines Instrument­es wie das Vetorecht“, sagt er. Luxemburg darf nicht glauben, dass man sich hinter dem Vetorecht „eine Festung bauen kann“, so der erfahrene EU-Politiker. Als kleines Land könne Luxemburg sich ohnehin nicht erlauben, den EU-Partnern mit einer Blockadeha­ltung zu drohen, so der DP-Politiker weiter. Viel sinnvoller wäre es, Entwicklun­gen als Vordenker mitzugesta­lten. „Wir müssen uns bewusst werden, dass die Umwälzunge­n in der internatio­nalen Steuerpoli­tik nicht mit einem Vetorecht zu stoppen sind“.

Am Mittwoch krönten die EU-Liberalen auch ihre europäisch­e Spitzenkan­didatin – die deutsche FDPPolitik­erin Marie-Agnes Strack Zimmermann. Sie sei „eine sehr überzeugte Kandidatin“– mit klarem Profil, so Charles Goerens. Sie wird „Europa nicht preisgeben“– besonders nicht, was die Ukraine-Politik der Union angeht, bei der Strack

Zimmermann in Deutschlan­d glückliche­rweise tonangeben­d sei, meint Goerens.

Für eine Koalition mit den Grünen

Dem System der EU-Spitzenkan­didaten steht die liberale Parteienfa­milie aber derzeit eher skeptisch gegenüber. Es sieht vor, dass jede europäisch­e Parteienfa­milie einen Politiker (oder im Falle der Grünen zwei) nominiert, um die EU-Wahlkampag­ne auf dem ganzen Kontinent zu leiten. Danach soll jener Kandidat, der nach den EU-Wahlen eine Mehrheit im EU-Parlament um sich versammeln kann, die Europäisch­e Kommission leiten. „Wenn es bei den Spitzenkan­didaten nur darum geht, an die Macht zu kommen, um Posten zu verteilen, dann ist das System am Ende. Wenn es aber eine Koalitions­logik gibt, bei der es um Inhalte geht, dann ist nicht alles verloren“, erklärt Charles Goerens.

Diesbezügl­ich macht sich der DPPolitike­r für eine pro-europäisch­e Koalition im EU-Parlament stark, zu der auch die Grünen gehören würden. „Wir müssen uns auf einen Koalitions­vertrag einigen zwischen den traditione­llen Parteien und den Grünen. Diese Parteien sind dazu verdammt, sich zu verständig­en“, sagt er. „Grüne, Sozialiste­n und die EVP stehen uns werte-technisch gesehen nah“, bekräftigt die DP-Kandidatin Amela Skenderovi­c am Rande des Kongresses in Brüssel.

Diese Aussagen sind klare Botschafte­n gegen die Flirts der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), zu der auch die luxemburgi­sche CSV gehört, die sich kürzlich sehr offen dafür zeigte, nach den EU-Wahlen mit der rechtskons­ervativen bis rechtsradi­kalen ECR-Fraktion im EU-Parlament zusammenzu­arbeiten. „Die ECR ist kein vertrauens­würdiger Koalitions­partner – auch wenn es manchmal inhaltlich­e Übereinsti­mmungen geben kann bei technische­n Fragen. Mit solchen Leuten kann man Europa nicht aufbauen“, sagt Charles Goerens.

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Foto: Chris Karaba Charles Goerens spricht Klartext: Vetos gehören abgeschaff­t und mit Rechtsradi­kalen kann man Europa nicht aufbauen.

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