Goerens warnt vor sturem Festhalten an Steuerveto
Die EU-Liberalen starten ihre Kampagne für die Europawahlen bei einem Kongress in Brüssel. Im Mittelpunkt steht eine Reform der Union
Bei einem Parteitag gestern in Brüssel haben die europäischen Liberalen ihre Wahlkampagne für die anstehenden EU-Wahlen lanciert. Im Mittelpunkt ihres Manifests, das die Wahlprogramme aller Mitglieder der Parteienfamilie, zu der auch die luxemburgische DP gehört, einrahmen soll, steht die Reform der EUInstitutionen.
„Die derzeitige EU muss umgebaut werden“, erläutert etwa der EU-Parlamentarier und DP-Kandidat Charles Goeren am Rande des Treffens aller liberalen Parteien Europas. „Ansonsten wird die nächste Erweiterung der EU eine Katastrophe. Es ist illusorisch zu glauben, dass diese EU mit 35 Mitgliedern funktionsfähig sein wird.“Deswegen setzt seine Parteienfamilie bei der Wahlkampagne einen starken Akzent auf das Institutionelle: „Um zusammen zu handeln, brauchen wir eine politische Union“.
Liberale wollen Vetos abschaffen
Das wird allerdings nicht ohne Reform der europäischen Entscheidungsfindung gehen, glaubt Goerens weiter: „Es braucht nämlich Entscheidungsprozesse, die auf der Höhe unserer politischen Ambitionen sind. Ansonsten wird das nichts.“
Im Manifest der EU-Liberalen wird deswegen auch die Abschaffung der Einstimmigkeitsregel in der europäischen Außenpolitik und bei Steuerfragen gefordert. Mit letzterer tut sich die luxemburgische Politik, allen voran die CSV und Goerens eigene DP, traditionell sehr schwer. Im Koalitionsvertrag der CSV-DP-Regierung wird die Verteidigung des luxemburgischen Vetos auf EU-Ebene explizit erwähnt.
Goerens schwimmt gegen Strom
Charles Goerens hat indes keine Angst, dem Mainstream in seiner Partei zu widersprechen. „Ich warne vor der Allmacht eines Instrumentes wie das Vetorecht“, sagt er. Luxemburg darf nicht glauben, dass man sich hinter dem Vetorecht „eine Festung bauen kann“, so der erfahrene EU-Politiker. Als kleines Land könne Luxemburg sich ohnehin nicht erlauben, den EU-Partnern mit einer Blockadehaltung zu drohen, so der DP-Politiker weiter. Viel sinnvoller wäre es, Entwicklungen als Vordenker mitzugestalten. „Wir müssen uns bewusst werden, dass die Umwälzungen in der internationalen Steuerpolitik nicht mit einem Vetorecht zu stoppen sind“.
Am Mittwoch krönten die EU-Liberalen auch ihre europäische Spitzenkandidatin – die deutsche FDPPolitikerin Marie-Agnes Strack Zimmermann. Sie sei „eine sehr überzeugte Kandidatin“– mit klarem Profil, so Charles Goerens. Sie wird „Europa nicht preisgeben“– besonders nicht, was die Ukraine-Politik der Union angeht, bei der Strack
Zimmermann in Deutschland glücklicherweise tonangebend sei, meint Goerens.
Für eine Koalition mit den Grünen
Dem System der EU-Spitzenkandidaten steht die liberale Parteienfamilie aber derzeit eher skeptisch gegenüber. Es sieht vor, dass jede europäische Parteienfamilie einen Politiker (oder im Falle der Grünen zwei) nominiert, um die EU-Wahlkampagne auf dem ganzen Kontinent zu leiten. Danach soll jener Kandidat, der nach den EU-Wahlen eine Mehrheit im EU-Parlament um sich versammeln kann, die Europäische Kommission leiten. „Wenn es bei den Spitzenkandidaten nur darum geht, an die Macht zu kommen, um Posten zu verteilen, dann ist das System am Ende. Wenn es aber eine Koalitionslogik gibt, bei der es um Inhalte geht, dann ist nicht alles verloren“, erklärt Charles Goerens.
Diesbezüglich macht sich der DPPolitiker für eine pro-europäische Koalition im EU-Parlament stark, zu der auch die Grünen gehören würden. „Wir müssen uns auf einen Koalitionsvertrag einigen zwischen den traditionellen Parteien und den Grünen. Diese Parteien sind dazu verdammt, sich zu verständigen“, sagt er. „Grüne, Sozialisten und die EVP stehen uns werte-technisch gesehen nah“, bekräftigt die DP-Kandidatin Amela Skenderovic am Rande des Kongresses in Brüssel.
Diese Aussagen sind klare Botschaften gegen die Flirts der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch die luxemburgische CSV gehört, die sich kürzlich sehr offen dafür zeigte, nach den EU-Wahlen mit der rechtskonservativen bis rechtsradikalen ECR-Fraktion im EU-Parlament zusammenzuarbeiten. „Die ECR ist kein vertrauenswürdiger Koalitionspartner – auch wenn es manchmal inhaltliche Übereinstimmungen geben kann bei technischen Fragen. Mit solchen Leuten kann man Europa nicht aufbauen“, sagt Charles Goerens.