Luxemburger Wort

Nicolas Schmit will die Ausbeutung von Praktikant­en stoppen

Statt Lohn bekommen junge Menschen „Berufserfa­hrung“, um ihren Lebenslauf zu schmücken. Damit soll Schluss sein, meint der EU-Kommissar für Soziales und Arbeit

- Von Diego Velazquez Nicolas Schmits letzte Offensive dieser Legislatur­periode ist der Jugend gewidmet.

Für Nicolas Schmit ist die Sachlage klar: „Zu oft nutzen Unternehme­n die Verzweiflu­ng von Jugendlich­en aus, um sie unbezahlt arbeiten zu lassen.“Sie werden dann als Praktikant­en eingestell­t und anstelle von einem Lohn bekommen sie „Berufserfa­hrung“, um ihren Lebenslauf zu schmücken. Über drei Millionen junge Menschen werden als Praktikant­en in der EU beschäftig­t, rechnet das europäisch­e Statistika­mt Eurostat. Davon die Hälfte unbezahlt. Die Dunkelziff­er ist wahrschein­lich um einiges höher, befürchtet Nicolas Schmit, denn es sei relativ schwierig, an genaue Zahlen zu kommen.

Junge Europäer, die eine Arbeit suchen, seien demnach in einer schwierige­n Lage, erläutert der LSAP-Politiker. Nach den Studien oder der Lehre erst einmal Arbeitserf­ahrung zu sammeln, macht es nämlich einfacher, später einen richtigen Job zu finden. „Praktika öffnen die Türen der Arbeitswel­t“, doch wird genau diese Not ausgebeute­t, so Schmit weiter: „Es gibt viel zu viele Schwindelp­raktika, bei denen Unternehme­n junge Menschen einfach gratis oder für einen Hungerlohn einstellen, damit sie Arbeiten erledigen, die man eigentlich einem Angestellt­en anvertraue­n müsste“. Das sei in vielen EU-Ländern der Fall, so Schmit und es nennt sich „Missbrauch“.

Juristisch heikles Vorhaben

Um dies EU-weit zu verbieten, hat Nicolas Schmit am Mittwoch eine Richtlinie und eine Empfehlung vorgeschla­gen, die nun von den 27 EU-Regierunge­n und dem nächsten EUParlamen­t ausgehande­lt werden muss. Weil das EU-Recht in sozialen Angelegenh­eiten beschränkt ist, mussten Schmits Dienste kreativ sein, um das Vorhaben legal gesehen wasserdich­t zu machen.

Die Richtlinie soll demnach sicherstel­len, dass Praktikant­en im Vergleich zu regulären Arbeitnehm­ern nicht „weniger vorteilhaf­t“behandelt werden, „es sei denn, eine unterschie­dliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfer­tigt, wie z. B. unterschie­dliche Aufgaben, geringere Verantwort­lichkeiten und Arbeitsint­ensität oder die große Wichtigkei­t der Lern- und Schulungsk­omponente.“Kritiker sehen darin auch die Schwachste­lle des Richtlinie­n-Entwurfes. Er lasse ausreichen­d Möglichkei­ten zu, um die Praxis der unbezahlte­n Praktika weiterzufü­hren, bemängeln etwa die Grünen im EU-Parlament. Die Richtlinie fo

Es liegt im Interesse von Unternehme­n – besonders während einer Fachkräfte­mangelperi­ode – Praktikant­en nicht auszubeute­n. Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Soziales

kussiert sich tatsächlic­h darauf, Schwindelp­raktika zu bekämpfen. Unbezahlte Praktika, die Teil einer Ausbildung sind, sollen demnach weiterhin erlaubt sein – allerdings werden relativ strenge Kriterien dafür aufgestell­t.

Im selben Zusammenha­ng will die Richtlinie den EU-Staaten auch vorschreib­en, Kontrollen zu verschärfe­n, um einzugreif­en, „wenn ein reguläres Arbeitsver­hältnis als Praktikum getarnt wird, was zur Folge hat, dass ein geringeres Schutznive­au, einschließ­lich der Arbeitsbed­ingungen und der Bezahlung, gewährt wird“.

Die Empfehlung will obendrein allgemeine Standards für Praktika festhalten, einschließ­lich Regeln für die Dauer der Praktika, die finanziell­e Entschädig­ung und den Zugang zum Sozialschu­tz.

Nicolas Schmit ist indes überzeugt, dass die Verbesseru­ng der Lebensbedi­ngungen von Praktikant­en auch wirtschaft­lich sinnvoll ist: „Es liegt im Interesse von Unternehme­n – be

Es gibt viel zu viele Schwindelp­raktika, bei denen Unternehme­n junge Menschen einfach gratis oder für einen Hungerlohn einstellen. Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Soziales

sonders während einer Fachkräfte­mangelperi­ode – Praktikant­en nicht auszubeute­n“, so der luxemburgi­sche EU-Kommissar und Spitzenkan­didat der europäisch­en Sozialdemo­kraten für die EU-Wahlen. „Betriebe täten dagegen gut daran, Praktikant­en korrekt zu behandeln und zu bezahlen, um sie auch als potenziell­e Arbeitnehm­er anzulocken“. Die Idee, wonach die faire Entlohnung von Praktikant­en, schlecht fürs Geschäft sei, „ist Bullshit“, so Nicolas Schmit.

„Clevere Unternehme­n behandeln ihre Praktikant­en jetzt schon gut“, sagt er. Und geht es nach dem Willen des LSAP-Politikers, müssten auch bald alle Betriebe in Europa das tun.

 ?? ??
 ?? Foto: Guy Jallay ??
Foto: Guy Jallay

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg