Ukrainische Flüchtlinge feiern Wiedersehen
Vor zwei Jahren wurden 64 Ukrainer in der Jugendherberge von Vianden untergebracht. Seitdem pflegen sie und die Einheimischen ein freundschaftliches Verhältnis
Anastasia war 15, als sie mit ihrer Familie aus der Ukraine flüchtete. Eine erste Unterkunft fanden sie und ihre Familie in der Jugendherberge in Vianden. Kurze Zeit später kamen weitere Gleichgesinnte dahin. Nach etwa drei Monaten in dem Touristenort wurden sie erneut in verschiedenen Ortschaften untergebracht. Doch während dieses kurzen Aufenthalts wurden zahlreiche Kontakte zwischen den Einheimischen und den sogenannten „Nei Veiner Ukrainer“geknüpft. Dabei entstanden Freundschaften, die bis heute Bestand haben. Wie eng das Band geworden ist, zeigt sich nicht zuletzt an den regelmäßigen Treffen, welche von der Gemeinde und der Vereinigung Reech eng Hand organisiert werden.
Auch die 15-jährige Anastasia ist bei diesem Treffen dabei. Sie erinnert sich noch gut an die letzten Tage in ihrer Heimat. So verbrachte sie gerade mit ihrer Familie einige Urlaubstage in Kiew, als die ersten Bomben fielen. „Wir flüchteten aus der Hauptstadt zurück nach Hause, nach Ternopil“, erzählt die junge Ukrainerin. „Dort packten wir das Notwendigste für fünf Personen in einen einzigen Koffer. Mit einem Bus verließen wir das Land in Richtung Polen“, fügt sie hinzu. Ihr Vater musste zurückbleiben, denn nur ältere Männer, Männer mit Behinderungen und
Väter von mehr als drei Kindern durften das Land verlassen.
In Polen seien zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Millionen Ukrainer angekommen. „Wir wussten nicht, wohin wir fahren sollten, wir waren auf uns alleine gestellt“, schildert Anastasia. Ihre Mutter und ihr Stiefvater hätten dann zusammen mit den drei Kindern die Reise in Richtung Frankreich fortgesetzt. Dort angekommen sei nach ein paar Stunden die Entscheidung gefallen, nach Luxemburg zu fahren. Von der Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge in Kirchberg sei man dann nach Vianden geschickt worden. Dort sei die Familie denn auch am 8. März 2022 angekommen, so Anastasias.
Dankbarkeit und Heimweh
„Wir hatten nichts, nur den Koffer und die Kleider, die wir am Körper trugen“, erklärt Anastasia. Die Solidarität der Viandener Einwohner sei groß gewesen. Recht schnell hätten die Leute im Ort Kleidung, Hygieneartikel und Lebensmittel besorgt, genauso wie Schulsachen und Bücher. „Ich war damals die Einzige, die Französisch sprechen konnte und sprang ständig als Übersetzerin ein“, erinnert sich die junge Frau. Auch heute sei das noch regelmäßig der Fall.
Mit dem Empfang in Vianden verbindet sie gemischte Gefühle, einerseits Dankbarkeit für den warmherzigen Empfang, andererseits aber die Gedanken an Familie und Freunde, die in der Ukraine geblieben sind, und der Verlust ihrer Heimat. Eine Rückkehr komme für sie selbst nicht mehr infrage. „Was soll ich dort? Alles ist zerbombt, alles ist zerstört. Auch wenn der Krieg enden würde, dauert es Jahrzehnte, bis wieder alles aufgebaut sei“, so Anastasia. In Vianden sollte der Aufenthalt nicht von langer Dauer sein, wie uns Anastasia berichtet. Nach drei Monaten musste die Familie in die Cité militaire in Diekirch ziehen, dies jedoch auch nur für ein paar Monate.
Die Suche nach einer festen Unterkunft
Mittlerweile seien die 64 „Nei Veiner Ukrainer“durch das ganze Land verteilt, mischt sich die ehemalige Bürgermeisterin Gaby Frantzen-Heger ins Gespräch ein. Sie und Nico Walisch, Koordinator der Vereinigung „Reech eng Hand“, kritisieren diesen Umstand des wiederholten Entwur
zelns der ukrainischen Familien. Diese Leute seien vor dem Krieg geflüchtet und traumatisiert und würden dann noch immer keine endgültige Unterkunft finden. Auch die anfängliche Gemeinschaft in Vianden wurde erneut mehrfach getrennt, sodass die Leute heute alle in unterschiedlichen Teilen des Landes leben, wie die beiden Ehrenamtlichen zu verstehen geben.
Dabei nehme genau jenes Entwurzeln kein Ende. So müsse etwa im August eine siebenköpfige Familie aus einem Haus in Schouweiler ausziehen; dieses Mal wegen eines Neubauprojekts. Wo die Familie jetzt unterkommen soll, wisse niemand, führt Frantzen fort.
Gerade im Hinblick auf die ständigen Veränderungen hält die Gemeinde Vianden an der Wiedersehensfeier mit den „Nei Veiner Ukrainer“fest. Dabei stehen neben einem gemeinsamen Essen unter anderem auch Besichtigungen von kulturellen und historischen Einrichtungen auf dem Programm. „Mit dieser kleinen Geste wollen wir den ukrainischen Menschen, die vor dem Krieg und Tod geflüchtet sind, den Alltag etwas versüßen“, so Nico Walisch.