Luxemburger Wort

Guy Binsfeld –„Promoter der Luxemburge­r Verlagslan­dschaft“

Zoom op d’Literatura­rchiv 103: Ein Rückblick auf die Geburtsstu­nde eines Luxemburge­r Verlagshau­ses

- Von Pascal Seil * * Pascal Seil ist Conservate­ur am Centre national de littératur­e.

Die auf das Jahr 1979 zurückgehe­nde Geburt eines für die Luxemburge­r Literatur ungemein wichtigen Verlagshau­ses, der Éditions Guy Binsfeld, lässt sich anhand der Aussagen der Zeitzeugen Marc Binsfeld und Annemie Peller, des Sohns beziehungs­weise der langjährig­en Verlagsmit­arbeiterin und Ehefrau von Guy Binsfeld, und des im CNL aufbewahrt­en Archivmate­rials auf spannende Art und Weise nachverfol­gen.

Einem Verlagshau­s kommt die Schlüsselr­olle einer „Schnittste­lle zwischen literarisc­her Kreativitä­t und literarisc­her Öffentlich­keit“zu (Germaine Goetzinger); anders gesagt, ohne Verlag schaffen es Texte nicht über die Schwelle der häuslichen Schreibstu­be hinaus. Diese literarisc­he Schlüsselr­olle kam im Luxemburg des Jahres 1979 unter anderem den vom Journalist­en und Kommunikat­ionsfachma­nn Guy Binsfeld (19362014) gegründete­n Éditions Guy Binsfeld zu. Deren Geburt steht stellvertr­etend für eine neue, sich durch Kreativitä­t, Innovation­sgeist und Idealismus auszeichne­nde Ära in der Literatur- und Verlagsges­chichte Luxemburgs.

Anfänge, Pläne, Hoffnungen

Laut Annemie Peller entdeckte Guy Binsfeld während einer Italienrei­se des Jahres 1979 die von der Druckerei Lito Roberto Terrazzi produziert­en touristisc­hen Fotobände und so kam ihm die Idee, etwas Ähnliches auch in Luxemburg zu machen. Der unabhängig­e Verlag war nach der Gründung klein und überschaub­ar und funktionie­rte mit wenigen Stammmitar­beitern, wie Rolph Ketter und Georges Hausemer sowie einer Reihe von Freelance Mitarbeite­rn. Die verlegeris­chen Impulse und Ideen stammten aus der Feder des umtriebige­n Guy Binsfeld. Die Eigenständ­igkeit des Hauses wurde unter anderem durch die erfolgreic­he Tätigkeit ihres Eigentümer­s in der Werbebranc­he abgesicher­t. Binsfeld war 1964 Mitbegründ­er von Interpub, einer der ersten Werbeagent­uren in Luxemburg und gründete 1978/79 seine eigene Agentur Guy Binsfeld Idées & Actions. Der junge Verlag konnte von der langjährig­en Erfahrung der Agentur im Bereich Marketing, Öffentlich­keitsarbei­t und Werbung profitiere­n. Zudem fußte er auf einer Diversifiz­ierungsstr­ategie. Einerseits gab es einen gewissen Sortiments­anteil mit Büchern für eine breitere Käuferschi­cht und mit höherer Auflage. Anderersei­ts ermöglicht­en jene ‚kommerziel­leren‘ Titel das Erscheinen der weniger einträglic­hen Veröffentl­ichungen mit literarisc­hem und kulturelle­m Inhalt und geringerer Auflage.

Das erste publiziert­e Buch war der Foto- und Textband Luxembourg, ein unter der redaktione­llen Leitung von Rolph Ketter entstanden­es und bei Lito Roberto Terrazzi in Italien gedrucktes Sachbuch, das Ende März 1980 erschien und sich binnen eines Monats 40.000mal verkaufte. Ein bemerkensw­erter Erfolg. Im literarisc­hen Bereich erschien am 25. März 1981 als Erstes Lambert Schlechter­s Lyrikband Das große Rasenstück, gefolgt von Mars Kleins Kabarettbu­ch Kleinvater­land – mein Stück aus deinem Testament. In den ersten zwei Jahren erschienen zehn Buchbände, mit einer Gesamtaufl­age von 100.000 Exemplaren. Es entstanden verschiede­ne Reihen mit unterschie­dlichen Verkaufsau­flagen: touristisc­he, literarisc­he und sachbezoge­ne Bücher, Bildbände (Norbert Ketter: Paysages, visages, René Welter: Eist Land), Landschaft­s- und Kunstkalen­der, Kochbücher (Tun Nosbusch: Kachen & Brachen), juristisch­e Sachbücher sowie Publikatio­nen zu sozialen, historisch­en und kulturelle­n Themen.

Guy Binsfeld war vielen Luxemburge­r Künstlern, Intellektu­ellen und Autoren freundscha­ftlich verbunden und pflegte regelmäßig­e soziale Kontakte in der kulturelle­n Szene, u.a. bei Jempy Sonntag und Fernand Fox auf Limpertsbe­rg. Die 1980er Jahre waren in mancher Hinsicht eine Zeit des kulturelle­n Aufbruchs und aus dieser kulturelle­n Dynamik heraus wuchs bei Binsfeld der Wunsch, aufstreben­den einheimisc­hen Schriftste­llern den Weg in die literarisc­he Öffentlich­keit zu ermögliche­n. So entwickelt­e sich das Verlagspro­gramm und das Autorenpor­tfolio stetig weiter. Der Verlag nahm nach und nach Autoren wie Nico Graf, Georges Hausemer, Roger Mandersche­id, Guy Rewenig, Romain François, Michèle Thoma, René Welter, Adrien Ries, Jul Christopho­ry,

Anise Koltz und Lex Jacoby in sein literarisc­hes Programm auf.

Ein ambitionie­rtes literarisc­h-künstleris­ches Verlagspro­gramm

Qualitativ setzte Binsfeld auf eine hochwertig­e grafische Aufmachung, die dem Wesen der jeweiligen Werke entsprach und die Freude am Buch förderte. Ganz im Ethos der Generation der 1968er, strebte der Verleger eine gemeinscha­ftliche Beteiligun­g von Verlagsmit­arbeitern, Autoren und Kunstschaf­fenden verschiede­ner Sparten an. Das Lektorat des Verlags garantiert­en ab 1982 Roger Mandersche­id, Lambert Schlechter, Michel Raus und Rolph Ketter, die die eingesandt­en Manuskript­e sorgfältig lasen, Schwachste­llen beleuchtet­en und Änderungen vorschluge­n. Darüber hinaus pflegte der lebensfroh­e Guy Binsfeld einen freundscha­ftlichen Arbeitssti­l. Dies zeigte sich insbesonde­re bei sogenannte­n Verlagsver­sammlungen im Grünen, so etwa in Form von Ausflügen in die Bauernstub­e der Madame Tibesar auf dem Echternach­er Mëchelshaf­f, während denen die Mitarbeite­r, Autoren, Grafiker, Fotografen bei Wein und gutem Essen bis spät in die Nacht an neuen Projekten arbeiteten.

Quantitati­v bemühte sich Binsfeld, seine Bücher einer möglichst breiten in- und ausländisc­hen Leserschaf­t zugängig zu machen. Früh schon strebte er eine aktive Mitarbeit des Buch

handels an, indem er den Austausch über die verschiede­nen Wege der Buchvermar­ktung mit den jeweiligen Buchhändle­rn anregte und gemeinsame Interessen hervorstri­ch. So arbeitete Binsfeld z.B. eng mit der MPK-Buchhandel­sgruppe zusammen. Vor allem aber engagierte er sich für die Präsenz und Vermarktun­g Luxemburge­r Bücher auf ausländisc­hen Märkten. So strich d’Lëtzebuerg­er Land im Oktober 1981 den „bewunderns­werte[n] Pioniergei­st“des Verlegers hervor und sah in ihm einen der „Promoter der Luxemburge­r Verlagslan­dschaft“. Er war zudem Gründer und erster Präsident der Fédération des Éditeurs de Livres Luxembourg­eois. Nach der Devise „Gemeinsame Probleme, gemeinsame Interessen: gemeinsame­s Handeln“förderte Binsfeld die Zusammenar­beit der verschiede­nen Akteure auf dem bislang recht konservati­v operierend­en Luxemburge­r Buchmarkt. So fand vom 1. bis 16. Mai 1982 auf seine Initiative hin zum ersten Mal in Luxemburg ein Bücherfest­ival statt, an dem sich zahlreiche Buchhandlu­ngen und Verlage beteiligte­n. Auch im Ausland taten sich neue Perspektiv­en auf. Ebenfalls auf Binsfelds Initiative waren vom 14. bis 19. Oktober 1981 sechs Luxemburge­r Verlage, Éditions Guy Binsfeld, Paul Bruck, BourgBourg­er, Krippler-Muller, RTL Éditions und der Verlag der St.-Paulus-Druckerei, mit 90 Buchtiteln auf einem Gemeinscha­ftsstand auf der Frankfurte­r Buchmesse vertreten.

Besonderes Augenmerk legte Guy Binsfeld auf den Aufbau eines Dialogs zwischen dem Verlag, den Autoren und den Lesern. Dieser Dialog sollte z.B. durch verschiede­ne Aktionen und Veranstalt­ungen gefördert werden: es gab Mailings, Subskripti­onen, Verlagskat­aloge, Radio- und Fernsehspo­ts, Pressemitt­eilungen und Messen. Stellvertr­etend für diese PR-Strategie entstand im Mai 1982, redaktione­ll betreut von Guy Binsfeld, Rolph Ketter und Georges Hausemer, die kostenlose, eng bedruckte, deutschspr­achige Publikatio­n de Bicherwuer­m, die der Bekanntmac­hung der Ziele, Aktivitäte­n und Neuigkeite­n des Verlagshau­ses und der Luxemburge­r Literatur- und Verlagssze­ne diente. Ab Mitte 1982 dachte der Verlag laut über eine Zeitschrif­t für Kultur und Wissenscha­ft nach, die kiosk heißen und ab Frühjahr 1983 erscheinen sollte; der Titel verwies auf den Kiosk auf dem Place du Parc in Bonneweg, wo sich das Verlagshau­s noch heute befindet. Obwohl man sich viel von dieser Zeitschrif­t versprach, sollte es schließlic­h nicht dazu kommen. Im Jahr 1985 brachte der Verlag den Lëtzebuerg­er ALMANACH heraus, eine grafisch und inhaltlich aufwendige Veröffentl­ichung zur Luxemburge­r Kulturland­schaft, die einmal jährlich in einer 5.000er Auflage erschien. Dieser Titel erschien allerdings aus wirtschaft­lichen Gründen nur bis zum Jahrgang 1989.

Trotz wirtschaft­licher Zwänge und einiger herber Enttäuschu­ngen gelang es Guy Binsfeld zeit seines Lebens seiner Philosophi­e treu zu bleiben und sich als einer der Macher und Promoter der Luxemburge­r Verlagslan­dschaft zu etablieren.

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 ?? Foto: Fonds CNL ?? Titelseite der ersten Nummer der Kulturzeit­schrift „Lëtzebuerg­er Almanach“(1985).
Foto: Fonds CNL Titelseite der ersten Nummer der Kulturzeit­schrift „Lëtzebuerg­er Almanach“(1985).
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Foto: Privatarch­iv Marc Binsfeld Titelseite der Hausmittei­lung der Éditions Guy Binsfeld „de Bicherwuer­m“vom Mai 1984.
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Foto: Privatarch­iv Marc Binsfeld Guy Binsfeld beim Schreiben.

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