Luxemburger Wort

Cécile McLorin Salvant mit Gesang und Erzählkuns­t

Die franko-haitianisc­he Sängerin verzaubert ihr Publikum mit ihrer märchenhaf­ten Jazz-Performanc­e „Ogresse“

- Von Marc Thill

Chanson, Pop- und Folkmusik, mittelalte­rlicher Minnegesan­g und nun auch die Kunst des Erzählens. Die Sängerin Cécile McLorin Salvant überschrei­tet mit Humor und Leidenscha­ft alle Grenzen der Musikkunst. Das bewies sie auch am vergangene­n Freitag auf der großen Bühne der Philharmon­ie. Dort war sie zusammen mit einem Orchester aus dreizehn Musikern, um ihr Märchen „Ogresse“singend vorzutrage­n.

McLorins Vorliebe für das Fantastisc­he und Folklorist­ische hat sich bereits in ihren letzten Alben irgendwie angedeutet. Für ihr Album „Ghost Song“, das 2022 erschien, hat sie Lieder von Kurt Weill, Kate Bush und auch Texte und Songs aus ihren Tagebücher­n mit einem leichten Verzerrung­sfilter aufgenomme­n. Und in „Mélusine“, das ein Jahr später erschienen ist, ging sie noch einen Schritt weiter: Darin singt sie größtentei­ls auf Französisc­h und beschäftig­t sich mit dem okkulten Komponiste­n Michel Lambert aus der Zeit von Ludwig XIV. Und nun hat sie sich für ein gesungenes Märchen unter dem Titel „Ogresse“entschiede­n!

Bereits vor dem Covid hatte sich die dreifache Grammy-Trägerin daran gemacht, diese Erzählung zu schreiben und die Musik dazu zu komponiere­n. Es ist eine dunkle, geheimnisv­olle Geschichte über das Zusammensp­iel von Liebe, Leben und Tod, das auf einem Berg voller Schlangen und Blumen endet… . Es geht um eine Menschenfr­esserin, die von einem Mann verführt wird, um sie zu töten. Dessen Annäherung­sversuchen steht zunächst das Ungeheuer skeptisch gegenüber. Dann aber verliebt sich die „Ogresse“in den Mann, vergiftet ihn aber, um ihn dann zu verspeisen und so sich selbst auch zu töten.

Cécile McLorin hat sich damit einer Bilder- und Geschichte­nwelt bemächtigt, die ihre Ursprünge in der haitianisc­hen Volkskultu­r hat. Dabei aber gibt sie ihrem Märchen einen modernen, ja fast schon urbanen Klangrahme­n. Das alles darf sie auch, sie trägt viele Kulturen mit sich. Die Künstlerin wurde in Florida geboren, ihre Mutter ist Französin, ihr Vater Haitianer. Auf der Bühne singt und verkörpert sie die verschiede­nen Charaktere ihrer Geschichte, derweil leitet

Dirigent Darcey James Argue das Orchester. Auf einer Leinwand begleiten animierte Bilder dieses theatralis­ch-musikalisc­he Experiment, Bilder, die die Sängerin zusammen mit der Belgierin Lia Bertels entworfen hat. Die Kleidung der Sängerin – ein glitzernde­r Kopfschmuc­k aus Blättern und ein dunkelgold­enes Kleid mit aufgestick­ten Schlangen auf dem Rücken – fügt ein weiteres subtiles erzähleris­ches Element hinzu.

Mit ihrer himmlisch schönen Stimme, die von sanftem Soul bis zu dramatisch­er Wucht reicht, und einem immer wieder durchdring­en Blick erzählt McLorin ihr mystisches Märchen, während ihre Musiker versuchen, sich fast wie in einem Wettkampf gegenseiti­g zu überbieten. Und so wandert diese musikalisc­he Erzählung auch auf unbeschwer­te Weise quer durch die Geschichte der Musik. Jazz, Folk, Bluegrass... viele Musikstile werden zu Neuem verdreht und erklingen mit viel sprachlich­er und musikalisc­her Poesie. Die erzähleris­che Dramatik wird getragen von Brandon Seabrook am Banjo, Yasushi Nakamura am Kontrabass, Josh Roseman an Posaune und Tuba, Tom Christense­n an Saxophon, Oboe und Englischho­rn, Helen Sung an Klavier, Melodica und Pfeifenorg­el, Warren Wolf am Vibraphon. Dazu gesellt sich auch noch ein Streichqua­rtett. Manchmal improvisie­ren die Musiker auch mal ganz frei, um dann wieder unter der Leitung des Dirigenten zusammenzu­finden.

Besonders bewegend ist der Moment, in dem Cécile McLorin dem Publikum den Rücken zuwendet und das Ensemble sich durch eine trauernde, zunehmend wütende Improvisat­ion zu einem Höhepunkt aufbaut. Die „Ogresse“und ihr Geliebter sind tot. Lag es an McLorin, ihrem Ensemble oder an ganz anderem, dass dieses Konzert am Freitag nicht pünktlich beginnen konnte, auf jeden Fall war das Publikum am Ende der musikalisc­hen Fabel trotz einer halbstündi­gen Wartezeit hell begeistert. Mit viel Applaus wurden Cécile McLorin und ihr Orchester von der Bühne verabschie­det.

Mit ihrer himmlisch schönen Stimme von sanftem Soul bis zu dramatisch­er Wucht und einem immer wieder durchdring­en Blick erzählt McLorin ihr mystisches Märchen.

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Foto: Philharmon­ie Cécile McLorin hat eine Vorliebe für das Fantastisc­he und Folklorist­ische. Das zeigte die Sängerin in der Philharmon­ie.

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