Ministerium war im Besitz des kritischen Finanzberichts
Das Sozialversicherungsministerium hatte Anfang 2023 Kenntnis vom internen Finanzbericht der CMCM. Das Dokument wurde überprüft und klassiert
Was ist los bei der CMCM? Am Mittwoch berichtete das „Wort“exklusiv über großzügige Vergütungen, die CEO Fabio Secci sich 2021 hat auszahlen lassen und über weitere Details aus einem internen Finanzbericht, in dem von der „Gefahr von Missbrauch und Steuerbetrug“die Rede ist.
Die CMCM unterliegt der Aufsichtspflicht des Sozialversicherungsministeriums. Aus dem zuständigen Parlamentsausschuss hieß es am Mittwoch, das Ministerium habe keine Handhabe, da die Konten der CMCM von der Generalversammlung angenommen wurden und auch keine Beanstandungen seitens des Wirtschaftsprüfers vorlagen. Zudem habe die CMCM auf Basis des Finanzberichts Anpassungen vorgenommen.
Wichtig aber ist: Dem Sozialversicherungsministerium lag der interne kritische Finanzbericht bereits im Februar 2023 vor, wie der Erste Regierungsrat, Abilio Fernandes, am Donnerstag auf LW-Nachfrage schriftlich mitteilte. Der Bericht sei als „Info“per Mail bei ihm und einem anderen Mitarbeiter eingegangen. Er und der Jurist hätten den Bericht geprüft. „Die Prüfung, die im Rahmen der Kontrollmission vom Ministerium durchgeführt wurde und im Mutuelle-Gesetz klar definiert ist, hat keinen Verstoß gegen das Mutuelle-Gesetz ergeben“, so Fernandes.
Sozialversicherungsminister Claude Haagen (LSAP) sei mündlich über die Angelegenheit und das Ergebnis der Prüfung informiert worden. Da kein Verstoß festgestellt worden sei, „mussten wir die Sache klassieren“, so Fernandes. Haagen selbst meinte auf Nachfrage, er könne sich nicht daran erinnern, einen solchen Bericht gesehen zu haben. Ausschließen aber könne er es nicht. Auch er verweist auf die Mission des Ministeriums, die sich darauf beschränke, die Konformität zum Mutuelle-Gesetz zu prüfen.
Das Ministerium hat sich auf die Konformität zum Mutuelle-Gesetz beschränkt, obwohl in dem Bericht von „risque d‘aboutir à des abus“und „risque de fraude fiscale“in Bezug auf das Jeton-System die Rede ist und die CMCM laut den Autoren des Berichts riskiere, „de se trouver éventuellement en situation de co-auteur de ,magouilles fiscales‘“.
Wurde Fabio Secci wissentlich oder unwissentlich geschützt?
Laut Artikel 23 des Code d‘instruction criminelle „ist jede Behörde, jeder Amtsträger oder Beamte sowie jeder Arbeitnehmer oder Bedienstete, der mit einer öffentlichen Aufgabe betraut ist, ... und in der Ausübung seines Amtes Kenntnis von Tatsachen erlangt, die ein Verbrechen oder Vergehen darstellen können, verpflichtet, dies unverzüglich dem Staatsanwalt mitzuteilen und diesem Magistrat alle diesbezüglichen Auskünfte, Protokolle und Urkunden zu übermitteln, und zwar ungeachtet der gegebenenfalls für ihn geltenden Geheimhaltungs- oder Berufsgeheimnisvorschriften“.
Die Frage, die im Raum steht: Hätte der Beamte den Bericht an die Justiz weiterleiten müssen und wurde Fabio Secci, der Mitglied der LSAP ist, vom LSAP-Minister beziehungsweise vom Ersten Regierungsrat, der ebenfalls der LSAP angehört, wissentlich oder unwissentlich geschützt?
Der interne Finanzbericht von Anfang 2023 war Ende Februar 2024 an die Öffentlichkeit gelangt, zum Zeitpunkt, als acht Mitglieder des Verwaltungsrats ihren Präsidenten André Heinen abgesetzt und durch Gilbert Goergen ersetzt haben. Zugleich wurde Generalsekretär Nico Düsseldorf durch Yves Scharlé ersetzt. Das war am 27. Februar. Warum sie Heinen abgesetzt haben, teilten die acht Mitglieder den Mutuelles am 4. März schriftlich mit.
: Da kein Verstoß gegen das Mutuelle-Gesetz festgestellt wurde, mussten wir die Sache klassieren. Abilio Fernandes, Erster Regierungsrat im Sozialversicherungsministerium
Scharlé war einer der vier Mitglieder der Finanzkommission und als solcher mitverantwortlich für den Inhalt des brisanten Finanzberichts. Dass der Finanzbericht nun in der Öffentlichkeit zirkuliert, sei denen geschuldet, „die Fabio Secci schaden und von den internen Problemen im Verwaltungsrat ablenken wollen, die André Heinen nicht gelöst bekommt“, sagen Scharlé und Goergen im Gespräch mit dem „Wort“am 11. März.
Beide haben ein „120-seitiges Dossier“zusammengestellt, mit E-Mails und Dokumenten, die ihre Vorwürfe und Thesen untermauern sollen. Das „Wort“erhielt keinen Einblick in diese Akten, sodass eine Überprüfung ihrer Aussagen nicht möglich war.
Dem „Wort“liegen aber zahlreiche Dokumente vor, die es erlauben, aufzuzeigen, was in der CMCM vor sich geht, und das Handeln der acht Mitglieder – zumindest teilweise – infrage stellen. Angefangen beim internen Finanzbericht, der am 26. Januar 2023 im Verwaltungsrat besprochen und auf dessen Basis Anpassungen vorgenommen wurden. So wurde zum Beispiel das großzügige Jeton-System abgeschafft und es wurde dafür gesorgt, dass die Dienstwagen als „Avantage en nature“auf der Gehaltskarte stehen, um steuerlich einwandfrei dazustehen.
Goergen und Scharlé planen den Original-Finanzbericht jetzt – nach über einem Jahr – in drei Punkten abzuändern. Der Grund: Der Bericht zirkuliere als „fehlerhafte“Version in der Öffentlichkeit. Die nachträgliche Änderung sehen beide nicht als Problem. In ihren Augen handelt es sich nämlich nicht um einen finalen Bericht. Er sei nicht unterschrieben worden und der Conseil d‘administration (CA) habe damals auch nicht über den Bericht abgestimmt.
Beim ersten Fehler handelt es sich um eine falsche zeitliche Angabe zum Beginn der Präsidentschaft von André Heinen. Als zweiter Punkt soll hinzugefügt werden, dass nicht nur die Direktionsmitglieder, sondern auch die Mitarbeiter Anrecht auf eine Zusatzrentenversicherung haben.
Die ersten beiden Punkte, die Goergen und Scharlé ändern wollen, sind ohne Einfluss auf die Substanz des Originalberichts, aber ein dritter ist äußerst brisant. Da geht es darum, rückwirkend anzugeben, die Dienstwagen seien ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt worden. Aus dem Originalbericht aber geht hervor, dass Fabio Secci seinen Wagen sehr wohl für private Zwecke genutzt hat, und dazu gegenüber der Steuerbehörde falsche Angaben gemacht worden sind.
Die drei Punkte sind Gegenstand eines EMail-Verkehrs zwischen den Mitgliedern des Verwaltungsrats, der dem „Wort“vorliegt. Aus dem geht hervor, dass Teile des Verwaltungsrats sich gegen die nachträgliche Änderung des Originalberichts aussprechen. Der Bericht sei datiert (27. Januar 2023), also final, und zusammen mit dem Sitzungsprotokoll beim Wirtschaftsprüfer hinterlegt worden.
Was die „Richtigstellung“des dritten Punkts betrifft, schreibt CA-Mitglied JeanFrançois Steichen am 8. März an den Verwaltungsrat: „Nous savons pertinemment qu’une telle affirmation serait fausse. Elle aurait été fausse à l’époque des faits tout comme elle serait fausse si on la faisait aujourd’hui.“
Im Gespräch mit dem „Wort“am 11. März hatte Scharlé lediglich die ersten beiden Punkte erwähnt. Auf die Frage, ob er tatsächlich die Änderung des dritten Punktes vorgeschlagen habe, antwortete Yves Scharlé am Donnerstag nicht. Stattdessen warf er dem „Wort“vor, nicht an einer objektiven Berichterstattung interessiert zu sein. Der skandalöse Artikel gegen Fabio Secci sei dem „Luxemburger Wort“nicht würdig und der vermeintliche Scoop sei keiner.
Die Frage, ob der Bericht tatsächlich nachträglich geändert wird, bleibt vorerst offen. Anwalt Jean-François Steichen warnt davor und schreibt in seiner E-Mail an den Verwaltungsrat: „... faire de fausses déclarations dans un écrit susceptible d’être utilisé par la suite est qualifié en droit comme faux et usage de faux. Une infraction qualifiée de crime.“
Der skandalöse Artikel gegen Fabio Secci ist dem „Luxemburger Wort“nicht würdig. Yves Scharlé, CMCM-Generalsekretär