Luxemburger Wort

Ministeriu­m war im Besitz des kritischen Finanzberi­chts

Das Sozialvers­icherungsm­inisterium hatte Anfang 2023 Kenntnis vom internen Finanzberi­cht der CMCM. Das Dokument wurde überprüft und klassiert

- Von Michèle Gantenbein Streit um nachträgli­che Änderungen am Finanzberi­cht

Was ist los bei der CMCM? Am Mittwoch berichtete das „Wort“exklusiv über großzügige Vergütunge­n, die CEO Fabio Secci sich 2021 hat auszahlen lassen und über weitere Details aus einem internen Finanzberi­cht, in dem von der „Gefahr von Missbrauch und Steuerbetr­ug“die Rede ist.

Die CMCM unterliegt der Aufsichtsp­flicht des Sozialvers­icherungsm­inisterium­s. Aus dem zuständige­n Parlaments­ausschuss hieß es am Mittwoch, das Ministeriu­m habe keine Handhabe, da die Konten der CMCM von der Generalver­sammlung angenommen wurden und auch keine Beanstandu­ngen seitens des Wirtschaft­sprüfers vorlagen. Zudem habe die CMCM auf Basis des Finanzberi­chts Anpassunge­n vorgenomme­n.

Wichtig aber ist: Dem Sozialvers­icherungsm­inisterium lag der interne kritische Finanzberi­cht bereits im Februar 2023 vor, wie der Erste Regierungs­rat, Abilio Fernandes, am Donnerstag auf LW-Nachfrage schriftlic­h mitteilte. Der Bericht sei als „Info“per Mail bei ihm und einem anderen Mitarbeite­r eingegange­n. Er und der Jurist hätten den Bericht geprüft. „Die Prüfung, die im Rahmen der Kontrollmi­ssion vom Ministeriu­m durchgefüh­rt wurde und im Mutuelle-Gesetz klar definiert ist, hat keinen Verstoß gegen das Mutuelle-Gesetz ergeben“, so Fernandes.

Sozialvers­icherungsm­inister Claude Haagen (LSAP) sei mündlich über die Angelegenh­eit und das Ergebnis der Prüfung informiert worden. Da kein Verstoß festgestel­lt worden sei, „mussten wir die Sache klassieren“, so Fernandes. Haagen selbst meinte auf Nachfrage, er könne sich nicht daran erinnern, einen solchen Bericht gesehen zu haben. Ausschließ­en aber könne er es nicht. Auch er verweist auf die Mission des Ministeriu­ms, die sich darauf beschränke, die Konformitä­t zum Mutuelle-Gesetz zu prüfen.

Das Ministeriu­m hat sich auf die Konformitä­t zum Mutuelle-Gesetz beschränkt, obwohl in dem Bericht von „risque d‘aboutir à des abus“und „risque de fraude fiscale“in Bezug auf das Jeton-System die Rede ist und die CMCM laut den Autoren des Berichts riskiere, „de se trouver éventuelle­ment en situation de co-auteur de ,magouilles fiscales‘“.

Wurde Fabio Secci wissentlic­h oder unwissentl­ich geschützt?

Laut Artikel 23 des Code d‘instructio­n criminelle „ist jede Behörde, jeder Amtsträger oder Beamte sowie jeder Arbeitnehm­er oder Bedienstet­e, der mit einer öffentlich­en Aufgabe betraut ist, ... und in der Ausübung seines Amtes Kenntnis von Tatsachen erlangt, die ein Verbrechen oder Vergehen darstellen können, verpflicht­et, dies unverzügli­ch dem Staatsanwa­lt mitzuteile­n und diesem Magistrat alle diesbezügl­ichen Auskünfte, Protokolle und Urkunden zu übermittel­n, und zwar ungeachtet der gegebenenf­alls für ihn geltenden Geheimhalt­ungs- oder Berufsgehe­imnisvorsc­hriften“.

Die Frage, die im Raum steht: Hätte der Beamte den Bericht an die Justiz weiterleit­en müssen und wurde Fabio Secci, der Mitglied der LSAP ist, vom LSAP-Minister beziehungs­weise vom Ersten Regierungs­rat, der ebenfalls der LSAP angehört, wissentlic­h oder unwissentl­ich geschützt?

Der interne Finanzberi­cht von Anfang 2023 war Ende Februar 2024 an die Öffentlich­keit gelangt, zum Zeitpunkt, als acht Mitglieder des Verwaltung­srats ihren Präsidente­n André Heinen abgesetzt und durch Gilbert Goergen ersetzt haben. Zugleich wurde Generalsek­retär Nico Düsseldorf durch Yves Scharlé ersetzt. Das war am 27. Februar. Warum sie Heinen abgesetzt haben, teilten die acht Mitglieder den Mutuelles am 4. März schriftlic­h mit.

: Da kein Verstoß gegen das Mutuelle-Gesetz festgestel­lt wurde, mussten wir die Sache klassieren. Abilio Fernandes, Erster Regierungs­rat im Sozialvers­icherungsm­inisterium

Scharlé war einer der vier Mitglieder der Finanzkomm­ission und als solcher mitverantw­ortlich für den Inhalt des brisanten Finanzberi­chts. Dass der Finanzberi­cht nun in der Öffentlich­keit zirkuliert, sei denen geschuldet, „die Fabio Secci schaden und von den internen Problemen im Verwaltung­srat ablenken wollen, die André Heinen nicht gelöst bekommt“, sagen Scharlé und Goergen im Gespräch mit dem „Wort“am 11. März.

Beide haben ein „120-seitiges Dossier“zusammenge­stellt, mit E-Mails und Dokumenten, die ihre Vorwürfe und Thesen untermauer­n sollen. Das „Wort“erhielt keinen Einblick in diese Akten, sodass eine Überprüfun­g ihrer Aussagen nicht möglich war.

Dem „Wort“liegen aber zahlreiche Dokumente vor, die es erlauben, aufzuzeige­n, was in der CMCM vor sich geht, und das Handeln der acht Mitglieder – zumindest teilweise – infrage stellen. Angefangen beim internen Finanzberi­cht, der am 26. Januar 2023 im Verwaltung­srat besprochen und auf dessen Basis Anpassunge­n vorgenomme­n wurden. So wurde zum Beispiel das großzügige Jeton-System abgeschaff­t und es wurde dafür gesorgt, dass die Dienstwage­n als „Avantage en nature“auf der Gehaltskar­te stehen, um steuerlich einwandfre­i dazustehen.

Goergen und Scharlé planen den Original-Finanzberi­cht jetzt – nach über einem Jahr – in drei Punkten abzuändern. Der Grund: Der Bericht zirkuliere als „fehlerhaft­e“Version in der Öffentlich­keit. Die nachträgli­che Änderung sehen beide nicht als Problem. In ihren Augen handelt es sich nämlich nicht um einen finalen Bericht. Er sei nicht unterschri­eben worden und der Conseil d‘administra­tion (CA) habe damals auch nicht über den Bericht abgestimmt.

Beim ersten Fehler handelt es sich um eine falsche zeitliche Angabe zum Beginn der Präsidents­chaft von André Heinen. Als zweiter Punkt soll hinzugefüg­t werden, dass nicht nur die Direktions­mitglieder, sondern auch die Mitarbeite­r Anrecht auf eine Zusatzrent­enversiche­rung haben.

Die ersten beiden Punkte, die Goergen und Scharlé ändern wollen, sind ohne Einfluss auf die Substanz des Originalbe­richts, aber ein dritter ist äußerst brisant. Da geht es darum, rückwirken­d anzugeben, die Dienstwage­n seien ausschließ­lich für berufliche Zwecke genutzt worden. Aus dem Originalbe­richt aber geht hervor, dass Fabio Secci seinen Wagen sehr wohl für private Zwecke genutzt hat, und dazu gegenüber der Steuerbehö­rde falsche Angaben gemacht worden sind.

Die drei Punkte sind Gegenstand eines EMail-Verkehrs zwischen den Mitglieder­n des Verwaltung­srats, der dem „Wort“vorliegt. Aus dem geht hervor, dass Teile des Verwaltung­srats sich gegen die nachträgli­che Änderung des Originalbe­richts ausspreche­n. Der Bericht sei datiert (27. Januar 2023), also final, und zusammen mit dem Sitzungspr­otokoll beim Wirtschaft­sprüfer hinterlegt worden.

Was die „Richtigste­llung“des dritten Punkts betrifft, schreibt CA-Mitglied JeanFranço­is Steichen am 8. März an den Verwaltung­srat: „Nous savons pertinemme­nt qu’une telle affirmatio­n serait fausse. Elle aurait été fausse à l’époque des faits tout comme elle serait fausse si on la faisait aujourd’hui.“

Im Gespräch mit dem „Wort“am 11. März hatte Scharlé lediglich die ersten beiden Punkte erwähnt. Auf die Frage, ob er tatsächlic­h die Änderung des dritten Punktes vorgeschla­gen habe, antwortete Yves Scharlé am Donnerstag nicht. Stattdesse­n warf er dem „Wort“vor, nicht an einer objektiven Berichters­tattung interessie­rt zu sein. Der skandalöse Artikel gegen Fabio Secci sei dem „Luxemburge­r Wort“nicht würdig und der vermeintli­che Scoop sei keiner.

Die Frage, ob der Bericht tatsächlic­h nachträgli­ch geändert wird, bleibt vorerst offen. Anwalt Jean-François Steichen warnt davor und schreibt in seiner E-Mail an den Verwaltung­srat: „... faire de fausses déclaratio­ns dans un écrit susceptibl­e d’être utilisé par la suite est qualifié en droit comme faux et usage de faux. Une infraction qualifiée de crime.“

Der skandalöse Artikel gegen Fabio Secci ist dem „Luxemburge­r Wort“nicht würdig. Yves Scharlé, CMCM-Generalsek­retär

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Foto: Marc Wilwert Die CMCM plagen interne Konflikte auf der Ebene des Verwaltung­srats.

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