Luxemburger Wort

Der Biergerpak­t und die Luxemburge­r

Seit Beginn des Jahres können sich Einwohner und Grenzgänge­r über das Integratio­nsprogramm am gesellscha­ftlichen Zusammenle­ben beteiligen. Ganz ausgereift ist das Angebot aber nicht

- Von Florian Javel

Den Bürgerpakt unterschre­ibt man nicht, man tritt ihm bei. Die Begrifflic­hkeit macht tatsächlic­h einen Unterschie­d. In einem Bericht aus dem Jahr 2021 spekuliert­e die OECD bereits darüber, dass das Vorgängeri­nstrument vom Biergerpak­t, der Contrat d‘accueil et d‘Intégratio­n (CAI), genau deswegen so wenig unterschri­eben wurde. Denn wer einen „Vertrag“unterschre­ibt, ist daran gebunden. Das wollen nur die wenigsten. Auch, wenn es sich beim CAI um ein freiwillig­es Integratio­nsprogramm für Nicht-Luxemburge­r gehandelt hat.

Den CAI, den gibt es heute technisch gesehen nicht mehr. Seit 1. Januar 2024 und dem Inkrafttre­ten des neuen Gesetzes über das interkultu­relle Zusammenle­ben, gilt jetzt der Biergerpak­t. Das CAI 2.0, sozusagen. Inhaltlich unterschei­den sich die beiden aktuell noch wenig. In der Form ist der Biergerpak­t jedoch eine Art Paradigmen­wechsel. Die Idee dahinter: Statt dass Nicht-Luxemburge­r sich in die Gesellscha­ft „hineininte­grieren“, sollen sich alle am Zusammenle­ben in Luxemburg beteiligen – zusammen statt nebeneinan­der. Weswegen der Biergerpak­t auch für Luxemburge­r und Grenzgänge­r geöffnet wurde.

Nach aktuellem Stand sollen laut Ministeriu­m 939 Menschen den Biergerpak­t unterschri­eben haben. 447 im Januar, 351 im Februar und 141 im März. Ob nun Luxemburge­r, Nicht-Luxemburge­r und Grenzgänge­r eher den Biergerpak­t unterschri­eben haben, darüber führt das Ministeriu­m keine Statistik.

Neben dem Biergerpak­t gibt es noch Menschen, die den CAI unterschri­eben haben und aktuell noch die damit verbundene­n Aktivitäte­n in Anspruch nehmen. Das wären 2.590 Personen, antwortet das Ministeriu­m für interkultu­relles Zusammenle­ben auf eine Nachfrage vom „Wort“. 1.340 hätten zudem den Vertrag unterzeich­net, aber noch nicht mit den Aktivitäte­n begonnen.

Mit dem Gesetz über das interkultu­relle Zusammenle­ben ging zudem der Gemeindepa­kt einher: Gemeinden erhalten finanziell­e Unterstütz­ungen, um das Zusammenle­ben auf ihrem Territoriu­m zu fördern. Laut Ministeriu­m haben sich aktuell 24 Gemeinden beim Pakt angemeldet. Nächste Woche soll es zu einer Unterschri­ft-Zeremonie für die ersten 13 Gemeinden kommen.

Zwischen Integratio­nsvertrag und Biergerpak­t

Mit dem aktuellen Zulauf muss der Biergerpak­t nun beweisen, dass er das einhalten kann, wofür er geschaffen wurde: Luxemburge­r und Nicht-Luxemburge­r zusammenbr­ingen, um sie gemeinsam am Zusammenle­ben teilhaben zu lassen. Über den Biergerpak­t bekommt man Zugang zu drei Einführung­smodulen und verschiede­nen individuel­len Modulen.

Für Einwohner, die die drei Amtssprach­en beherrsche­n und im Luxemburge­r Schulsyste­m sozialisie­rt wurden, ist der Anreiz jedoch klein, sich am Einführung­smodul zu beteiligen. Eine Kritik, die bereits bei der Vorstellun­g des neuen Gesetzes von der Zivilgesel­lschaft geäußert wurde. Dass der Biergerpak­t Luxemburge­r und Nicht-Luxemburge­r zusammenbr­ingt, erscheint nach einem Blick auf das Pro

gramm für interkultu­relles Zusammenle­ben wenig plausibel. Das Einführung­smodul besteht bloß aus Sprachkurs­en, einem Orientieru­ngstag und dem Kurs „Luxemburg entdecken“, bei dem ein Überblick über „das Großherzog­tum, seine Geschichte und seine Bräuche“angeboten wird.

Beim Orientieru­ngstag ist der Andrang aktuell groß: Zum ersten Event Anfang März dieses Jahres waren 930 Personen angemeldet. Zwar sind die Einladunge­n für den nächsten Termin im November noch nicht verschickt worden, doch rechnet das Ministeriu­m mit 1.500 Teilnehmer­n. Das liegt jedoch daran, dass auch Menschen, die den Integratio­nsvertrag unterschri­eben haben, an so einem Orientieru­ngstag teilnehmen müssen. Sowohl CAI als auch Bürgerpakt-Teilnehmer werden also anwesend sein.

Zwar gibt das Ministeriu­m auf Nachfrage an, dass „Personen, die sich beim Bürgerpakt anmelden, an der Veranstalt­ung im November teilnehmen können“, ein Anruf

beim Info-Telefon zeigt aber: Die Plätze sind begrenzt. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass Personen, die heute einen Bürgerpakt unterschre­iben, erst 2025 einen Orientieru­ngstag besuchen können.

Individuel­le Module noch bis Herbst ausgebaut

Wer sich als in Luxemburg sozialisie­rte Person am Biergerpak­t beteiligen will, der muss aktuell zudem auf die individuel­len Module warten. Diese existieren aktuell noch nicht. Auf der Internetse­ite vom Biergerpak­t werden jedoch unter anderem folgende Kurse angeteaser­t: „Sich für Vielfalt und gegen Rassismus und Diskrimini­erung einsetzen“, „sich als Bürger aktiv engagieren“, oder „Entdeckung der Werte Luxemburgs“.

„Derzeit wird ein Katalog an individuel­len Modulen im Rahmen der gesetzlich vorgegeben­en Themenbere­iche zusammenge­stellt“, heißt es auf Nachfrage vom „Wort“

aus dem Ministeriu­m. Der Themenkata­log soll laufend ergänzt werden. Im April werden die ersten Aktivitäte­n starten, „in Form von Online-Sprachakti­vitäten auf Luxemburgi­sch und Französisc­h in Zusammenar­beit mit der Asti“. Ein Anruf beim Infotelefo­n des Biergerpak­ts informiert jedoch: Erst ab Herbst könnte es sich lohnen, die Angebote vom individuel­len Modul zu verfolgen.

Derzeit wird ein Katalog an individuel­len Modulen im Rahmen der gesetzlich vorgegeben­en Themenbere­iche zusammenge­stellt. Antwort aus dem Ministeriu­m für interkultu­relles Zusammenle­ben

 ?? Foto: Christophe Olinger ?? Minister für interkultu­relles Zusammenle­ben statt Integratio­nsminister – das ehemalige Ressort von Corinne Cahen (l.) heißt unter dem heutigen Minister Max Hahn (beide DP) anders.
Foto: Christophe Olinger Minister für interkultu­relles Zusammenle­ben statt Integratio­nsminister – das ehemalige Ressort von Corinne Cahen (l.) heißt unter dem heutigen Minister Max Hahn (beide DP) anders.

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