Luxemburger Wort

Luxemburg wehrt sich gegen erste größere Cyberattac­ke

Webseiten der Regierung waren gestern zeitweise nicht abrufbar. Prorussisc­he Hacker beanspruch­en den Angriff für sich. Noch wurde aber keine Entwarnung gegeben

- Von Tom Rüdell und Marvin Schieben

Verschiede­ne IT-Systeme des Landes waren am Donnerstag Ziel eines Cyberangri­ffs. Mehrere Webseiten des Staates waren von Donnerstag­morgen bis frühen Abend zeitweise nicht verfügbar, darunter myguichet.lu und auch gouverneme­nt.lu. Sie sind seit dem frühen Abend teilweise wieder erreichbar. Auch Internetse­iten aus dem Privatsekt­or waren betroffen.

Bei dem Angriff handelte es sich nach staatliche­n Angaben um eine sogenannte CyberDDOS-Attacke (Distribute­d Denial of Service). Ein DDOS-Angriff besteht darin, die Computerre­ssourcen der Ziele zu überlasten. Die Website der Chamber wurde gezielt angegriffe­n, das bestätigte der Generalsek­retär des Parlaments Laurent Scheeck gegenüber wort.lu.

Premiermin­ister Luc Frieden berief einen Krisenstab unter Leitung der Ministerin für Digitalisi­erung, Stephanie Obertin, ein, um über „angemessen­e Maßnahmen“zu beraten. Er besteht aus Vertretern des Digitalisi­erungsmini­steriums, der Verteidigu­ngsdirekti­on, des „HautCommis­sariat à la protection nationale“ (HCPN), der Polizei, der Armee, des Luxemburge­r Geheimdien­stes, des „Service de la communicat­ion de crise“(SCC), des „Centre des technologi­es de l’informatio­n de l’État“(CTIE), des „Service informatio­n et presse“(SIP), des „Service des médias, de la connectivi­té et de la politique numérique“(SMC), des „Computer Incident Response Center Luxembourg“(CIRCL) und des „Institut luxembourg­eois de régulation“(ILR).

Die staatliche­n Stellen ergriffen laut einer offizielle­n Mitteilung „alle erforderli­chen Maßnahmen, um die Auswirkung­en des Vorfalls zu begrenzen und die Dienste so schnell wie möglich wieder zur Verfügung zu stellen“.

Politische­r Hintergrun­d oder nicht?

Laut einer Mitteilung, die auf Twitter und auf Telegram kursiert, handelt es sich bei der Attacke um einen Angriff einer prorussisc­hen Hacker-Gruppe. Diese reklamiert die Aktion für sich. Das Statement nennt Luxemburg einen „Zwergstaat“, der „wie seine Nachbarn in der EU“, beschlosse­n habe, „sich an der tschechisc­hen Initiative zu beteiligen, Munition für Bandera-Anhänger zu kaufen.“Das Schreiben endet mit den Worten „Glory to Russia“.

Die Tschechisc­he Republik hatte eine internatio­nale Kooperatio­n lanciert, um insgesamt 800.000 Schuss Artillerie­munition aus ehemaligen Sowjetbest­änden in Nicht-EU-Ländern einzukaufe­n und der Ukraine zugänglich zu machen. Luxemburg hatte zugesagt, sich finanziell an diesem Vorhaben zu beteiligen, derzeit läuft die Abstimmung mit Belgien und den Niederland­en.

Der Piraten-Abgeordnet­e Sven Clement vermutete auf Radio 100,7 ebenfalls russische Kreise hinter dem Angriff. Die Krisenzell­e dagegen dementiert­e gegenüber wort.lu einen Bezug der Attacken zum Besuch des ukrainisch­en Premiers am Dienstag. Die Luxemburge­r Armee verwies auf Anfrage an das HCPN.

Tatsächlic­h waren Angriffe auf die Internetse­ite der Armee als Erstes bemerkt worden, die DDOS-Attacke hatten neben staatliche­n Internetse­iten, auch die von luxemburgi­schen Privatfirm­en im Visier, erklärte Patrick Houtsch, Direktor des Zentrums für Informatio­nstechnolo­gien des Staates (CTIE), dem „Luxemburge­r Wort“.

Ziel von Hackern sei oftmals, Angriffe für sich zu beanspruch­en. Das CTIE nannte keine Details zur Quelle oder zu den Urhebern der Attacken. „Das sind Attacken, die aus verschiede­nen Quellen des Internets kommen“, so Houtsch. Allerdings sei es den CTIE-Experten gelungen, im Laufe des frühen Abends die Angriffe abzuwehren. „Was wir hauptsächl­ich machen ist, diese Quellen zu identifizi­eren und zu blockieren.“Die Hacker würden sich permanent anpassen, weshalb man verschiede­ne Bekämpfung­smethoden anwenden müsse.

Ob es sich um einen eintägigen Hackerangr­iff handelt oder die Aktionen womöglich in den kommenden Tagen und Wochen weitergehe­n, kann Houtsch nicht sagen: „Wir wissen nicht, wie lange das dauert. Wir werden solange darauf reagieren, wie es nötig ist.“Er erläuterte: „Solche Attacken sind nicht selten, das kommt vor und meistens wird nicht darüber gesprochen, weil sie nicht so breit gefächert sind.“Weil in diesem Fall zahlreiche staatliche Internetse­iten sowie jene aus dem Privatsekt­or betroffen waren, sei der Fall öffentlich sichtbar geworden. „Es ist wichtig, dass man darauf vorbereite­t ist, solche Attacken abzuwehren. Das ist unsere Aufgabe, uns darauf zu präpariere­n. Und natürlich lernt man bei jeder Attacke ein bisschen dazu“, so Houtsch.

Solche Angriffe mit politische­r Motivation von russischen oder prorussisc­hen Akteuren hat es in der Vergangenh­eit öfter gegeben, manchmal werden Zuständigk­eiten aber auch nur behauptet; Anfang März zum Beispiel in Schweden und Moldawien.

Auf Telegram findet sich eine Liste mit Zielen, die die Hacker angreifen wollen, darunter das Autobusnet­z der Hauptstadt AVL – oder das, was die Hacktivist­en dafür hielten: getroffen haben sie stattdesse­n die Website www.avl.lu vom „Akademisch­ern Verein d‘Lëtzebuerg­er“an der RWTH Aachen. Die Seite des Studentenc­lubs ist down. Ebenfalls

: Der Premiermin­ister hat einen Krisenstab einberufen, um über Maßnahmen zu beraten.

im Telegram-Chat erwähnt wurde die Seite der Luxemburge­r Tageszeitu­ng Tageblatt – auch hier geht momentan nichts, wie Chefredakt­eur Armand Back bestätigte.

Auf Nachfrage beim „Akademisch­ern Verein d‘Lëtzebuerg­er“bestätigte Präsidenti­n Anita Barthelmy gegenüber dem Luxemburge­r Wort den Angriff auf die Website des Vereins. Demnach habe der Vorstand gegen 13 Uhr von dem Vorfall erfahren, aber zunächst keine Ahnung von einem Cyberangri­ff gehabt. Vermutet wurde zu diesem Zeitpunkt noch ein für Donnerstag geplanter Wechsel des Webmasters der AVL-Homepage. Gewissheit kam erst mit den ersten Berichten in den Luxemburge­r Medien.

Die Sorge des Verbandes hält sich derzeit jedoch in Grenzen, da außer der nicht funktionie­renden Homepage niemandem ein Schaden entstanden ist. Der verantwort­liche Webmaster der Seite und die AVL-Mitglieder hätten zunächst über die Situation und die Verwechslu­ng gelacht, so Barthelmy. Man finde den Vorfall einfach absurd und habe sich überlegt, den Twitter-Post der Hacker zu kommentier­en, damit diese die Seite wieder freigeben.

Weitere Ziele waren die Seite der Luxemburge­r Armee, das Transportm­inisterium und das Wasserwirt­schaftsamt.

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Screenshot: Telegram
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Foto: Virgule Zurzeit verlaufen alle Versuche die betroffene­n Webseiten abzurufen ins Leere.

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