Frieden ist offen für EU-Schulden bei Verteidigungsausgaben
Luxemburgs Premier befürwortet zudem, Zinsgewinne aus eingefrorenen russischen Geldern für Waffen in der Ukraine zu gebrauchen
Luxemburgs Premier Luc Frieden (CSV) zeigte sich zu Beginn des EUGipfels gestern in Brüssel erstaunlich offen für gesamteuropäische Wege, um die Verteidigung der Ukraine und des europäischen Kontinents zu finanzieren.
Die Frage der langfristigen Finanzierung der Verteidigung Europas stand im Kern der Debatten zwischen den 27 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Die akuten Bedürfnisse der Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor – aber auch die Angst vor einem Wahlsieg von Donald Trump bei den anstehenden US-Präsidentschaftswahlen, zwingen die EU, sich verteidigungspolitisch besser aufzustellen. „Es ist Zeit für einen echten Paradigmenwechsel in Bezug auf unsere Sicherheit und Verteidigung. Jahrzehntelang hat Europa nicht genügend in seine Sicherheit und Verteidigung investiert“, lautet es deswegen im Einladungsschreiben von EURatspräsident Charles Michel an die 27 Staats- und Regierungschefs der EU.
Auch liegen bereits einige konkrete Ideen auf dem Tisch, um dieses Ziel zu erreichen. Für die kurzfristige Finanzierung der ukrainischen Kriegsanstrengung schlug die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kürzlich vor, Gewinne aus der Verwahrung eingefrorener russischer Zentralbank-Gelder für ukrainische Waffenkäufe zu nutzen.
90 Prozent der nutzbaren Einnahmen sollen laut dem Willen der EU-Kommission in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung fließen. Die restlichen 10 Prozent würden dann in den EU-Haushalt fließen und genutzt werden, um die Verteidigungsindustrie in der Ukraine selbst zu stärken. Der EU-Kommission zufolge könnten dadurch pro Jahr etwa drei bis vier Milliarden Euro zusätzlich für die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes zur Verfügung stehen.
Luxemburgs Bedenken wurden zerstreut
Luxemburgs Premier Luc Frieden sagte bei seiner Ankunft in Brüssel, seine Regierung „könnte den Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin unterstützen“. Die juristischen Bedenken, die die CSV-DP-Regierung anfangs hatte, seien weitgehend zerstreut, so der Premier weiter. Der Vorschlag sei „jetzt juristisch sicherer als noch zu Beginn – weil es eine klare Trennung zwischen russischen Staatsgeldern und Privatvermögen von russischen Staatsbürgern gibt“.
In vorherigen Überlegungen war nämlich von der Nutzung der in der EU eingefrorenen Oligarchen-Gelder die Rede, womit sich die luxemburgische Regierung noch immer schwertut. „Wir können nicht einfach so Leuten Geld wegnehmen“, so
Luc Frieden. „Als Jurist“habe er nämlich Bedenken, wie dies rechtlich gesehen wasserdicht passieren sollte.
Gleichzeitig führt die gegenwärtige geopolitische Lage dazu, weitere kreative Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, um die wachsenden Verteidigungskosten der EU zu stemmen. „Das Wesentliche ist, dass die Ukraine jede Unterstützung bekommt, die sie braucht“, meinte Luc Frieden. „Wenn Putin in der Ukraine nicht gestoppt wird, wird er weiter gehen – genauso wie nach der KrimAnnexion von 2014.“
„Luxemburg wird seinen Beitrag diesbezüglich leisten. Doch müssen wir schauen, wie wir das Ganze finanzieren“, so der CSV-Premier weiter.
Comeback der „Eurobonds“?
Genau deswegen fordern einige EUStaaten, „Eurobonds“für den Verteidigungsbereich einzurichten – Sprich: gemeinsame europäische Schulden für die Beschaffung von Militär-Material. Gemeinsame europäische Schulden sind traditionell ein besonders kontroverses Thema in Brüssel. Die Idee, wonach sich wirtschaftlich stärkere Staaten wie Deutschland mit schwächeren verbünden und gemeinsame Anleihen ausgeben, ist im reichen Nordeuropa sehr umstritten. Auch Luc Frieden stand europäischen Schulden – etwa zur Zeit der Eurokrise – stets skeptisch gegenüber.
Doch am Donnerstag zeigt er sich überraschend offen für diese Idee. „In außergewöhnlichen Situationen, die eine wichtige gemeinsame europäische Anstrengung verlangen, bin ich pragmatisch“, sagte er am Rande des EU-Gipfels. „EuroBonds können nicht die allgemeine Lösung zu allen Problemen Europas sein“, warnte er jedoch. „Aber bei den massiven Anstrengungen, die wir im Verteidigungsbereich machen müssen, kann ich mir derartige Ansätze vorstellen.“