Das wundersame Ende einer Feindschaft im Nahen Osten
Trotz des Krieges im Gazastreifen stehen die Zeichen zwischen Saudi-Arabien und Israel weiterhin auf Entspannung
Was als Charmeoffensive geplant war, endete für Saudi-Arabien zunächst in einem PR-Desaster: Am Dienstag letzter Woche hatte eine Delegation der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit in Saudi-Arabien (USCIRF) die unweit von Riad gelegene historische Stadt Dirija besichtigen sollen. Zu den eingeladenen Besuchern gehörte auch der orthodoxe Rabbi Abraham Cooper. Dieser wurde vor dem Rundgang durch das Gelände, das als Unesco-Weltkulturerbe gelistet ist, von den Saudis aufgefordert, seine Kippa abnehmen.
Die US-Delegation brach daraufhin ihren Besuch ab und kehrte entrüstet in die USA zurück. „Gerade in Zeiten wachsenden Antisemitismus“, hieß es in einer Erklärung der USCIRF, sei es unmöglich gewesen, den Besuch fortzusetzen. Niemandem dürfe der Zugang zu einer Kulturerbestätte verweigert werden, nur weil er Jude ist.
Eine Woche später haben sich die Wogen wieder geglättet. Die saudische Botschaft in Washington gab am Mittwoch eine Erklärung ab, in der sie betonte, dass der Vorfall in Dirija das Ergebnis eines „Missverständnisses der internen Protokolle“gewesen sei. Rabbi Cooper könne jederzeit ins wahhabitische Königreich zurückkommen, falls er sich dazu entschließen sollte. Der Kippa-Vorfall, glauben Diplomaten in Riad, dürfte den anhaltenden Bemühungen Saudi-Arabiens, ein Bild von Offenheit und Toleranz zu vermitteln, nicht weiter schaden.
Ein Tabu ist gebrochen
Zu diesem neuen Image tragen auch die regelmäßigen Besuche israelischer Journalisten und Medienschaffender in dem Wüstenkönigreich bei. So war Avivhay Adraee, der arabischsprachige Sprecher des israelischen Militärs, seit dem Beginn des Krieges im Gazastreifen bereits fünfmal Gast einer Talkshow der saudischen Fernsehsender Al Hadath und Al-Arabiya. Letzterer hatte am Freitag voriger Woche auch den ehemaligen israelischen Premierminister Ehud Barak interviewt. Er wurde per Videoanruf in die Sendung eingeschaltet, um über den Krieg im Gazastreifen sowie mögliche Nachkriegsperspektiven zu sprechen.
Auch Ehud Olmert wurde dem saudischen Publikum bereits als „israelischer Kommentator und Experte“präsentiert.
Die Fragesteller ließen während der Gespräche keinen Zweifel daran, dass sie die grundsätzlich pro-palästinensischen Positionen der Regierung in Riad teilen. Trotzdem brechen die Interviews mit einem seit Langem bestehenden Tabu in den arabischen Medien, nicht mit israelischen Persönlichkeiten zu sprechen.
Wie westliche diplomatische Quellen in Riad berichten, war der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bis kurz vor dem 7. Oktober 2023 bereit, diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen – ohne dass die 2002 in einer Friedensinitiative der Arabischen Liga geforderte Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 garantiert gewesen wäre. Nach den Terrorangriffen der Hamas sowie den massiven Vergeltungsschlägen der Israelis kann auch Saudi-Arabien die vielerorts verdrängte Palästinafrage nicht mehr ignorieren.
Saudi-Arabien kann die vielerorts verdrängte Palästinafrage nicht mehr ignorieren.
Die Gespräche werden fortgesetzt
Voraussetzung für diplomatische Beziehungen mit Israel, betonte die saudische Regierung zuletzt im Februar dieses Jahres, sei die Schaffung eines Palästinenserstaates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Außerdem müsse die israelische „Aggression“gegen den Gazastreifen enden. Die Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Jerusalem und Riad würden dennoch fortgesetzt, betonte erst vor kurzem John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA. Er habe von beiden Seiten ein „positives Feedback“erhalten.
Auch Mohammed bin Salman habe ein „starkes Interesse“an einer weiteren Normalisierung der Beziehungen zu Israel signalisiert, sagte US-Außenminister Antony Blinken nach Gesprächen in Riad. Der junge saudische Kronprinz sieht vor allem die moderne israelische Technologie im zivilen und militärischen Bereich als Vorbild für sein Land an. Die ältere Generation sowie das erzkonservative religiöse Establishment können sich für einen Frieden mit Israel dagegen kaum erwärmen.