Luxemburger Wort

Das wundersame Ende einer Feindschaf­t im Nahen Osten

Trotz des Krieges im Gazastreif­en stehen die Zeichen zwischen Saudi-Arabien und Israel weiterhin auf Entspannun­g

- Von Michael Wrase

Was als Charmeoffe­nsive geplant war, endete für Saudi-Arabien zunächst in einem PR-Desaster: Am Dienstag letzter Woche hatte eine Delegation der US-Kommission für internatio­nale Religionsf­reiheit in Saudi-Arabien (USCIRF) die unweit von Riad gelegene historisch­e Stadt Dirija besichtige­n sollen. Zu den eingeladen­en Besuchern gehörte auch der orthodoxe Rabbi Abraham Cooper. Dieser wurde vor dem Rundgang durch das Gelände, das als Unesco-Weltkultur­erbe gelistet ist, von den Saudis aufgeforde­rt, seine Kippa abnehmen.

Die US-Delegation brach daraufhin ihren Besuch ab und kehrte entrüstet in die USA zurück. „Gerade in Zeiten wachsenden Antisemiti­smus“, hieß es in einer Erklärung der USCIRF, sei es unmöglich gewesen, den Besuch fortzusetz­en. Niemandem dürfe der Zugang zu einer Kulturerbe­stätte verweigert werden, nur weil er Jude ist.

Eine Woche später haben sich die Wogen wieder geglättet. Die saudische Botschaft in Washington gab am Mittwoch eine Erklärung ab, in der sie betonte, dass der Vorfall in Dirija das Ergebnis eines „Missverstä­ndnisses der internen Protokolle“gewesen sei. Rabbi Cooper könne jederzeit ins wahhabitis­che Königreich zurückkomm­en, falls er sich dazu entschließ­en sollte. Der Kippa-Vorfall, glauben Diplomaten in Riad, dürfte den anhaltende­n Bemühungen Saudi-Arabiens, ein Bild von Offenheit und Toleranz zu vermitteln, nicht weiter schaden.

Ein Tabu ist gebrochen

Zu diesem neuen Image tragen auch die regelmäßig­en Besuche israelisch­er Journalist­en und Medienscha­ffender in dem Wüstenköni­greich bei. So war Avivhay Adraee, der arabischsp­rachige Sprecher des israelisch­en Militärs, seit dem Beginn des Krieges im Gazastreif­en bereits fünfmal Gast einer Talkshow der saudischen Fernsehsen­der Al Hadath und Al-Arabiya. Letzterer hatte am Freitag voriger Woche auch den ehemaligen israelisch­en Premiermin­ister Ehud Barak interviewt. Er wurde per Videoanruf in die Sendung eingeschal­tet, um über den Krieg im Gazastreif­en sowie mögliche Nachkriegs­perspektiv­en zu sprechen.

Auch Ehud Olmert wurde dem saudischen Publikum bereits als „israelisch­er Kommentato­r und Experte“präsentier­t.

Die Fragestell­er ließen während der Gespräche keinen Zweifel daran, dass sie die grundsätzl­ich pro-palästinen­sischen Positionen der Regierung in Riad teilen. Trotzdem brechen die Interviews mit einem seit Langem bestehende­n Tabu in den arabischen Medien, nicht mit israelisch­en Persönlich­keiten zu sprechen.

Wie westliche diplomatis­che Quellen in Riad berichten, war der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bis kurz vor dem 7. Oktober 2023 bereit, diplomatis­che Beziehunge­n mit Israel aufzunehme­n – ohne dass die 2002 in einer Friedensin­itiative der Arabischen Liga geforderte Zweistaate­nlösung in den Grenzen von 1967 garantiert gewesen wäre. Nach den Terrorangr­iffen der Hamas sowie den massiven Vergeltung­sschlägen der Israelis kann auch Saudi-Arabien die vielerorts verdrängte Palästinaf­rage nicht mehr ignorieren.

Saudi-Arabien kann die vielerorts verdrängte Palästinaf­rage nicht mehr ignorieren.

Die Gespräche werden fortgesetz­t

Voraussetz­ung für diplomatis­che Beziehunge­n mit Israel, betonte die saudische Regierung zuletzt im Februar dieses Jahres, sei die Schaffung eines Palästinen­serstaates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Außerdem müsse die israelisch­e „Aggression“gegen den Gazastreif­en enden. Die Gespräche über eine Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen Jerusalem und Riad würden dennoch fortgesetz­t, betonte erst vor kurzem John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheit­srates der USA. Er habe von beiden Seiten ein „positives Feedback“erhalten.

Auch Mohammed bin Salman habe ein „starkes Interesse“an einer weiteren Normalisie­rung der Beziehunge­n zu Israel signalisie­rt, sagte US-Außenminis­ter Antony Blinken nach Gesprächen in Riad. Der junge saudische Kronprinz sieht vor allem die moderne israelisch­e Technologi­e im zivilen und militärisc­hen Bereich als Vorbild für sein Land an. Die ältere Generation sowie das erzkonserv­ative religiöse Establishm­ent können sich für einen Frieden mit Israel dagegen kaum erwärmen.

 ?? Karikatur: Florin Balaban ??
Karikatur: Florin Balaban

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg