Weniger Führerscheine eingezogen
2.823 Personen waren Ende vergangenen Jahres in Luxemburg mit einem richterlich verhängten Fahrverbot belegt
Die Unfallzahlen für 2022 sind besorgniserregend, stellen die LSAP-Abgeordneten Francine Closener und Yves Cruchten in einer parlamentarischen Frage an Mobilitätsministerin Yuriko Backes (DP) fest. Tatsächlich hatte der damalige Mobilitätsminister François Bausch (Déi Gréng) bei der letzten Präsentation der Unfallstatistik einen Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verkündet: 36 Tote und 267 Schwerverletzte. Die Ursachen für diese dramatische Situation sind seit Jahren unverändert: überhöhte Geschwindigkeit und Alkoholkonsum. Für Closener und Cruchten verdeutlicht dies die Dringlichkeit verstärkter Sicherheitsmaßnahmen im Straßenverkehr.
Tatsächlich ist die Zahl der Führerscheinentzüge aber rückläufig, wie aus der Antwort der Mobilitätsministerin hervorgeht. Ordneten Ratskammern 2019 noch 1.195 vorläufige Fahrverbote an, waren es im vergangenen Jahr nur noch knapp 956. Auch bei den Entscheidungen in Gerichtsverfahren über ein Fahrverbot gingen die
Zahlen innerhalb von vier Jahren deutlich zurück: von 4.178 auf 3.949.
Rückläufige Tendenz in allen Bereichen
Dieser Trend spiegelt sich auch bei den administrativen Fahrverboten wider, die von der zuständigen Abteilung des Ministeriums vollstreckt werden: Ihre Zahl sank von 1.829 auf 1.435. Beim Retrait administratif, der auf Verwaltungsebene verhängt wird, werden allgemeine Anhaltspunkte für eine Fahruntauglichkeit bewertet. Beim Retrait judiciaire ist das Fahrverbot Teil einer strafrechtlichen Verurteilung vor Gericht.
Ende vergangenen Jahres waren im Großherzogtum 2.823 Personen von einem solchen gerichtlichen Fahrverbot betroffen, gegenüber 2.978 im Jahr 2019. In den Jahren 2020 und 2022 hatte die Zahl der Betroffenen allerdings die Marke von 3.000 überschritten. Bei den vom Ministerium beschlossenen Maßnahmen – von der Aussetzung, über den Entzug bis zur Einschränkung einer Fahrerlaubnis – war die Zahl seit 2019 kontinuierlich gestiegen. Im vergangenen Jahr war sie jedoch wieder rückläufig und lag bei 1.526 Fällen.
Die Gründe und Ursachen für diese Entwicklungen lassen sich aus den vom Ministerium genannten Zahlen jedoch nicht ableiten. Die Gründe für ein sofortiges Fahrverbot lassen sich hingegen in drei Kategorien einteilen. An erster Stelle steht das Fahren unter Alkoholeinfluss – im vergangenen Jahr betraf dies 1496 Fahrer. Bei 229 Lenkern war überhöhte Geschwindigkeit der ausschlaggebende Faktor. 95 Fahrer verweigerten den Atemalkoholtest. Diese Zahl hat sich im Verhältnis zu 2019 fast verdoppelt.
Hintergründe für Fahrverbot sind divers
Bei den sogenannten administrativen Fahrverboten, die vom Ministerium entschieden werden, kommen zudem häufig mehrere Gründe zusammen. Die Entscheidungen werden dann auch von verschiedenen Kommissionen getroffen, entweder von einer medizinischen Kommission oder von einer sogenannten Spezialkommission. Erstere hat im vergangenen Jahr in 632 Fällen nach Prüfung der individuellen Akten der Betroffenen ein Fahrverbot aufgrund körperlicher und geistiger Einschränkungen ausgesprochen. Die Sonderkommission stellte in 62 Fällen fest, dass die Fahrzeuglenker wiederholt ein gefährliches Verhalten an den Tag gelegt oder Betrugs- und Fälschungsdelikte begangen hatten.
Nach dem Verlust aller Punkte wurde im vergangenen Jahr 385 Fahrern der Führerschein entzogen. Das sind genau gleich viele wie 2019. 2021 hatte diese Zahl allerdings mit 452 Fällen einen bemerkenswerten Höchststand erreicht. Von den 418 Fahrzeuglenkern, die gegen ein vorläufiges Fahrverbot Einspruch erhoben haben, waren im vergangenen Jahr indes knapp 156 erfolgreich.
Gefährdung von Drittpersonen ist noch immer keine Straftat
Die Abgeordneten Closener und Cruchten erkundigten sich auch nach dem Stand des Gesetzesvorhabens 7204 aus dem Jahr 2017. Dieses sah die Einführung eines eigenen Straftatbestandes der vorsätzlichen Ge
fährdung von anderen Menschen vor. Sowohl die Justizbehörden als auch der Staatsrat hatten damals jedoch Bedenken geäußert.
Die Justiz vertrat die Auffassung, dass, wenn man gezielt repressiv gegen Geschwindigkeitsübertretungen vorgehen wolle, dies besser durch spezifische Maßnahmen geschehen solle. Demgegenüber verwies der Staatsrat auf grundlegende Rechtsprinzipien. Da es diesen Tatbestand
Die Gründe für ein sofortiges Fahrverbot lassen sich hingegen in drei Kategorien einteilen. An erster Stelle steht das Fahren unter Alkoholeinfluss.
im Strafgesetzbuch noch nicht gebe, seien Probleme der Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit vorhersehbar. Insbesondere verwies der Staatsrat auch auf die französische Jurisprudenz, die erhebliche Anwendungsschwierigkeiten aufzeige.
„Die neue Regierung wird das weitere Vorgehen in Bezug auf diesen Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der verschiedenen Stellungnahmen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens analysieren“, schließt Yuriko Backes ihr Antwortschreiben. Mit anderen Worten: Es kann sich bei der Strafverfolgung von gefährlichem Fahrverhalten etwas ändern, es muss aber nicht.