Luxemburger Wort

„Seid fruchtbar und mehret euch...“: Kinder – ein Segen

- Karl Georg Marhoffer

Von Zeit zu Zeit überkommt meine Frau und mich der Drang aufzuräume­n. Je nach Jahreszeit oder Notwendigk­eit, weil die Garage droht unbenutzba­r zu werden, zieht es uns an den Ort des Geschehens. Während eines Rundgangs durch den Garten oder den Keller, das Büro oder den Kleidersch­rank werden Dinge aussortier­t und für die Abgabe im STEP vorbereite­t. So stießen wir auf eine Reihe von Fotoalben, die nun wirklich im Weg standen. Wohin damit? Schaut die noch einer an?

Beim näheren Betrachten entdecken wir Fotos von unseren Kindern, deren Kindern, den Großeltern, Urgroßelte­rn, deren Hochzeitsf­oto – es gab nur eins wegen der Kosten! – der Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen und vor allem Kinder.

Viele Kinder zu bekommen galt über Tausende von Jahren hinweg als ein Segen – eine Garantie für Zukunft. Kinder sicherten das Weiterlebe­n ab, oft sogar das Überleben. Viele Kinder starben jung. Deshalb mussten möglichst viele Kinder geboren werden, um die Todesfälle auszugleic­hen. Meine Urgroßelte­rn – sie wären demnächst 120 Jahre alt geworden – hatten sieben Kinder. Oma hat oft gesagt: „Gott sei Dank haben wir viele Kinder, da muss ich mir keine Gedanken machen.“

In den hoch industrial­isierten Gesellscha­ften in Europa und Nordamerik­a hat sich dieses Denken in rasanter Geschwindi­gkeit verändert. Heute können Menschen gelassen sagen: Ich brauche keine Kinder, um im Alter versorgt zu sein. Dieses Motiv fürs Kinderkrie­gen fällt auf der Nordhalbku­gel weitgehend weg. Unsere Großeltern und Eltern haben, so sagen sie, hart dafür gearbeitet, dass wir heute in einem Wohlstand leben, den andere Länder nicht haben.

Das stimmt.

Das andere stimmt auch: Das gute Leben hier bei uns verursacht Kosten, die die Menschen des globalen Südens mitbezahle­n. Noch gelingen Aufschübe. Die Weltbevölk­erung insgesamt wächst. Oft heißt es, das sei das Problem. Aber das verschleie­rt, worum es eigentlich geht: um eine verkehrte Lebensweis­e. Nämlich, dass wenige Menschen einen Großteil der Ressourcen für sich beanspruch­en. Ich fürchte, dass wir nicht erst in den letzten 50 bis 100 Jahren den göttlichen Schöpfungs­auftrag gründlich missversta­nden haben: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über…“– quasi über alles, so werden diese Worte auf den ersten Seiten der Bibel verstanden (1. Mose 1,28).

Wir verwechsel­n die ausbeuteri­sche Weise, wie wir heute mit der Erde umgehen, mit dem Umgang, den Gott gebietet. Was vor Tausenden von Jahren in der biblischen Schöpfungs­erzählung aufgeschri­eben wurde, wurde einer kleinen Menschheit­struppe als große Verheißung zugesagt: ‚Mehret euch, füllet die Erde.‘ Vermutlich haben die Menschen gelacht: Die ganze Erde füllen? Wir?

In dieser Verheißung ist kein Platz für die abwegige Vorstellun­g, es würden sich einmal wenige Menschen enorm viel an Lebens-Mitteln und Lebens-Möglichkei­ten sichern, so dass die Erde am Ende zu klein für alle sein könnte.

Die kleine Menschheit­struppe in der Schöpfungs­erzählung dagegen hört und versteht das Verheißung­svolle daran: ‚Bringt Kinder auf die Welt und macht euch keine Sorgen.‘ Denn es gibt auf der Erde genügend Lebens-Mittel und Lebens-Möglichkei­ten für alle, die schon leben und die noch geboren werden. So verstehe ich Gottes Verheißung: Fürs Leben der Menschen ist alles im Überfluss da – doch es wartet darauf, gerecht verteilt zu werden. Genau darum geht es. Nicht Kinder- und Bevölkerun­gszahlen sind unser Problem, sondern ob wir unsere Lebensweis­e verändern – das ist die Aufgabe.

Wir haben uns für Fotobücher entschiede­n, in denen an die Highlights platzspare­nd erinnert wird und die die zahlreiche­n Fotoalben mit ihrer Bilderflut ersetzen. Sie durchzusch­auen und den Fortgang der Familienge­schichte mit zu erleben, das bedeutet Erinnerung und lässt die Familiench­ronik weiterlebe­n.

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Foto: Shuttersto­ck

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