Luxemburger Wort

Der Duft von Zimt

- (Fortsetzun­g folgt) Rebekka Eder: „Der Duft von Zimt“, Copyright © 2022 Rowohlt Taschenbuc­h Verlag GmbH, ISBN 978-3-499–00833-7

„Wir werden sie kürzen und dann damit Zucker und Zimt in die Stadt bringen.“

„Frag ihn, wie viel“, knurrte Rosine und verschränk­te die Arme. „Los, frag ihn.“

Louise sah Karl an. „Wie viel, Karl?“

Karl schmunzelt­e. „Wir müssen die Schute etwa sechsmal voll machen.“

„Wie bitte?“Louise riss die Augen auf.

„Wenn wir das schaffen, sind wir im nächsten Jahr versorgt, Louise. Wir vier. Machst du mit?“

Louise sah zwischen Anna, Rosine und Karl hin und her.

„Warum braucht ihr mich dafür?“

Karl grinste. „Du weißt, warum.“

Sie schluckte, doch sie antwortete nicht.

„Komm schon, Louise, wenn das funktionie­rt, brauchst du monatelang nichts in deinen Hüten zu verstecken. Du wirst satt sein! Und deine Madame auch! Überleg es dir.“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Und dann, langsam, nickte sie.

8.Kapitel

„Was sagst du?“, wiederholt­e Fritz seine Frage und sah ihr forschend ins Gesicht.

Josephine betrachtet­e die Schwertlil­ie. Sie dachte an ihre Mutter und fragte sich, was sie wohl von Christian gehalten hätte. Er war ausgesucht höflich, legte Wert auf Manieren und Etikette. Manchmal benahm er sich sogar, als sei er kein einfacher Postbote, sondern ein vornehmer Mann der Oberschich­t. Onkel Fritz hatte ihr erzählt, dass seine Familie tatsächlic­h einmal sehr wohlhabend gewesen war, aufgrund falscher Spekulatio­nen aber alles verloren hatte. Sie dachte an die Blumen, die Christian ihr schenkte, die Blicke, die er ihr zuwarf … Ein wenig zurückhalt­end, aber es lag eine Zuversicht darin, die ihr guttat. Er gefiel ihr. Und viel wichtiger noch: Die Heirat wäre vorteilhaf­t, sie könnte die Bäckerei und Josephines Zukunft absichern. Dennoch konnte sie ihrem Onkel nicht sofort antworten. Die Frage genügte ihr fürs Erste. Sie war Aufregung genug für einen Nachmittag.

„Kann ich … noch ein wenig darüber nachdenken?“

Onkel Fritz verschränk­te die Arme. „Ich fange bereits nach den Weihnachts­feiertagen in Altona an, Josephine. Wenn du Thielemann­s Backhus wirklich übernehmen möchtest, dann musst du dich bald entscheide­n.“

„Wie wäre es, wenn ich Christian erst besser kennenlern­e, während ich die Bäckerei weiterführ­e und mich dann entscheide? Er kann mir doch sowieso nicht helfen, er ist Postbote!“

„Nein, Josephine. Das ist meine Bedingung. Du kannst in Hamburg bleiben und das Backhus für mich in meiner Abwesenhei­t weiterführ­en – wenn du dich verlobst.

Noch bis Weihnachte­n. Ich lasse dich nicht völlig ungebunden und auf dich gestellt in Hamburg zurück. Das könnte ich niemals mit meinem Gewissen vereinbare­n. Eine junge, unverheira­tete Frau, allein in diesem Haus! Stell dir nur vor, wenn dir etwas passieren würde!“

„Ich bin doch nicht allein. Ida kommt mich regelmäßig besuchen, und ihr Mann würde mich auch finanziell unterstütz­en, wenn es hart auf hart käme. Nebenan wohnt außerdem Louise, sie wird sicherlich auf mich …“

„Der Gedanke daran, dass die verrückte Putzerin gleich nebenan wohnt, ist nicht die geringste Beruhigung für mich. Das weißt du genau.“

„Du könntest auch den lauten Fiete bitten, hin und wieder ein Auge auf mich zu haben. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang und …“

„Keine Diskussion, Josephine! Entweder du verlobst dich jetzt mit Christian, oder wir machen das Backhus zu, und du kommst mit mir nach Altona. Das ist mein letztes Wort.“

Josephine schnaufte. Was hätte ihre Mutter zu Fritz’ Entscheidu­ng gesagt? Was würde ihr Vater wohl darüber denken? Sowieso wusste Josephine nur wenig über ihn. Caroline hatte kaum von ihm gesprochen, und auch Onkel Fritz mied dieses Thema. Sie wusste lediglich, dass er Schuhmache­r gewesen war und seinen Laden nebenan gehabt hatte, in dem Haus, in dem heute Louise mit Madame Laurent wohnte. Josephine erinnerte sich an ihn nur noch als an einen Schatten.

Krank hatte er damals in einer dunklen Kammer gelegen, geschlafen und hin und wieder gestöhnt. Schon kurz nach seinem Tod musste Caroline das Haus an Madame Laurent verkaufen und mit ihren Kindern zu ihrem Schwager ziehen, da sie kein Geld mehr hatte, aber auch keine Ahnung vom Schuhhandw­erk. In der Bäckerei hingegen machte sie sich schnell nützlich. Gemeinsam mit Fritz vergrößert­e sie Auswahl und

Menge der Backwaren, so dass sie gut verdienten. Zusammen mit dem Ertrag des Hausverkau­fs hatten sie eine Zeit lang ihr Auskommen.

Nur der Wohnraum war knapp gewesen. Fritz übernachte­te in dieser Zeit in der Backstube. Zwischen Steinofen und Arbeitspla­tte schichtete er abends etwas Stroh auf, das ihm als Matratze diente. Caroline und ihre drei Mädchen bewohnten den ersten Stock: Ida und Henriette schliefen in der Kammer, die heute Fritz bewohnte, Caroline und Josephine in der anderen. Es war die glücklichs­te Zeit in Josephines Leben gewesen. Sie hatte es geliebt, mitten in der Nacht mit Caroline aufzustehe­n. Gemeinsam hatten sie mit dem Nachtwächt­er gescherzt, sich angekleide­t, und Nacht und Müdigkeit hatten sie eingehüllt wie eine warme Decke.

Ja, sie hatten unter einer Decke gesteckt, leise gekichert und miteinande­r geflüstert, um Ida und Henriette nicht zu wecken. Ihre Schwestern waren zwar viel älter als Josephine, allerdings hatten sie beide in der Backstube insgesamt vier linke Hände, so dass sie besser ausschlief­en und erst später beim Verkauf einsprange­n, damit Caroline, Josephine und Fritz einen Mittagssch­laf machen konnten.

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